35 Jahre danach: Die Prager Züge und die Flucht in die Freiheit am Hofer Bahnhof

DDR-Flüchtlinge: 35 Jahre nach der Ankunft der Prager Züge in Hof | BR24

Der Hofer Bahnhof ist nun offiziell ein Ort der deutschen Demokratiegeschichte – eine Plakette soll künftig daran erinnern. Sie soll den Blick auf die dramatischen Ereignisse des 1. Oktober 1989 lenken, als die Züge mit tausenden DDR-Flüchtlingen aus der Prager Botschaft in die oberfränkische Stadt Hof einfuhren. Punkt 6:00 Uhr morgens erreichte der erste Zug den Bahnhof. Es war der Anfang eines unvergesslichen Tages, der sich tief in das kollektive Gedächtnis Deutschlands eingebrannt hat.

Damals sprach der westdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der Prager Botschaft die erlösenden Worte, die eine monatelange Wartezeit für tausende Flüchtlinge beendete: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…“ Die Botschaft brach im Jubel aus, denn die Menschen wussten: Die erhoffte Flucht in die Freiheit würde endlich Realität werden. Das Gelände der Botschaft war zu diesem Zeitpunkt völlig überfüllt, die Zustände kaum noch tragbar. Eine Lösung musste her – und die kam in Form von Sonderzügen, die die Menschen über die DDR nach Westdeutschland, genauer gesagt nach Hof, brachten.

Die Entscheidung der Ostberliner Führung, die Züge über DDR-Gebiet fahren zu lassen, war Teil eines historischen Kompromisses. Es bedeutete, dass die Menschen, die für ihre Freiheit so viel riskiert hatten, noch einmal die DDR passieren mussten, um in die ersehnte Freiheit zu gelangen. Doch die Angst wich schnell einem Gefühl der Erleichterung, als der erste Zug in Hof ankam. Viele der damaligen Flüchtlinge berichten noch heute voller Emotionen von diesem Moment. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass hier jemand auf uns wartet“, erzählt eine Zeitzeugin, „doch plötzlich war der ganze Bahnhof voll mit Menschen. Sie haben uns umarmt, beschenkt und herzlich willkommen geheißen. Das werde ich niemals vergessen.“

Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung in Hof und Umgebung war überwältigend. Über Nacht mussten Tausende von Menschen versorgt werden – eine logistische Herausforderung, die mit einem beeindruckenden Gemeinschaftsgefühl gemeistert wurde. Menschen aus der ganzen Region kamen, um Kleidung, Essen und Unterkunft für die Ankommenden bereitzustellen. Es war ein Moment der Menschlichkeit, der die tiefe Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie symbolisierte, die diese Zeit prägte.

Neben den Flüchtlingen, die aus Prag kamen, waren es auch die Lokführer und das Eisenbahnpersonal, die einen wichtigen Teil dieser historischen Mission erfüllten. Die Züge wurden von speziell ausgewähltem Personal gefahren, das besondere Anweisungen erhalten hatte. Jede Etappe der Reise war genau geplant, um die sichere Ankunft in Westdeutschland zu gewährleisten. „Es waren immer zwei Mann auf der Lokomotive“, erinnert sich ein ehemaliger Lokführer. „Die Fahrt war nicht einfach, es gab strikte Anweisungen und viele Augen ruhten auf uns.“

35 Jahre nach diesen turbulenten Tagen kommen die damaligen Zeitzeugen wieder zusammen – in einem Bahnhof, der nun als „Demokratieort“ geehrt wird. Westliche Helfer, geflüchtete DDR-Bürger und die heutige Generation gedenken der Ereignisse, die das Land nachhaltig veränderten. Der Hofer Bahnhof steht nicht nur als Symbol für die glückliche Ankunft der Flüchtlinge, sondern auch für den friedlichen Widerstand, der letztlich den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung ermöglichte.

Doch das Erinnern allein genügt nicht, wie die Organisatoren der Gedenkveranstaltung betonen. „Es geht uns nicht nur um die Erinnerungsarbeit“, erklärt ein Sprecher. „Es geht uns darum, zu zeigen, dass Demokratie kein statischer Zustand ist. Sie ist nicht einfach von selbst gekommen und wird auch nicht von selbst bleiben, wenn wir nicht bereit sind, unseren Teil dazu beizutragen.“ Diese Mahnung ist gerade heute, in einer Zeit globaler und gesellschaftlicher Umwälzungen, aktueller denn je.

Der Hofer Bahnhof ist nun also nicht nur ein Verkehrsknotenpunkt, sondern auch ein Ort, der daran erinnert, was es bedeutet, in einer Demokratie zu leben. Die Geschichte der Züge aus Prag, die an diesem kalten Oktobermorgen die Freiheit brachten, ist ein Mahnmal der Menschlichkeit und der unstillbaren Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit. Sie zeigt, dass der Wunsch nach Demokratie und die Bereitschaft, für sie zu kämpfen, auch heute von großer Bedeutung sind.

Die Erinnerung an die dramatischen Tage von 1989 lebt weiter, und mit ihr die Erkenntnis, dass die Freiheit kein Geschenk ist, sondern ein hart erkämpftes Gut, das es zu bewahren gilt.

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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