In den 1980er Jahren begann Robert Konrad, die Verwandlung der Greifswalder Altstadt mit seiner Kamera festzuhalten. Diese Bilder zeigen nicht nur die Zerstörung eines kulturellen Erbes, sondern auch den Widerstand gegen die politischen Rahmenbedingungen der DDR. Konrad, der aufgrund seiner Fotografien von der Stasi verfolgt wurde, erlebte am eigenen Leib, wie schwierig es war, die eigene Sicht auf die Stadt auszudrücken. Der Abriss der Altstadt, der mit der Mangelwirtschaft der DDR einherging, ließ die Stadt in einem erbarmungswürdigen Zustand zurück, während das benachbarte Kernkraftwerk den wirtschaftlichen Fokus der Region bestimmte.
Greifswald, einst eine blühende Hansestadt, sah sich einem massiven Verfall gegenüber, der durch den staatlichen Willen zur sozialistischen Umgestaltung verstärkt wurde. Über 300 historische Gebäude wurden abgerissen, darunter viele denkmalgeschützte, und an deren Stelle traten Plattenbauten, die die architektonische Vielfalt der Stadt auslöschten. Konrad beschreibt seine Schockreaktion, als er in die Stadt zurückkehrte: „Ich kenne die Stadt mehr von meinen historischen Fotos als aus der gegenwärtigen Realität.“
Die Greifswalderinnen Sabine Rotcher und Petra Prei, die seit den 1950er Jahren in der Stadt leben, erinnern sich an die Abbrüche und die erbärmlichen Lebensbedingungen in den 1980ern. Feuchte Wohnungen, kaputte Dächer und das Bild einer Stadt in Verfall prägten ihren Alltag. „Ruinen schaffen ohne Waffen“ war ein geflügeltes Wort, das die städtische Misere treffend beschrieb. Die Menschen lebten in einem Zustand des Selbstschutzes, oft unbewusst über das Sterben ihrer Stadt. Erst wenn Besucher kamen, wurde ihnen bewusst, wie sehr ihre Heimat gelitten hatte.
Trotz des Ausmaßes der Zerstörung versuchten einige, die alten Gebäude zu retten. Studenten zogen in die bedrohten Häuser, um ein Zeichen des Widerstands zu setzen. Doch die ideologischen Hürden der DDR – das Verbot von Privateigentum und die knappen Ressourcen – erschwerten diesen Versuch. Konrad dokumentierte das Geschehen, während die DDR-Bauakademie eine spezielle Plattenbauweise entwickelte, die den historischen Charakter der Stadt nicht wiederherstellen konnte.
Der tragische Abriss der Altstadt hinterließ eine bleibende Wehmut. Heute, als internationaler Architekturfotograf, sind Konrads Fotos das einzige verbliebene Zeugnis der einst so prächtigen Stadt. Während er die alten Giebelhäuser auf seinen Bildern betrachtet, bleibt die Erinnerung an das, was Greifswald einmal war, lebendig. Die Vernichtung eines kulturellen Erbes ist nicht nur ein Verlust für die Stadt, sondern auch für alle, die dort lebten und träumten.