Geteilte Welt, geteilte Wahrheiten: Zwei Journalisten im Kalten Krieg

Die Geschichte der deutschen Teilung und des Kalten Krieges ist reich an unterschiedlichen Lesarten und Interpretationen, die bis heute nachwirken. Zwei prägende Journalistenpersönlichkeiten dieser Ära, Klaus Bölling und Karl Eduard von Schnitzler, verkörpern wie kaum andere die tiefen Gräben zwischen Ost und West, sowohl in ihren Biografien als auch in ihren beruflichen Überzeugungen. Ihre Lebenswege und Ansichten sind ein Spiegel der politischen und ideologischen Konflikte eines Jahrhunderts.

Klaus Bölling: Vom überzeugten Kommunisten zum Sozialdemokraten und kritischen Staatsdiener
Klaus Bölling, Jahrgang 1928, wuchs als Sohn eines preußischen Beamten in Berlin auf. Die Schrecken des Nationalsozialismus und des Krieges bewegten ihn, sich von 1945 bis 1947 den Kommunisten anzuschließen, da er glaubte, der Kommunismus könne alle Ungerechtigkeiten der Welt überwinden und die Welt einfach erklären. Doch schon bald wurde er desillusioniert: Er erkannte, dass an die Stelle einer faschistischen Diktatur eine neue Art von Diktatur trat, die den Menschen willenlos machen und Freiheit als „totale Unterordnung unter eine Ideologie“ definierte. Diese Erkenntnis führte ihn dazu, die KPD und später die SED zu verlassen und Sozialdemokrat zu werden, nicht aber ein „wütender Antikommunist“.

Böllings journalistische Laufbahn führte ihn zunächst zum Berliner Tagesspiegel, dann zu Hörfunk und Fernsehen. Ein Höhepunkt war seine Zeit als ARD-Korrespondent in Washington von 1969 bis 1973, bevor er sieben Jahre lang Regierungssprecher der Regierung Helmut Schmidt wurde. Seine journalistischen Vorbilder waren Karl von Ossietzky und Kurt Tucholsky.

Prägend waren für Bölling persönliche Erlebnisse: Seine Mutter wurde ins Konzentrationslager Auschwitz verbracht, sein Vater mehrfach verhaftet und bei einem Verhör misshandelt, weil er mit einem der wichtigsten Männer des 20. Juli befreundet war. Diese Erfahrungen bestärkten ihn in dem Wunsch, dazu beizutragen, dass sich die Schrecken der Vergangenheit in Deutschland niemals wiederholen.

Kritische Wendepunkte seiner politischen und journalistischen Sichtweise waren mehrfach in den Quellen zu finden:

• Der 17. Juni 1953 in der DDR, bei dem er in Berlin miterlebte, wie die Volkspolizei auf demonstrierende Arbeiter schoss, bestätigte seine Abkehr vom Kommunismus.

• Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 weckte zunächst „ungeheuren Zorn“ und „ohnmächtige Wut“ in ihm. Er sah die Mauer als „Bankrotterklärung des Kommunismus“ und als Reaktion auf die tiefe Existenzkrise des „Kommandosozialismus“ in der DDR, der bereits zwei Millionen Menschen entlaufen waren.

• Der Vietnamkrieg: Anfangs glaubte er als „Mauerberliner“, dass die USA die Freiheit West-Berlins in Vietnam verteidigen würden. Erst während seiner Zeit in Amerika und nach einem dreiwöchigen Aufenthalt in Vietnam 1971, wo er das Elend der Bevölkerung und das Leid der US-Soldaten sah, wurden ihm „buchstäblich die Augen geöffnet“. Besonders beeindruckten ihn Demonstrationen von Vietnamveteranen, die ihre Auszeichnungen als Zeichen des Protests gegen einen ungerechten Krieg über Zäune warfen.

• Als Regierungssprecher während der RAF-Terrorwelle im Herbst 1977 erkannte Bölling zwar die idealistischen Beweggründe vieler RAF-Terroristen, betonte aber, dass der Staat „keine andere Wahl“ hatte, als dem Terrorismus mit „aller Härte entgegenzutreten“ und lehnte die Einschätzung ab, der Staat sei dadurch repressiv geworden.

• Während seiner Zeit als Ständiger Vertreter in Ost-Berlin (1981-1982) interpretierte er die Politik der „friedlichen Koexistenz“ zunächst positiv. Später erkannte er jedoch, dass diese in Wirklichkeit ein „Klassenkampf auf allen Gebieten“ war, eine leninsche Strategie, die bei manchen westlichen Führungsfiguren fälschlicherweise zu einem „Revisionismus“ und zu echter Zusammenarbeit führte.

Bölling sah seine journalistische Pflicht in der „Aufklärung und in der Verteidigung der Freiheit der Meinungsfreiheit“, nicht im Agitieren oder Aufreden einer Doktrin, sondern im Erklären der Welt. Nach dem Ende der DDR bemühte er sich, im Gespräch mit ehemaligen DDR-Bürgern zu bleiben, und stellte fest, dass die Kontakte damals oft intensiver waren als heute.

Karl Eduard von Schnitzler: Der „Frontoffizier“ und schärfste Polemiker des Ostens
Karl Eduard von Schnitzler, Jahrgang 1918, beschritt einen völlig anderen Weg. Schon mit 13 oder 14 Jahren wurde er Sozialist, beeinflusst von seinem älteren Bruder, der als Student Marx widerlegen sollte, aber zum überzeugten Marxisten wurde. Er trat mit 14 Jahren der sozialistischen Arbeiterjugend bei. Als Kind hatte er sogar auf den Knien Konrad Adenauers gesessen, der aufgrund seiner Bekanntschaft mit Schnitzlers Vater oft in ihrem Haus in Dahlem verkehrte.

Ende 1947 wurde Schnitzler beim von den Alliierten gegründeten Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) entlassen, wo er als Mitarbeiter der ersten Stunde tätig war. Er hatte Illusionen über Antifaschismus und Demokratie in Westdeutschland, wurde jedoch schnell desillusioniert durch die aus seiner Sicht „Nazibande in Hamburg“, die den Sender aufbaute und in der er keine Zukunft sah.

In der DDR stieg Schnitzler zum Topjournalisten auf und betreute jahrzehntelang „Der Schwarze Kanal“, die berühmt-berüchtigte Hetzsendung des Ostens gegen die westlichen Medien. Ende Oktober 1989 wurde er fristlos entlassen, ein „Hinauswurf“ und eine „Rache“ für seine kompromisslose Haltung.

Schnitzlers Sicht auf die Geschichte und seine Rolle:

• Die Berliner Mauer war für ihn das „humanistischste Bauwerk dieses Jahrhunderts“, da sie einen Krieg verhindert habe. Er sah sie als „Zeichen der Stärke“ und als notwendige Konsequenz von Adenauers Verfassung, die zur Spaltung Deutschlands führte, und der „Frontstadt Westberlin“.

• Konrad Adenauer war für ihn ein „Feind“, da er Deutschland gespalten, die Westbindung, die Militarisierung und vor allem die von Schnitzler „besonders übel genommene“ „Renazifizierung“ betrieben habe.

• Den Einmarsch der Warschauer Paktstaaten in Prag 1968 verteidigte er als notwendig, um eine „Konterrevolution“ zu verhindern, die er mit dem 17. Juni 1953 in Berlin und 1956 in Ungarn verglich. Er sah darin eine Niederlage des Imperialismus.

• Sein journalistisches Selbstverständnis beschrieb er als „Frontoffizier“ im Kalten Krieg. Dieser sei in Deutschland ein „Bürgerkrieg“ gewesen, der von den Aktionen des Westens verursacht wurde, während der Osten nur reagiert habe. Er bezeichnete sich als den „konsequentesten“ und „schärfsten Polemiker“ gegen das westdeutsche Gesellschaftssystem.

• Die Sendung „Der Schwarze Kanal“ sah er als Beitrag zur „Hygiene im Äther“ für die DDR-Bürger, die der Berieselung westlicher Fernsehstationen ausgesetzt waren. Er betonte, niemals zu Streiks oder zum Sturz der Kohl-Regierung aufgerufen zu haben.

• Nach dem Ende der DDR bedauerte er, den Kapitalismus nicht „dreckig genug dargestellt“ zu haben. Er war der Meinung, dass der Kalte Krieg und der Klassenkampf auch nach dem 3. Oktober 1990 fortgesetzt wurden, sowohl innerhalb als auch zwischen Ost und West.

Die Mauer in den Köpfen
Während Klaus Bölling die Mauer als Bankrotterklärung des Kommunismus erlebte und seine journalistische Arbeit als Aufklärung im Dienste der Freiheit verstand, sah Karl Eduard von Schnitzler sie als Notwendigkeit zum Krieg verhindern und sich selbst als „Frontoffizier“ im permanenten Klassenkampf. Die Geschichten dieser beiden Männer zeigen, wie tief die ideologischen Gräben des Kalten Krieges waren und wie unterschiedlich ein und dasselbe historische Ereignis wahrgenommen und interpretiert werden konnte. Die „Mauer in den Köpfen“, so die Quellen, ist bis heute längst nicht überwunden.