Besiegt und befreit: Wie der Hunger über das Kriegsende siegte

Als die Waffen im Mai 1945 endlich schwiegen, versprach der Sieg über Nazi-Deutschland Hoffnung und Neuanfang. Für die damals 12-jährige Erna Moskal aber begann mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Zeit, die sie als „noch härter als die letzten Kriegsjahre“ in Erinnerung behalten hat.

Moskal, in Potsdam aufgewachsen, erinnert sich an durchzehrte Nächte und Tage, in denen der Magen schmerzte. „Ich weiß, wie Hunger ist“, sagt sie heute. Mit dünnen, ausgemergelten Gliedern verbrachte sie jene ersten Nachkriegsmonate. Die Rationen aus den vom Süden heranziehenden Versorgungskonvois reichten nicht für die gesamte Bevölkerung.

Retterin in dieser Not war eine russische Militärärztin, der Moskal beinahe ihr Leben verdankt. „Sie hat immer ein paar Medikamente und Lebensmittel in meinen Korb gesteckt“, berichtet die Zeitzeugin. Auch Ernährungsrationen, die ihrer Mutter bei Bauern in der Umgebung preiswert oder kostenlos verschafft wurden, hätten das Überleben gesichert.

Doch die materielle Not war nur ein Teil des Leids. Moskal erinnert sich an die traumatischen Bilder zerstörter Städte und zerstörter Seelen. Von den russischen Soldaten fühlte sie sich teils bedroht, teils aber auch menschlich behandelt. Die Ambivalenz dieser Begegnungen spiegelt das Dilemma unzähliger Deutscher wider: Befreit und doch besetzt, sicher und doch schwach.

Historiker verweisen darauf, dass der Hunger im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland nicht zuletzt durch das weitgehende Zusammenbrechen von Verwaltung und Logistik verursacht wurde. Infrastruktur und Transportwege waren massiv zerstört, Fachkräfte fehlten – Rückstände, die Frauen wie Moskal und Millionen andere zu tragen hatten.

Heute lebt Erna Moskal zurückgezogen in Potsdam und teilt ihr Schicksal nur in Ausnahmefällen. Ihr Zeugnis mahnt, das Kriegsende nicht nur als historischen Wendepunkt, sondern auch als Beginn einer humanitären Katastrophe zu begreifen. In ihrem engen Wohnzimmer hängt ein unscheinbares Foto: eine junge Russin im Feldkittel, deren gelebte Solidarität ein junges Mädchen davor bewahrte, noch weiter dem Hungertod nahe zu rücken.

Moskal schließt: „Es darf nicht vergessen werden, dass Befreiung nicht immer Freiheit heißt.“ Ihr eindringlicher Appell erinnert daran, dass die Nachkriegsgeschichte nicht nur von Politik und großen Entscheidungen geprägt ist, sondern vor allem von den stillen Helferinnen und Helfern, die im Kleinen über Leben und Tod entschieden.



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