Als „Schild und Schwert der Partei“ war das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das zentrale Instrument der SED-Diktatur, um Macht zu sichern und politische Kontrolle auszuüben. Mit einem dichten Netz aus hauptamtlichen Mitarbeitern und Hunderttausenden Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) durchzog die Stasi alle Bereiche des Lebens in der Deutschen Demokratischen Republik. Dieser Beitrag beleuchtet, wie der Geheimdienst arbeitete, welche psychologischen und technischen Mittel er einsetzte – und wie sein Erbe noch heute spürbar ist.
Entstehung und politischer Auftrag
Unmittelbar nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 formierte die SED einen eigenen Geheimdienst, um innere und äußere Feinde zu bekämpfen. Unter Verweis auf die „naturgesetzliche Entwicklung zum Sozialismus“ rechtfertigte die Partei jede Maßnahme als notwendig für das „größere Ganze“. Ab 1950 traten die ersten Organisationseinheiten zusammen, ehe sich 1955 offiziell das „Ministerium für Staatssicherheit“ formierte. Die Stasi verstand sich als verlängerter Arm der SED: Ihre Befehle kamen direkt aus dem Zentralkomitee, die Verantwortung blieb stets politisch.
Ausmaß der Überwachung und Repression
In den 1980er-Jahren umfasste die Stasi schätzungsweise 90.000 hauptamtliche Mitarbeiter und knapp 190.000 IMs. Fast jede größere Stadt, jede Institution und selbst manche Familie war in das Überwachungssystem einbezogen. Wer studieren, ins Ausland reisen oder beruflich aufsteigen wollte, musste sich jährlichen Sicherheitsüberprüfungen unterziehen.
- Abhörtechniken und Postkontrolle: Mit ausgeklügelten Horchposten in Telefonleitungen sowie verdeckten Kameras in Privatwohnungen und öffentlichen Ämtern fingen Techniker Gespräche und Dokumente ab. Die Post wurde systematisch geöffnet und ausgewertet.
- Psychologische Kriegführung („Zersetzung“): Keine offene Gewalt, sondern heimliches Einwirken auf Psyche und soziale Beziehungen. Verbreitung von Gerüchten, gezielte Falschinformationen, manipulative Briefe oder nächtliche Hausbesuche sollten Betroffene verunsichern, isolieren oder in den sozialen Ruin treiben.
- Rechtliche Spielräume: Die Stasi operierte jenseits rechtsstaatlicher Kontrollmechanismen. Verhaftungen, Hausdurchsuchungen oder Gefängnisstrafen erfolgten ohne ordentlichen Gerichtsprozess, oft allein auf Basis von Verdachtsmomenten.
Die größte Stärke der Stasi war ihr doppeltes Personalmodell:
- Hauptamtliche Mitarbeiter: Professionelle Offiziere, Techniker, Juristen und Verwaltungskräfte.
- Inoffizielle Mitarbeiter (IM): Spitzel aus allen Gesellschaftsschichten – Nachbarn, Lehrer, Arbeitskollegen, sogar Familienmitglieder.
Die IM lebten vor allem vom Identitätsverlust ihrer Opfer: Misstrauen und Angst wurden zur Waffe, Freundschaften und familiäre Bindungen zerbrachen. Vergünstigungen wie ein schnelleres Auto oder ein eigenes Telefon lockten zum Verrat. Kaum jemand war davor gefeit, ins Visier der Stasi zu geraten: Politisch Andersdenkende, aber ebenso Westkontakte, Kirchgänger oder Konsumenten westlicher Kultur.
Außenaufklärung und Spionage im Westen
Auch in der Bundesrepublik unterhielt die Stasi ein weit verzweigtes Spionagenetz. Schätzungen gehen von rund 12.000 Westagenten aus – vornehmlich männliche Fach- und Führungskräfte, deren Geheimnistransfer als besonders lohnendes Ziel galt. Kristallisationspunkte der Aufklärung waren mehrfach enttarnte „Spionagesekretärinnen“ in Ministerien. Doch weitaus wirkungsvoller waren Hochschuldozenten, Journalisten oder Bundestagsabgeordnete, die Papiere kopierten, Vertrauliches weiterreichten und so Einblicke in militärische wie wirtschaftliche Planungen lieferten.
Der Niedergang und die Aktenzersplitterung
Mit den Montagsdemonstrationen ab Herbst 1989 verlor die Stasi ihre Rückendeckung. Die Bilder vom Sturm auf die Zentrale in der Berliner Normannenstraße am 15. Januar 1990 symbolisieren das Ende: Bürgerrechtler drangen in den Komplex ein, Aktenlabore wurden gestürmt, Stasi-Offiziere flohen. In den folgenden Wochen vernichteten Mitarbeiter Millionen Akten, zerschnitten Dokumente und schmolzen Datenträger ein. Dennoch blieben genug Schnipsel erhalten, um die spätere Aufarbeitung zu ermöglichen.
Nachwirkung und Aufarbeitung
Bereits 1990 gründete der damalige Bundestagspräsident Joachim Gauck die Behörde „Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes“ (BStU). Mit Marianne Birthler und Roland Jahn an der Spitze wurden Millionen Akten für Opfer zugänglich gemacht. Bis heute wird an der Rekonstruktion der zerrissenen Blätter gearbeitet, während zeitgleich ehemalige IM enttarnt und in Einzelfällen strafrechtlich belangt werden. In der öffentlichen Debatte mahnen Betroffene: „Vergessen ist Verrat an der Wahrheit“, und fordern, die Mechanismen von Überwachung nie wieder zuzulassen.
Der Geheimdienst der DDR war mehr als eine Behörde – er war das Rückgrat einer Diktatur, die Leben zerstörte und Gesellschaft misstrauisch machte. Seine Methoden reichen von technologischer Spionage bis zur psychologischen Zersetzung, von brutaler Repression bis zu subtiler Einflussnahme. Auch 35 Jahre nach seinem Ende ist die Auseinandersetzung mit den Stasi-Akten ein fortwährender Prozess, der nicht nur Opfer rehabilitiert, sondern auch die Grundpfeiler demokratischer Freiheitsrechte mahnt. Die Lehre bleibt: Wer die Angst vor Überwachung nicht vergisst, schützt seine Freiheit.