Rostock/Kühlungsborn. In einem fast vergessenen, windgepeitschten Militärobjekt an der Ostseeküste, das einst als Ausbildungsstätte der Kampfschwimmer der Volksmarine diente, öffnen ehemalige Soldaten ihre Erinnerungen an eine Zeit, in der Geheimhaltung und militärische Innovation Hand in Hand gingen. Heute erzählt Karl Heinz Müller, einst Offizier der Volksmarine, von den hochspezialisierten Einsätzen der 100 Mann starken Kampfschwimmereinheit – Elite-Soldaten, die unter strengster Auswahl und mit außergewöhnlichen körperlichen und geistigen Voraussetzungen operierten.
Training und Taktik im Schatten der Geheimhaltung
„Sie waren nachts aktiv, fast unsichtbar und agierten an allen Fronten“, erinnert sich Müller. Der ehemalige Offizier berichtet von aufwendigen Ausbildungsprogrammen, die nicht nur intensives Tauchen, sondern auch Fallschirmsprünge und Nahkampftraining umfassten. Die Soldaten lernten, an feindliche Küsten anzulanden, Radar- und Funkleitstationen zu sabotieren und sogar Raketenstellungen zu zerstören – Fähigkeiten, die bis heute in geheimen militärischen Trainings nicht vernachlässigt werden.
Die Trainingsstätten selbst, einst durch Sperrzonen und unübersehbare Schießplätze gesichert, waren wahre Labore der militärischen Kreativität. Unter der Anleitung erfahrener Offiziere und mit modernsten Tauchgeräten – teils Kreislaufsysteme, die heute kaum mehr im zivilen Bereich zu finden sind – wurden die Kampfschwimmer auf Einsätze vorbereitet, bei denen jede Sekunde und jede Bewegung über Erfolg oder Scheitern entscheiden konnte.
Ein Leben zwischen Geheimnissen und Härtetests
Die Ex-Kämpfer, darunter auch Wolfram Wecke und Horst Kerzig, blicken mit einer Mischung aus Stolz und Wehmut auf ihre aktive Zeit zurück. Während der reguläre Dienst heute von touristischen Wiederbelebungen und gelegentlichen Sommer-Tauchgängen geprägt ist, zeugt das gelegentliche Wiederauftauchen der alten Geräte von einer Ära, in der militärischer Nervenkitzel und der Nervenkitzel des Unbekannten den Alltag bestimmten. Bei Temperaturen von nur vier Grad im Wasser mussten sie ihre körperlichen Grenzen austesten – und das oft unter Bedingungen, die selbst heute noch als Härtetest gelten würden.
Die Schattenseiten einer glorreichen Vergangenheit
Doch der militärische Ruhm hatte auch seinen Preis. Politische Zuverlässigkeit und die vermeintliche Abgrenzung von westlichen Einflüssen waren unerlässliche Voraussetzungen, die oft auch persönliche Schicksale bestimmten. Die Geschichten der Kampfschwimmer zeigen, wie stark der Druck auf die Männer war, in einem System zu funktionieren, das sich durch Geheimniskrämerei und militärische Überlegenheit definierte. Die Erinnerung an jene Tage bleibt zugleich faszinierend und beängstigend – ein Kapitel, in dem Abenteuerlust und die eiserne Disziplin einer Staatsdoktrin miteinander verschmolzen.
Ein Vermächtnis im Wandel der Zeit
Heute, mehr als drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer, werden die Spuren jener Zeit immer unschärfer. Die ehemaligen Trainingslager sind längst von der Natur zurückerobert worden – und doch zeugen Relikte, wie die speziellen Kreislauftauchgeräte, von einer Ära, in der außergewöhnliche militärische Konzepte ausprobiert wurden. Die Erinnerungen der ehemaligen Kampfschwimmer lassen uns in eine Welt eintauchen, die von Geheimnissen, Härte und dem stetigen Streben nach Perfektion geprägt war.
Die Dokumentation dieser Geschichten ist mehr als eine nostalgische Rückschau. Sie liefert Einblicke in eine Zeit, in der militärische Taktiken und die Bereitschaft zum Extrem-Einsatz als Staatsgeheimnisse galten – und stellt zugleich die Frage, wie eng das Spannungsfeld zwischen Pflicht, Ehre und persönlicher Freiheit in einem totalitären System wirklich war.