Olaf Scholz‘ Appell: Deutschlands historische Verantwortung und Europas neue Sicherheitsarchitektur

Am 15. Februar 2025 richtete Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz einen weitreichenden Appell an Deutschland und Europa. Vor der symbolträchtigen Kulisse des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau – ein Mahnmal für die Verbrechen des Nationalsozialismus – verband er historische Verantwortung mit den drängenden Herausforderungen der Gegenwart.

Schon zu Beginn seiner Rede betonte Scholz, dass die Lehre „Nie wieder“ nicht nur ein moralisches Credo, sondern auch die Basis einer freien und demokratischen Gesellschaft ist. Mit deutlichen Worten stellte er klar: Faschismus, Rassismus und Angriffskrieg haben in Deutschland keinen Platz. Besonders kritisch äußerte er sich über die AfD, deren vermeintliche Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen er als unvereinbar mit dem Selbstverständnis der deutschen Demokratie bezeichnete. Scholz warnte davor, dass externe Kräfte, auch unter vermeintlichen Verbündeten, sich in die inneren Angelegenheiten der Demokratie einmischen könnten.

Im Kontext des anhaltenden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bekräftigte der Kanzler die transatlantische Allianz. Er unterstrich, dass ein Frieden nur dann erreicht werden könne, wenn die Souveränität der Ukraine uneingeschränkt respektiert wird – „nichts über die Ukraine ohne die Ukraine“. Dabei zeigte er sich pragmatisch: Gespräche mit Russland seien unvermeidlich, jedoch müsse die Ukraine aktiv in diese Verhandlungen eingebunden sein. Scholz kritisierte die fortwährende Eskalation des Konflikts, die mittlerweile durch internationale Akteure – von Drohnen aus dem Iran bis zu Söldnern aus dem Jemen – eine globale Dimension angenommen habe.

Ein weiterer Schwerpunkt der Rede lag auf der Frage der finanziellen und militärischen Ausstattung Europas. Scholz legte handfeste Zahlen vor: Um das NATO-Ziel von 2 % des BIP an Verteidigungsausgaben zu erreichen – geschweige denn auszubauen –, müssten allein in Deutschland bis Ende des Jahrzehnts dreistellige Milliardensummen fließen. Dies erfordere nicht nur ein Umdenken in der nationalen Haushaltsführung, sondern auch eine Reform der Schuldenbremse, um Investitionen in Sicherheit und Verteidigung zu ermöglichen. Damit verbunden sei der Appell an Europa, eigenständige, sicherheitsrelevante Schlüsseltechnologien zu fördern und die europäische Rüstungsindustrie zu stärken – als Ergänzung, aber nicht als Ersatz der transatlantischen Partnerschaft.

Kern der Argumentation ist die Vision eines Europa, das selbstbewusst seine Interessen vertritt und dabei sowohl den transatlantischen Zusammenhalt als auch die eigene Handlungsfähigkeit stärkt. Scholz schlägt sogar vor, im EU-Stabilitätspakt eine temporäre Ausnahme für Verteidigungsinvestitionen zu schaffen. Diese „Win-Win-Win“-Strategie – Entlastung der USA, ein stärkeres Europa innerhalb der NATO und eine insgesamt gestärkte transatlantische Allianz – soll den aktuellen geopolitischen Herausforderungen begegnen.

Kritisch ist anzumerken, dass Scholz in seinem Appell nationale und europäische Dimensionen eng verknüpft. Während diese Verflechtung einerseits als notwendiges Signal für ein geeintes Europa verstanden werden kann, birgt sie andererseits das Risiko, interne Divergenzen in Europa noch deutlicher hervortreten zu lassen. Dennoch zeigt die Rede deutlich: Angesichts der globalen Sicherheitslage ist es unerlässlich, dass Deutschland und Europa ihre Verantwortung ernst nehmen und strukturelle Weichenstellungen vornehmen.

Insgesamt zeichnet sich die Rede durch eine eindringliche Mischung aus historischer Mahnung, realistischer Analyse der aktuellen Bedrohungslage und ambitionierten Zukunftsvisionen aus. Scholz fordert ein entschlossenes Umdenken in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik – ein Appell, der verdeutlicht, dass die Stunde Europas jetzt schlägt und aktives Handeln unumgänglich ist.

Autor/Redakteur: Arne Petrich
Für Anregungen, Verbesserungen oder Hinweise zum Beitrag schreiben Sie einfach eine Mail an coolisono@gmail.com! Bei Interesse an der Veröffentlichung eines Gastbeitrages ebenso!