Blut an der Strumpfhose – Der hohe Preis der DDR-Billigware

Es war ein Angebot, das man kaum ablehnen konnte. 79 Pfennig für die Damenfeinstrumpfhose „Saonara“, angepriesen im Aldi-Prospekt vom Februar 1989. Ein westdeutsches Schnäppchen-Idyll. Doch der wahre Preis stand nicht auf dem Preisschild. Er wurde in einer Währung bezahlt, die wir damals im Westen gerne ignorierten: in Blut, Angst und den gellenden Schreien von Frauen im sächsischen Gefängnis Hoheneck.

Die naive Vorstellung, dass der billige Konsum im Westen nichts mit dem Unrecht im Osten zu tun hatte, entpuppt sich heute als bequeme Lüge. Die DDR brauchte Devisen, die Bundesrepublik billige Waren – und in dieser Schnittmenge starb die Moral einen leisen Tod. Es war ein durchorganisiertes System der Ausbeutung, koordiniert von Stasi und „Kommerzieller Koordinierung“, bei dem rund 6.000 West-Firmen profitierten. Ideologie spielte keine Rolle, solange, wie ein Manager es formulierte, der Preis „angenehm war“.

Die Geschichten dahinter sind unerträglich konkret. Da ist Andrej Wagenzig, der nach seinem Freikauf in einem West-Berliner IKEA-Möbelhaus fassungslos genau jene Scharniere in einem Schrank wiederfand, die er zuvor als Häftling unter Zwang hatte stanzen müssen. Da ist Carla Otmann, die mit Amphetaminen vollgepumpt wurde, um die Norm an der Strumpfmaschine zu erfüllen, und mitansehen musste, wie eine Mitgefangene skalpiert wurde. Wir trugen diese Strümpfe. Wir bauten diese Schränke auf.

Doch fast schockierender als die historische Grausamkeit ist die heutige Kälte in manchen Chefetagen. Während IKEA Verantwortung übernahm, sich entschuldigte und Millionen für einen Härtefallfonds zahlte, flüchten sich andere in juristische Abwehrschlachten. Aldi verweist auf die verstrichene Zeit, der Otto-Versand wetterte gar gegen eine „Kampagne der Opferverbände“. Man leugnet, man droht, man schweigt.

Dieter Dombrowski von der Opferunion sagt dazu den entscheidenden Satz: Das Bestreiten des Leids ist eine tiefe Verletzung für die Menschen, deren Psyche bis heute nicht geheilt ist. Wenn Konzerne „unternehmerische Verantwortung“ in ihre Hochglanzbroschüren drucken, aber vor der eigenen Geschichte die Augen verschließen, wird dieser Begriff zur Farce. Ein Schnäppchen darf niemals so billig sein, dass es uns die Menschlichkeit kostet. Die Mauer ist weg; die Mauer des Schweigens bei manchen Profiteuren steht leider noch immer.