Berlin birgt viele Orte, die Geschichten erzählen, und der Schinkelplatz ist zweifellos einer davon. Südwestlich der Schlossbrücke, hinter der Alten Kommandantur gelegen, ist dieser Platz ein Zeugnis tiefgreifender städtebaulicher und gesellschaftlicher Transformationen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Begrenzt von Wohn- und Geschäftshäusern im Westen, dem Spreekanal im Osten und dem Bereich für den Wiederaufbau der Bauakademie im Süden, präsentiert sich der Schinkelplatz heute als eine sorgfältig rekonstruierte historische Fläche.
Von Packhof zu Prachtplatz: Die Anfänge
Ursprünglich befand sich an dieser Stelle der Alte Packhof, Berlins Hauptzollstelle für den Schiffsverkehr, ausgestattet mit einer Bucht als Anlegestelle für Frachtschiffe. Seine zentrale Bedeutung für die Berliner Wirtschaft war immens, da hier alle Waren für den Import nach oder Export aus Berlin entladen, zwischengelagert und behördlich kontrolliert wurden. Um 1830 wurden die Packhof-Gebäude abgerissen, nachdem der Neue Packhof auf der Museumsinsel nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel modernisiert und ausgebaut worden war.
An der Stelle des Alten Packhofs entstand bis 1832, ebenfalls nach Schinkels Entwürfen, die Berliner Bauakademie. Schon in einer Entwurfszeichnung von 1831 war Schinkels Vision eines von Bäumen umstandenen Platzes vor der nördlichen Fassade der Bauakademie erkennbar. Tatsächlich wurde der Platz 1837 nach Plänen von Peter Josef Lenné in Form eines schmalen Dreiecks als Schmuckplatz angelegt und „Platz an der Bauakademie“ genannt.
Helden ohne Degen: Das Denkmal-Ensemble
Eine entscheidende Wende erlebte der Platz in den 1860er Jahren mit der Aufstellung von Denkmälern für Albrecht Daniel Thaer (1860), Peter Christian Wilhelm Beuth (1861) und Karl Friedrich Schinkel (1869). Dieses Denkmalensemble, ein Werk der Berliner Bildhauerschule, genauer der Rauchschule, war ein Novum in der Geschichte Berlins. Christian Daniel Rauch selbst entwarf das Thaer-Denkmal, sein spätestes Werk, das jedoch erst nach seinem Tod im Jahr 1857 vollendet wurde.
Die Aufstellung dieser Denkmäler spiegelte das erstarkte Selbstbewusstsein des preußischen Bürgertums wider, da es sich hierbei erstmals nicht um Vertreter des Königshauses oder des Militärs handelte. Christian Daniel Rauch bezeichnete sie als „die ersten Helden auf öffentlichem Platze ohne Degen“. König Friedrich Wilhelm IV. stimmte der Aufstellung zu, da alle drei Männer maßgeblich zur Entwicklung und Modernisierung Preußens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beigetragen hatten.
• Albrecht Daniel Thaer gilt als Begründer der wissenschaftlichen Landwirtschaft in Deutschland. Seine Theorien zur Bodennutzung, zum Pflanzenanbau und zur Tierhaltung führten zu einer erheblichen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität.
• Peter Christian Wilhelm Beuth war 25 Jahre lang der leitende Beamte für die Gewerbepolitik in Preußen und spielte eine entscheidende Rolle beim Wandel Preußens von einem militärisch-feudalen Agrarstaat zu einem modern organisierten bürgerlichen Industriestaat.
• Karl Friedrich Schinkel, zweifellos der bekannteste der drei, war preußischer Baubeamter, Baumeister, Architekt, Stadtplaner, Denkmalpfleger, Maler, Grafiker und Bühnenbildner. Sein Wirken prägte die Stadtplanung und das Bauen in Berlin und Preußen weit über seine Lebenszeit hinaus, und zahlreiche seiner Bauten, wie das Alte Museum, die Schlossbrücke, die Neue Wache, die Bauakademie, die Friedrichswerdersche Kirche und das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, befinden sich rund um den Schinkelplatz.
Zerstörung und Wiederaufbau: Eine wechselvolle Geschichte
In den Jahren 1886/1887 wurde der Platz erneut umgestaltet: Die Fläche vor den Denkmälern erhielt ein farbig ornamentiertes Mosaikpflaster und einen Springbrunnen, während hinter den Denkmälern eine 18 Meter lange, halbrunde Sitzbank aus poliertem Granit aufgestellt wurde.
Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Schinkelplatz, wie auch die umliegenden Gebäude, schwere Beschädigungen. Die Schinkel-Statue stürzte vom Sockel, und die Denkmäler von Beuth und Thaer trugen Einschüsse und Splitterschäden davon. Nach dem Krieg, im Jahr 1949, wurden die vier Karyatiden vom Sockel des Schinkel-Denkmals sowie fünf Reliefs vom Thaer-Denkmal gestohlen.
Die Bauakademie wurde 1962 abgerissen, und die drei Denkmäler wurden an Standorte innerhalb der Humboldt-Universität und an andere Stellen im Stadtgebiet gebracht. Auf der Fläche des Schinkelplatzes entstand ein Neubau des DDR-Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten. Dieses Gebäude wurde jedoch bereits 1996, keine 30 Jahre später, aus städtebaulichen Gründen wieder abgerissen, um den historischen Stadtgrundriss rekonstruieren zu können.
Die Rekonstruktion und die Zukunft
Der Schinkelplatz wurde zunächst als Rasenfläche neu angelegt, und Schinkel kehrte auf seinen angestammten Platz zurück. 1999 folgten Beuth und Thaer, letzterer allerdings nur als Kopie, da die Landwirtschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität das Original nicht wieder herausgeben wollte.
In den Jahren 2007 und 2008 erfolgte unter maßgeblicher Mitwirkung des Berliner Bildhauers Hans Starcke eine umfassende Rekonstruktion des Platzes in der Form von 1887. Es dauerte jedoch noch einige Jahre, bis die verschollenen und beschädigten Sockelreliefs an den Denkmälern für Thaer und Beuth sowie die Karyatiden am Sockel des Schinkel-Denkmals nachgebildet und angebracht worden waren.
Bei der Einweihung des Platzes hofften die Senatsverantwortlichen, dass die aufwendige gartendenkmalpflegerische Wiederherstellung des Schinkelplatzes in der historischen Mitte Berlins sich positiv auf die Gestaltung des umliegenden Bereichs auswirken würde. Der Platz bewirkt zumindest eine größere Geschlossenheit und bietet einen Blick auf das wiederhergestellte Eosander-Portal des Berliner Schlosses.
Was noch fehlt, ist die Bauakademie. Ob, wann und wie der vom Bund bereits 2016 beschlossene Wiederaufbau erfolgt, ist leider immer noch nicht klar. Der Schinkelplatz bleibt somit ein lebendiges Denkmal, das die tiefen Narben der Geschichte trägt, aber auch die unermüdliche Kraft des Wiederaufbaus und die Ehrung wegweisender Persönlichkeiten Berlins verkörpert.