Die Wiederauferstehung der DDR: Vom Sperrmüll zur gefragten Rarität

Pausa, Sachsen. Knapp 21 Jahre nach dem Mauerfall erleben Alltagsgegenstände und Devotionalien aus DDR-Zeiten eine erstaunliche Wiedergeburt. Was einst als Sperrmüll galt, ist heute Kult und bei Sammlern heiß begehrt. Ein Phänomen, das nicht nur sentimentale Zeitreisen ermöglicht, sondern auch lukrative Geschäfte generiert, wie die Geschichte der Familie Just aus Pausa zeigt.

Ein Privatmuseum im Gartenhaus
Im sächsischen Pausa, gleich hinter ihrem Wohnhaus, hatte Vater Just bis zu seinem Tod ein privates Museum geschaffen. Ein Gartenhaus, ursprünglich als Wäscheplatz für seine Frau Werbel gedacht, wurde über 20 Jahre hinweg bis zum Rand mit allem gefüllt, womit sich DDR-Bürger einst umgaben. Nach seinem Tod standen Mutter Werbel und Sohn Matthias vor der Herausforderung, dieses umfangreiche Erbe zu bewerten und zu verwerten. Die Sammlung umfasst DDR-Artikel aus allen Jahrzehnten, verteilt auf zwei Etagen, darunter eine umfangreiche Sammlung von Spielzeug und beeindruckende 500 Radios, von denen die meisten jedoch defekt sind.

Expertenblicke auf Ost-Schätze
Um den Wert der Sammlung einschätzen und veräußern zu können, holten sich die Justs Unterstützung. Trödelprofi Reiner Berkenhoff aus dem Rheinland und der Sachse Michael Wuzig, der eine Verkaufsprovision von 20 % anstrebt, standen bereit. Schnell zeigte sich die Vielfalt der Sammlung, von Gesetzesbüchern der Deutschen Volkspolizei bis hin zu Blechspielzeug. Besonderes Augenmerk lag auf den Radios und dem Spielzeug. Michael Wuzig, dessen Geschäft in Stassfurt ein Paradies für ostalgische Sammler ist, übernahm die Spielzeuge und ließ jedes Einzelteil akribisch putzen.

Zu den echten Schätzen zählen neben funktionierenden Radios mit Stationstasten, die bis zu 30 Euro einbringen können, insbesondere Gummipuppen und Figuren aus Sonneberg in Thüringen, dem ehemaligen Zentrum der DDR-Spielzeugindustrie. Viele davon sind handgegossen und bemalt und waren in der DDR weit verbreitet. Ein Beispiel ist der Minolpirol, der trotz seiner geringen Größe 40 Euro erzielen kann. Auch Blechspielzeug, von dem einige Modelle einst ausschließlich in den Export gingen und für DDR-Bürger nur unter dem Ladentisch erhältlich waren, ist heute leicht an Interessenten zu bringen. Holzmöbel für Puppenstuben waren ebenfalls heiß begehrt.

Im Heizungsraum der Justs fand sich zudem ein Tresor voller Münzen, Medaillen, alter Pässe, Prüfungszeugnisse und unzähliger Sammelalben voller Postkarten. Für die Bewertung dieses Inhalts wurde Bernhard Möller hinzugezogen, ein Experte für Postkarten und Münzen. Während viele Münzen und Abziehbilder aus Zigarettenschachteln als nahezu wertlos eingestuft wurden, könnten die bis zu 10.000 Postkarten für 1 bis 5 Euro pro Stück verkauft werden.

Das Geschäft mit der Ostalgie
Die steigende Nachfrage nach DDR-Produkten spiegelt einen allgemeinen Trend wider: die Ostalgie. Sie zeigt sich nicht nur in privaten Sammlungen, sondern auch in kommerziellen Unternehmungen. In Berlin, unweit des Ostbahnhofs, lebt die DDR im „Ostel“ weiter, einem DDR-Design-Hostel, das vor drei Jahren gegründet wurde und heute zu 100 % im Ost-Stil gehalten ist. Von Tapeten mit Originalmustern bis hin zu Telefonen und Unterhaltungslektüre – alles ist authentisch. Das Konzept verzichtet bewusst auf Luxus wie Fernseher oder Minibar und spiegelt sich im Preis wider. Sogar Souvenirs wie „Erich Honecker“ über dem Bett sind beliebt. Das Ostel, das mit 40 Betten begann, ist inzwischen auf 240 Schlafgelegenheiten angewachsen, wobei keine wie die andere ist, aber alle an „lang vergangenen sozialistischen Glanz“ erinnern.

Auch der Ostprodukteversand in Tangermünde in Sachsen-Anhalt macht das Einkaufen von DDR-Produkten für jedermann möglich. Thorsten Clip, der Gründer, verkauft noch heute alles, was es damals gab, immer reichlich auf Lager und nach rein marktwirtschaftlichen Prinzipien. Besonders beliebt sind hier Kittelschürzen aus dem Kunstmaterial Dederon. Manche Produkte wie das Körperreinigungsprodukt „DDR – Dusch Dich Richtig“ (wobei DDR hier „Dusch dich richtig“ bedeutet) sind jedoch neueren Datums und wären in dieser Form zu DDR-Zeiten undenkbar gewesen. Täglich werden 50 bis 60 Pakete in die ganze Welt verschickt, da sich die Menschen mit diesen Produkten identifizieren und sich an vertraute Dinge erinnern wollen.

Der Kassenschlager und der Abschied
Auf Flohmärkten wie in Leipzig und in Michael Wuzigs Geschäft in Stassfurt fanden die Gegenstände der Familie Just neue Besitzer. Während Mutter Werbel anfänglich noch Trennungsschmerz empfand, besonders beim Anblick der Puppenstuben, mit denen sie selbst gespielt hatte, zeigte sich der Erfolg schnell. Allein mit dem Verkauf weniger Puppenmöbel nahm ein Händler in zwei Stunden über 400 Euro ein. Auch die kaputten Radios fanden Abnehmer, da Sammler Ersatzteile für ihre eigenen Geräte benötigten.

Am Ende eines lehrreichen Tages wurde Kassensturz gemacht: 1.250 Euro für den Inhalt des Tresors (hauptsächlich Postkarten), 809 Euro aus dem Leipziger Flohmarkt und 1.495 Euro aus den zahlreichen kleinen Sachen. Hinzu kamen 300 Euro aus den ersten eBay-Auktionen. Insgesamt erzielte die Familie Just rund 3.600 Euro. Ein überwältigendes Ergebnis für Mutter Werbel, die so viel nicht erwartet hatte. „Ich denke mal, der Vater wäre ganz zufrieden damit. Also das war ja das Grundprinzip von seinem Gedanke gewesen, dass das irgendwann mal als Nachlass für uns ist und dass wir dann die Sachen verkaufen, das was er gesammelt hat“, so Sohn Matthias.

Die kleine DDR von Vater Just hat nach fast 21 Jahren nach dem Mauerfall ausgedient. Das Gartenhaus kann nun endlich seiner ursprünglichen Bestimmung dienen: als Wäscheplatz. Ein Beweis dafür, dass Erinnerungen und Nostalgie nicht nur immateriellen Wert haben, sondern in der heutigen Zeit auch zu klingender Münze werden können.