Holger Friedrich, der Unternehmer, der mit dem Kauf der „Berliner Zeitung“ im Jahr 2019 die traditionelle Medienlandschaft überraschte, meldet sich nun mit der Wiederbelebung der „Weltbühne“ zurück und provoziert damit erneut eine lebhafte Debatte über Medien, Politik und die Zukunft Deutschlands. Seine Ansichten sind unkonventionell, seine Kritik am Status quo scharf – doch er liefert auch konkrete Erfolge.
Die Wiedergeburt der „Weltbühne“: Ein Kampf um Deutungshoheit Die „Weltbühne“, einst ein linksbürgerliches, radikaldemokratisches Blatt der Weimarer Republik, das sich gegen die Nazis richtete, war seit 1993 nicht mehr erschienen. Im Mai des vergangenen Jahres erlebte sie unter Friedrichs Ägide eine Wiederauflage, die jedoch sofort Kritik und Streit nach sich zog. Der Enkel des Gründers, Siegfried Jacobsohn, fühlt sich enteignet und kritisiert das Vorgehen. Friedrich hingegen betont, dass man die Markenrechte sorgfältig geprüft habe und auch Kontakt zur Jakobsohn-Familie gesucht, aber auf eine „klassisch stereotype Westberliner Antwort“ gestoßen sei, die Gespräche unmöglich machte. Trotz mehrfacher Einladungen zu persönlichen Treffen sei der Enkel nie erschienen, wodurch die Familie ihr Erbe „final verspielt“ habe.
Die Intention hinter der neuen „Weltbühne“ ist es, eine „Plattform für Dialog“ zu schaffen, auf der Menschen, die in Leitmedien ausgegrenzt oder marginalisiert werden, ihre Meinung äußern können – unter der wesentlichen Voraussetzung der Gewaltfreiheit. Friedrich sieht dies als einen Versuch, einen Diskurs jenseits von Schwarz-Weiß-Denken zu ermöglichen, der in Zeiten komplexer Veränderungen wie Technologieentwicklung, demografischem Wandel, Klimawandel und geopolitischen Verschiebungen dringend notwendig sei. Ein Beispiel für diese Herangehensweise ist die Veröffentlichung eines Beitrags von Mahamdu Old Slaki, der 16 Jahre in Guantanamo gefoltert wurde und trotz des Verdachts der Al-Qaida-Mitgliedschaft und Beteiligung an Anschlägen nun der Gewalt abschwört und seinen Folterern vergibt. Friedrich argumentiert, dass solchen Menschen ein Forum gegeben werden sollte, da sie ohne richterlichen Beschluss inhaftiert wurden und somit das Recht auf eine Verteidigung und eine öffentliche Plattform hätten.
Die etablierte Presse reagierte scharf auf die neue „Weltbühne“: Die „Taz“ nannte sie ein „kleines Wurstblatt“, der „Spiegel“ sprach von „kraftlosen Frechheiten irritierender Belanglosigkeit“, und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sah darin nichts mit Journalismus zu tun haben. Friedrich nimmt diese Kritik gelassen hin, da die schiere Anzahl der Artikel (39 in drei Wochen) zeige, dass man einen „Nerv getroffen“ habe. Er weist den Vorwurf der „russischen Propaganda“ und der „DDR-Glorifizierung“ als „horrenden Unsinn“ zurück und sieht dahinter die Angst vor Veränderungen und das Bedauern anderer Medien, ihr eigenes Potenzial in den letzten 30 Jahren nicht genutzt zu haben.
Die Personalie Thomas Fassbänder, Mitherausgeber der „Weltbühne“ und ehemaliger Kommentator beim russischen Sender Russia Today, befeuerte ebenfalls die Kritik. Friedrich verteidigt Fassbänder energisch, verweist auf dessen Kündigung am Tag des Ukraine-Einmarsches, seine 20-jährige Unternehmererfahrung in Russland, seine Kenntnis der russischen Kultur und seine Kompetenz als Journalist. Er nennt Fassbänder einen „Brückenbauer zwischen den Welten“ und eine Bereicherung für den deutschen Journalismus.
Der Erfolg der „Berliner Zeitung“: Ein Geschäftsmodell für die Krise? Als Holger Friedrich die „Berliner Zeitung“ 2019 übernahm, steckte sie in einer tiefen Krise und schrieb im ersten konsolidierten Jahr 8 Millionen Euro Verlust. Viele sahen sie als „Groschengrab“. Fünfeinhalb Jahre später meldet Friedrich für das vergangene Jahr einen operativen Gewinn von 1,4 Millionen Euro, für das laufende Jahr werden 2 Millionen erwartet.
Dieser Erfolg basiere auf „konsequentem Durchmanagement“ und zwei Haupthebeln. Erstens, das Abschalten aller „wirtschaftlich unsinnigen Sachen“, wie einer internen Agentur ohne externe Kunden. Zweitens, und entscheidender, die publizistische Neuausrichtung. Die „Berliner Zeitung“ habe zuvor „kein Alleinstellungsmerkmal“ gehabt und den Inhalt weitgehend vom „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ bezogen. Friedrich setzte auf drei publizistische Säulen:
1. Berlin-Kompetenz: Die Zeitung soll das Beste und Interessanteste aus Berlin berichten.
2. Geopolitisches Ressort: Im Gegensatz zu anderen deutschen Zeitungen, die primär eine transatlantische Perspektive pflegten, entwickelte die „Berliner Zeitung“ ein geopolitisches Ressort, das die Berichterstattung über weltweite Veränderungen zur besten in Deutschland mache.
3. „Ostgefühl“: Die Zeitung bietet Ostdeutschen einen Raum, frei von „Blaming“ und „Unterdrücken“ über ihre Erfahrungen, positive wie negative, zu berichten.
Diese Strategie führte dazu, dass sich zwar wenige Leser abwandten, aber genauso viele neue Abonnenten gewonnen wurden, die mehrheitlich aus dem Westen Deutschlands stammen. Auch technisch wurde sichergestellt, dass die Zeitung weltweit elektronisch gelesen werden kann. Bemerkenswert ist auch der Erfolg der gedruckten „Berliner Zeitung am Wochenende“, die entgegen dem Branchentrend wächst und zeigt, dass es einen Bedarf am „haptischen Produkt“ gibt.
Kritik an Medien und Politik: „Macht ohne Kontrolle ist nichts“ Friedrich übt scharfe Kritik an der deutschen Medienlandschaft, insbesondere am öffentlich-rechtlichen System. Er sieht die Rolle der Medien als „informeller Korrektivfaktor für die Macht“ und beklagt, dass diese Distanz oft fehle. Er kritisiert, dass Verlage, die wirtschaftlich unter Druck stünden, durch staatliche Gelder oder regierungsnahe Stellen „angefüttert“ würden, was zu Interessenkonflikten führe und die Kritikfähigkeit einschränke. Dies zeige sich in der „Kritiklosigkeit“ bei Themen wie Corona oder der Aufrüstungsproblematik. Das öffentlich-rechtliche System mit seinen 9 Milliarden Euro Budget unterliege keinem Wettbewerbsdruck und sei nicht an anderen Meinungen interessiert. Friedrich sieht darin jedoch keine Bedrohung, da die Technik heute ermögliche, eigene Plattformen zu schaffen und das Publikum selbst entscheiden lasse, wo es Informationen konsumiert.
Auch die politische Elite Deutschlands nimmt Friedrich ins Visier. Er empfindet, dass Deutschland eine „erstarrte Elite“ habe, die nicht angemessen auf den Veränderungsdruck reagiere. Er kritisiert die gigantische Neuverschuldung, die er als „politische Korruption“ bezeichnet, da sie notwendige Reformen verzögere und die „ineffiziente Situation“ zementiere. Die Bildungsdefizite, über Jahrzehnte ignoriert zugunsten der „Versorgung von SPD-Politikern“, hätten dazu geführt, dass deutsche Kinder im internationalen Vergleich kaum noch Chancen hätten.
Ost-West-Spaltung und Globale Herausforderungen Die deutsch-deutsche Spaltung ist für Friedrich „eher eine folkloristische Geschichte“.
Dennoch konstatiert er, dass die kulturellen Differenzen, die einfach da seien, ungleich arbitriert würden. Er empfindet es als diskreditierend, dass von Ostdeutschen erwartet werde, „artig Danke zu sagen“ für die Wiedervereinigung, während er die Transformation als souverän und friedlich gelungen einschätzt. Er glaubt, dass Ostdeutsche aufgrund ihrer transformatorischen Erfahrung „freier denken“ und mehr „politisches und kreatives Potenzial“ für die Gestaltung der Zukunft hätten, da sie gelernt hätten, mit dem Zerfall alter Gewissheiten umzugehen und konstruktiv Veränderungen zu meistern.
Auf globaler Ebene plädiert Friedrich für Gewaltfreiheit und Differenzierung statt Schwarz-Weiß-Denken. Er spricht sich für Verhandlungen mit Russland aus und sieht die Lösung in einer „Gewaltenteilung auf internationaler Ebene“, die im Völkerrecht bereits angelegt sei. Er schlägt Visafreiheit und Zollfreiheit zwischen Lissabon und Wladiwostok vor, um Europa zu einem „wirtschaftlich prosperierenden“ Kontinent und „Role Model“ zu machen.
Die größte langfristige Herausforderung für Deutschlands Wohlstand sieht Friedrich in China. Er kritisiert, dass Deutschland seinen technologischen Vorsprung verspielt habe und nun eine 30-jährige Aufbauphase benötige, beginnend mit einer grundlegenden Reform des Bildungssystems. Er weist darauf hin, dass China nicht darauf aus sei, majorisiert zu werden, sondern wechselseitig fairen Handel und gemeinsame Entwicklung wünsche.
Holger Friedrich, der sein Geld hauptsächlich in der Computerbranche verdiente, sieht den Wert, den er durch die „Berliner Zeitung“ generiert, als ungleich höher an als einen reinen Vermögenszuwachs. Er ist überzeugt, dass Deutschland sich nicht an alten Gewissheiten festhalten dürfe, sondern sich viel schneller verändern müsse, um die Chancen der Zukunft zu nutzen.