Vom DDR-Promi-Treffpunkt ins Musical: „Salon Rosie“ erzählt vom Umbruch nach ’89

Im Musical WIR SIND AM LEBEN, das Berlin im Jahr 1990 als Schauplatz einer gesellschaftlichen und emotionalen Zerreißprobe wählt, wirkt die Ballade Salon Rosie wie ein melancholisches Herzstück – ein Innehalten im Wirbel des Umbruchs. Gesungen von Steffi Irmen, erzählt das Lied von der Friseurin eines legendären Salons in Wittenberg, einer „Institution in der DDR“, die einst die Crème de la Crème der ostdeutschen Prominenz bediente – von Frank Schöbel bis Katarina Witt.

Mit Stolz und Sentimentalität blickt die Ich-Erzählerin auf eine Zeit zurück, in der ihr Handwerk und ihr Salon Anerkennung, Einfluss und sogar ein wenig Glanz bedeuteten. Eine fast tragikomische Pointe: Selbst die lila Haarfarbe Erich Honeckers – ikonisch in ihrer Absurdität – soll aus ihrem Farbkasten stammen.

Doch der Stolz wandelt sich bald in Trauer, als das Lied den plötzlichen Bruch beschreibt. Die Prominenz, einst privilegiert, fällt ins gesellschaftliche Vakuum. Auch der Salon – Symbol einer vergangenen Welt – hat keinen Platz mehr. Die Wiedervereinigung, für viele ein Akt der Befreiung, erscheint hier als Verlustgeschichte. Der Salon schließt, das Haus wird verkauft – die Friseurin bleibt zurück, orientierungslos in einer Welt, die ihre Sprache nicht mehr spricht.

„Wir kamen nicht mehr mit“, heißt es resigniert – ein Satz, der für viele Ostdeutsche nach 1990 zur bitteren Wahrheit wurde. So wird Salon Rosie zur leisen Klage über eine untergegangene Existenzform, über das Verblassen von Bedeutung, das mit dem radikalen Systemwechsel kam. Der Vergleich mit dem überlebenden West-Starfriseur Udo Walz verstärkt den schmerzhaften Kontrast: Dort Kontinuität, hier Bruch.

Was das Lied besonders macht, ist seine zärtliche Ehrlichkeit. Ohne Sentimentalität, aber mit spürbarer Liebe zu einer Zeit, die vorbei ist, gibt es denen eine Stimme, deren Geschichten nach 1990 oft untergingen. Und genau das ist die Stärke von WIR SIND AM LEBEN: Es feiert nicht nur die Aufbruchsenergie der Wendezeit, sondern gibt auch Raum für das, was dabei verloren ging.

Salon Rosie ist kein bloßes Zeitdokument. Es ist ein musikalisches Denkmal für all jene Lebensentwürfe, die mit der DDR untergingen – voller Stolz, Wehmut und leiser Größe.

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