Versteckt am Rande von Dessau-Roßlau liegt das verfallene Offizierscasino – ein Bauwerk, das still von den Wirren des 20. Jahrhunderts zeugt. Errichtet 1938 als repräsentatives Zentrum der Wehrmacht-Pionierschule, diente es deutschen Offizieren als Ort geselliger Zusammenkünfte, Vorträge und offizieller Empfänge. Die großzügigen Festsäle, eleganten Aufenthaltsräume und der angeschlossene Speisesaal spiegelten den Geist jener Zeit: Disziplin und Kameradschaft, untermalt von nationalsozialistischer Propaganda.
Mit dem Einmarsch der Roten Armee im April 1945 übernahmen die Soldaten des sowjetischen 7. Garde-Panzerregiments das Gebäude. Unbeeindruckt von der politischen Wende nutzten sie das Casino praktisch unverändert weiter: als Versammlungsort für Offiziere, als Ort militärischer Planungen und kultureller Veranstaltungen. Jahrzehntelang hallten hier russische Befehle und deutsche Erinnerungen zugleich wider.
1992, nach dem Abzug der sowjetischen Truppen, stand das Offizierscasino plötzlich leer. Zwei Mal versuchten private Investoren, das Ensemble zu erwerben – doch geplante Sanierungs- und Umnutzungsprojekte blieben Wunschträume. Heute kämpfen durchgebrochene Fenster, bröckelnde Fassaden und überwucherte Innenhöfe gegen die Zeit. Graffiti überziehen einst prunkvolle Wände, herabfallende Stuckelemente rieseln auf fusselige Teppichreste, und jedes Knarren der Dielen erzählt von Vergangenheit und Verlassenheit.
Für Urbex-Fans und Geschichtsinteressierte bietet das Gelände einen faszinierenden Einblick in die Archäologie der Moderne: Jeder Raum birgt Relikte – von verrosteten Sitzgestellen über verblasste Schriftzüge bis hin zu zerbrochenem Porzellan. Doch Vorsicht ist geboten: Einsturzgefährdete Decken und scharfkantiges Metall fordern Respekt vor dem Verfall.
Das Offizierscasino Dessau-Roßlau bleibt ein Mahnmal zweier Militärregimes und gleichzeitig ein Spiegelbild unserer Unfähigkeit, Geschichte nachhaltig zu bewahren. Es regt zum Nachdenken an: Über den Wert historischer Bauten, den Umgang mit konfliktreichen Erbestücken und die Frage, wie viel Vergangenheit wir bereit sind, preiszugeben – oder dem Verfall zu überlassen.