Morgen ist es wieder so weit: Critical Mass lädt in Jena zur Fahrraddemo. Von 18 bis 19:30 Uhr wird die Stadt erneut von einem Fahrradkorso durchzogen, der von der Freifläche am Holzmarkt aus startet. Diese Aktion ist längst zu einem festen Bestandteil des urbanen Lebens geworden und hat eine klare Botschaft: Mehr Platz für Radfahrer, mehr Förderung des umweltfreundlichen Verkehrs. Doch während die Fahrradfahrer ihren Kurs durch die Straßen nehmen, bleiben die Pendler, die auf das Auto angewiesen sind, wieder einmal außen vor – und das nicht nur metaphorisch. Die Straßen, die ihnen noch bleiben, sind an einem Abend wie diesem blockiert.
Route: Holzmarkt – Teichgraben – Leutragraben – Straße des 17.Juni – Philosophenweg – Lessingstraße – Am Steiger – Botzstraße – Beethovenstraße – Reichardtstieg – Wildstraße – Otto-Devrient-Straße – Erfurter Straße – August-Bebel-Straße – Katharinenstraße – Talstraße – Lutherstraße – Carl-Zeiß-Platz – Carl-Zeiß-Straße – Krautgasse – Bachstraße – Johannisplatz – Leutragraben – Schillerstraße – Ernst-Haeckel-Straße – Vor dem Neutor – Knebelstraße – Neugasse – Grietgasse – Holzmarkt
Toleranz und Demonstrationsfreiheit sind wichtige Pfeiler unserer Gesellschaft. Jeder hat das Recht, auf Missstände aufmerksam zu machen, auch wenn es dabei zu Unannehmlichkeiten kommt. Aber geht es wirklich darum, einfach nur zu zeigen, dass man gegen etwas ist, ohne wirklich eine Lösung zu präsentieren? Der Eindruck entsteht, dass es bei solchen Demos nicht nur um die Förderung des Radverkehrs geht, sondern auch darum, den anderen 20.000 Pendlern zu zeigen, dass man mit dem Fahrrad auch durchs Stadtzentrum fahren kann. Das klingt auf den ersten Blick nach einer einfachen Botschaft – aber ist sie wirklich zielführend?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich solche Aktionen mittlerweile nicht mehr für besonders effektiv halte. Sie mögen kurzfristig Aufmerksamkeit erregen, doch sie hinterlassen keinen bleibenden Eindruck in der politischen Debatte. Stattdessen verstärken sie oft das Gefühl der Spaltung zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern. Fahrradfahrer gegen Autofahrer – wer gewinnt am Ende? Niemand.
Was wir wirklich brauchen, sind politische Lösungen, die alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigen. Ein konstruktiver Dialog, bei dem nicht nur das Fahrrad als Verkehrsmittel verteidigt wird, sondern auch die Bedürfnisse der Autofahrer und Pendler Gehör finden. Wir müssen uns fragen: Was kann getan werden, um die Verkehrsinfrastruktur so zu gestalten, dass sie allen gerecht wird? Wie kann eine Stadt wie Jena ihren Verkehr so organisieren, dass sowohl Radfahrer als auch Autofahrer ihre Wege möglichst stressfrei und sicher zurücklegen können?
Ein vielversprechenderer Weg wäre es, sich politisch einzubringen und den Dialog zu suchen. Warum nicht eine Fahrraddemo direkt vor dem Stadtrat veranstalten oder sich mit dem Oberbürgermeister öffentlich zusammensetzen, um das Thema zu diskutieren? Warum nicht einen offenen Austausch schaffen, bei dem alle Seiten ihre Bedenken und Ideen einbringen können? Solche Aktionen würden die Diskussion auf eine konstruktive Ebene heben, statt nur die Straßen zu blockieren und sich gegenseitig anzufeinden.
Denn letztlich geht es nicht nur darum, „wer recht hat“, sondern darum, Lösungen zu finden, die allen zugutekommen. In einer modernen Stadt sollte es keine unüberbrückbaren Gegensätze zwischen Radfahrern und Autofahrern geben. Es braucht ein Miteinander, eine Infrastruktur, die sich an den Bedürfnissen aller orientiert und nicht an der Lautstärke der Demonstrierenden.
Klar, der Weg zu einer besseren Verkehrsplanung ist lang und von Kompromissen geprägt. Aber ein echter Dialog – ohne Schuldzuweisungen und Blockaden – wäre ein wichtiger erster Schritt in eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft.