Nordhausen und die Schatten der Geschichte: Ein Rückblick aus dem Jahr 1991

Die zweiten tausend Jahre - Historisches Material WW2 - Stadtgeschichte Nordhausen Germany

Die zweiten tausend Jahre – ein Film aus dem Jahr 1991, von der Stadt Nordhausen in Auftrag gegeben, widmet sich der Geschichte dieser thüringischen Stadt. Besonders intensiv setzt er sich mit der düsteren Epoche des Nationalsozialismus auseinander. Historisches Material, Interviews mit Zeitzeugen und Archivaufnahmen entfalten ein eindringliches Bild von den Ereignissen und ihrer Wirkung auf Nordhausen und seine Bürger.

Nordhausen vor dem Nationalsozialismus
Vor dem Aufstieg der Nationalsozialisten war Nordhausen eine wohlhabende, liberale Stadt mit einem florierenden Stadtkern, in dem zahlreiche Kirchen und romantische Gassen das Bild prägten. Die Bürger genossen ein funktionierendes Nahverkehrssystem, ein Theater, ein städtisches Museum und weitläufige Parkanlagen. Die Brandweinherstellung und die Tabakindustrie waren wirtschaftliche Säulen der Stadt und ermöglichten Stabilität, auch in Krisenzeiten.

Eine blühende jüdische Gemeinde, bestehend aus Kaufleuten, Ärzten und Unternehmern, war fest in die Gesellschaft integriert. Die Rautenstraße, das Zentrum des Geschäftslebens, beherbergte viele jüdische Einzelhandelsläden, wie das Modehaus Kleimhar oder das Warenhaus Bintus und Eiffel. Doch diese friedliche Koexistenz sollte nicht lange währen.

Der Anfang vom Ende
Bereits 1933 begannen die Nazis, ihre Ideologie durchzusetzen. Antisemitische Maßnahmen wie der Boykott jüdischer Geschäfte wurden auch in Nordhausen durchgeführt. Die lokale NS-Führung, angeführt von Persönlichkeiten wie dem Oberbürgermeister Dr. Meister und dem Kreisleiter Nentwig, organisierte Propagandaaktionen und diskriminierende Gesetzesumsetzungen. Diese führten dazu, dass jüdische Ärzte und Anwälte ihre Zulassung verloren und jüdische Mitglieder aus Vereinen ausgeschlossen wurden.

Die wachsende Diskriminierung gipfelte in entwürdigenden Aktionen wie der öffentlichen Demütigung von Hermann Bacharach, einem jüdischen Viehhändler, der 1935 von einem Mob misshandelt wurde. Diese Vorfälle, die von der Bevölkerung teils stillschweigend hingenommen wurden, zeigen die schleichende Radikalisierung der Gesellschaft.

Reichspogromnacht und ihre Folgen
Die sogenannte Reichskristallnacht im November 1938 markierte einen weiteren grausamen Höhepunkt. In Nordhausen wurde die Synagoge am Pferdemarkt niedergebrannt, jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört. Zeitzeugen berichten, wie jüdische Familien in dieser Nacht von SA-Truppen aus ihren Häusern gezerrt und misshandelt wurden. Viele wurden in Konzentrationslager wie Buchenwald deportiert. Die Deportationen und der systematische Raub jüdischen Eigentums führten dazu, dass die jüdische Gemeinde in Nordhausen bis 1942 nahezu ausgelöscht war.

Der Kohnstein und die Kriegsjahre
Während des Krieges wurde der nahegelegene Kohnstein ein zentraler Ort der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. Im Inneren des Berges richtete die SS eine gigantische Rüstungsfabrik für die Produktion der V2-Raketen ein. Gleichzeitig entstand in der Nähe das Konzentrationslager Mittelbau-Dora, in dem Tausende Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen starben.

Die Bevölkerung Nordhausens wusste um die Vorgänge, schwieg jedoch aus Angst oder Opportunismus. Nur wenige hatten den Mut, Widerstand zu leisten. Der Film zeigt erschütternde Bilder und Berichte, die das Grauen dieser Zeit dokumentieren.

Der Untergang Nordhausens
Im April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, wurde Nordhausen Ziel schwerer Luftangriffe der Alliierten. Über 8.000 Menschen starben, und die Stadt wurde fast vollständig zerstört. Die Bombardierung war eine Folge der strategischen Bedeutung der Rüstungsfabrik, aber auch ein Ausdruck der Rache für die von Nordhausen ausgehenden Kriegsverbrechen.

Ein Rückblick mit Warnung
„Die zweiten tausend Jahre“ endet mit einer eindringlichen Mahnung. Die Dokumentation zeigt, wie schnell ein blühendes Gemeinwesen in Hass, Gewalt und Zerstörung verfallen kann. Der Film ruft dazu auf, aus der Geschichte zu lernen, um zukünftiges Unheil zu verhindern.

Diese Aufarbeitung der Vergangenheit ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Erinnerungskultur. Er zeigt, wie wichtig es ist, den Opfern zu gedenken und die Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen.

Redakteur/Blogger/Journalist: Arne Petrich

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