Sahra Wagenknecht, Mitbegründerin der Partei BSW, äußerte sich in einem Interview zur aktuellen politischen Lage in Thüringen und ihren zukünftigen Plänen. Im Zentrum stand ihre Ablehnung einer „Wohlfühlkoalition“ mit der CDU, die nach den Landtagswahlen diskutiert wurde. Sie betonte, dass eine Regierungsbeteiligung nur dann in Frage käme, wenn die Regierung einen echten politischen Wandel bewirken könnte und die Menschen spürten, dass sich ihr Leben zum Besseren wendet. Eine bloße Koalition, die nur auf Machterhalt zielt, sei nicht das Ziel ihrer Partei.
Bezüglich des guten Wahlergebnisses der BSW in Thüringen erklärte Wagenknecht, dass viele Menschen aufgrund der schlechten Politik wütend und enttäuscht seien. Die BSW werde als Hoffnungsträgerin für echten Wandel gesehen. Diese Erwartungen gelte es nun zu erfüllen. Ein Schwerpunkt ihres Wahlkampfes war die Diplomatie im Ukraine-Krieg. Obwohl Thüringen als Bundesland nur begrenzten Einfluss auf die Außenpolitik hat, sieht Wagenknecht die Möglichkeit, Druck auf die Bundesregierung auszuüben und klare Positionen zu beziehen. Sie betonte, dass die Menschen erwarten, dass ihre Landesregierung sich auch zu großen Themen wie Krieg und Frieden äußert.
Neben der Friedensfrage spielte aber auch die soziale Gerechtigkeit und Sicherheit eine entscheidende Rolle bei den Wählern der BSW. Wagenknecht räumte ein, dass viele Menschen aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten und der ungelösten Migrationsprobleme frustriert seien. Diese Themen müsse eine zukünftige Regierung ernst nehmen.
Auf die Frage, ob sie in Thüringen wirklich regieren wolle, antwortete Wagenknecht, dass ihre Partei nur dann bereit sei, Verantwortung zu übernehmen, wenn die Regierung einen echten politischen Aufbruch verkörpere. Eine Regierungsbeteiligung um jeden Preis komme für sie nicht in Frage. Es müsse spürbare Verbesserungen in Bereichen wie Bildung, Sicherheit und Migration geben, damit die Menschen das Vertrauen in die Politik zurückgewinnen.
Wagenknecht kritisierte das Konzept einer „All-Parteien-Koalition“ gegen die AfD. Eine solche Koalition, die nur darauf abziele, die AfD von der Macht fernzuhalten, ohne gemeinsame politische Ziele zu verfolgen, wäre ein Geschenk für die AfD, die sich dann als einzige echte Opposition präsentieren könnte. Sie warnte, dass dies der AfD bei zukünftigen Wahlen sogar zur absoluten Mehrheit verhelfen könnte. Eine solche Koalition lehne die BSW ab. Stattdessen müsse die Zusammenarbeit auf eine breite politische Basis gestellt werden, die auch die Linke einschließe.
Sie betonte jedoch, dass die BSW keinen Rechtsextremisten wie Björn Höcke in eine Position der Macht hieven werde. Sie plädierte dafür, mit der AfD fair umzugehen, ohne ihre radikalen Positionen zu unterstützen. Wagenknecht kritisierte die Strategie der etablierten Parteien, die AfD von Anfang an zu stigmatisieren, was zur Radikalisierung und dem Aufstieg der Partei beigetragen habe. Sie hob jedoch hervor, dass die BSW nicht bereit sei, jemanden aus der AfD in eine wichtige politische Funktion zu wählen, sofern keine überzeugende Begründung vorliege.
In den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Thüringen werde sie eng mit den Spitzenkandidaten der BSW zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die politischen Erwartungen der Partei klar kommuniziert werden. Ein persönliches Gespräch mit Herrn Voigt, dem Spitzenkandidaten der CDU, stehe noch aus, um die Erwartungen der BSW zu verdeutlichen. Die endgültige Entscheidung über eine Koalitionsbeteiligung werde jedoch auf einem Landesparteitag getroffen.
Mit Blick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr sieht Wagenknecht keinen Widerspruch zwischen einer Regierungsbeteiligung in Thüringen und den Zielen der BSW auf Bundesebene. Sollte die BSW in Thüringen regieren und erfolgreich die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, wäre dies ein positives Signal an die Wähler und kein Hindernis für den Einzug in den Bundestag. Sie warnte jedoch davor, eine Koalition mit der CDU einzugehen, die lediglich den Status quo bewahre und den Menschen keine echten Veränderungen bringe.
Ein weiterer zentraler Punkt ihrer politischen Agenda sei die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen. Wagenknecht forderte einen Untersuchungsausschuss, um mögliche gesundheitliche Folgen der Impfungen zu untersuchen und die Situation von Impfgeschädigten zu verbessern. Zudem sprach sie sich für eine Amnestie für Menschen aus, die aufgrund der Missachtung von Corona-Regeln verurteilt wurden, sowie für die Rehabilitation von Ärzten, die in der Pandemie gegen die Maßnahmen agiert hatten.
Auf die Idee eines Bündnisses aus Linker, SPD und BSW, das von der CDU toleriert werde, reagierte Wagenknecht skeptisch. Sie kritisierte, dass die Linke in den letzten Jahren ihre Bodenhaftung verloren habe und solche Vorschläge diesen Eindruck nur verstärken würden.