Erich Mielke: Die Spinne im Netz der Angst

Sein Name hallt noch heute durch die Annalen der DDR-Geschichte: Erich Mielke, der unumschränkte Chef des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), bekannt als Stasi. Ein Mann, der von vielen gefürchtet und gehasst wurde, dessen Machtfülle unkontrolliert und unbeschränkt war. Er regierte über Zehntausende Mitarbeiter und Spitzel und prägte das Leben in der Deutschen Demokratischen Republik wie kaum ein anderer.

Ein junger Hitzkopf wird zum Stalinisten
Geboren 1907 in Berlin, schloss sich der Arbeitersohn Mielke in den Wirren der Weimarer Republik den Kommunisten an. Als entschiedener Gegner der Nazis war er ein „junger Hitzkopf, zu allem bereit“. Seine blutige Vergangenheit begann 1931 mit der Erschießung zweier Polizisten am Bülowplatz, was ihn zur Flucht nach Moskau zwang. In Moskau studierte Mielke an der Parteischule und wurde Berufsrevolutionär. Sein großes Vorbild war Josef Stalin, dem er zeitlebens treu blieb. Er strebte danach, wie Stalin alle Verräter zu entlarven und Feinde zu vernichten.

Der Aufstieg zum Überwachungs-Imperator
1957 begann Mielkes Karriere als Chef des Ministeriums für Staatssicherheit. Seine Mission war es, die Macht der Partei im zweiten deutschen Staat zu sichern. Sein Credo: „Vertrauen in das Volk ist gut, Kontrolle ist besser.“ Das MfS beschäftigte sich zunehmend mit der Bespitzelung der eigenen Bevölkerung, denn Hunderttausende DDR-Bürger zog es in den „Goldenen Westen“. Jeder Flüchtling war ein Versagen für die Stasi und ihren Chef.

Der Mauerbau: Ein Pyrrhussieg für Mielke?
Die DDR befand sich aufgrund des Verlusts ihrer „wertvollsten“ Bevölkerungsteile am Rande einer Katastrophe. Die Antwort kam am 13. August 1961: Der Mauerbau. Für Mielke war dies ein historischer Sieg, der „Watzillus Freiheit“ schien erfolgreich bekämpft, die Macht und Mielkes Karriere gerettet. Das Volk wurde „eingemauert, als Staatseigentum konserviert“, um es „reif zu machen für den Sozialismus“. Mitte der 60er Jahre schien das Konzept aufzugehen, die DDR stabilisierte sich, und Mielke sah sich in seiner Annahme bestätigt, dass der Überwachungsapparat der DDR unverzichtbar sei.

Ein Charakter zwischen Brutalität und Sentimentalität
Mielke war nicht nur ein Mann mit bizarrem Charakter, sondern ein extroverierter Typ, der zwischen Brutalität, Pedanterie und Sentimentalität schwankte. Er sah sich als jemand, der Großes zu leisten hatte, konnte aber auch „sehr primitiv, sehr beleidigend, sehr kulturlos reagieren“.

Machtrausch und Furcht: Sein Rausch war die Macht über andere. Er verbreitete Furcht und Schrecken, selbst innerhalb des MfS. Höhere Offiziere hatten enorme Angst davor, von ihm zitiert zu werden, und er sprach offen Morddrohungen aus.

Akribie und Kontrolle: Mielke war ein „fleißiger, intensiver, qualifizierter Handwerker“, bei dem „jedes Schräubchen zusammenpassen musste“. Er forderte die konstante Überwachung der Menschen von 0 bis 24 Uhr, um ihre Gedanken aus ihren Handlungen abzuleiten. Seine Lebensweise war zackig, gründlich, exakt und auf die Minute genau.

Widersprüchliche Auftritte: Bei Besuchen in Betrieben gab sich der meistgefürchtete Mann der DDR kumpelhaft, um von den Arbeitern geliebt zu werden. Doch die Arbeiter sahen in ihm den „Apparatschick“ und „Bonzen“ und wichen ihm aus. Bei Geburtstagen konnte er ausgelassen sein und sang sein Lied „Prost, Prost, Prösterchen“.

Der unerbittliche Jäger der Republikflüchtlinge
Mielkes größter Feind war der Freiheitswille der Menschen. Jede Flucht sollte vereitelt, jeder Verräter aufgespürt werden. Der geflohene Grenzpolizist Rudi Thurow, der zum Fluchthelfer wurde, war in Mielkes Augen ein gefährlicher Staatsfeind. Mielke befahl sogar dessen „Liquidierung“ mit einem Hammer, ein Plan, der trotz minutiöser Vorbereitung scheiterte.

Auch das Transitabkommen in den 70er Jahren, das Hunderttausende Westwagen in die DDR brachte, war ein „Horrorszenario“ für Mielke. Fluchthelfer nutzten umgebaute Autos, um Menschen zu verstecken. Ellen Thiemanns Versuch, ihren Sohn in einem umgebauten Tankraum zu verstecken, scheiterte durch Verrat. Sie landete im Stasi-Gefängnis, wo sie unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert war. Mielkes „großes Ohr“ war überall, seine Männer kannten die Tricks der Fluchthelfer und waren dem Gegner stets einen Schritt voraus. Die Grenzüberwachung war so engmaschig, dass auf einen Stasimann 180 Bürger kamen, deutlich mehr als in anderen sozialistischen Staaten.
Das Grenzgesetz der DDR sah bei Grenzverletzungen „gezielte Schüsse“ vor. Fast 1000 Menschen starben an der Grenze, weil sie den Weg in die Freiheit suchten. Mielke nahm jeden Toten für den Machterhalt in Kauf und setzte auf rigorose Abschreckung.

Der Fall einer Ikone der Macht
Mitte der 80er Jahre bröckelte die Fassade der DDR. Hunderttausende stellten Ausreiseanträge, und Mielkes Angst vor dem Klassenfeind wurde zum Wahn. Er plante, das Volk zu internieren, und hatte Listen für Festnahmen im Ernstfall vorbereitet. Noch fünf vor zwölf versuchte er, Panik zu verbreiten und den Menschen einzureden, dass Krieg vor der Tür stehe.

Doch der „Bacillus Freiheit“ erfasste das ganze Volk. Die sowjetischen Panzer blieben in den Kasernen. Wenige Tage nach dem Mauerfall sprach Mielke zum ersten Mal in der Volkskammer. Er überraschte seine Zuhörer mit dem unerwarteten Geständnis: „Ich liebe doch alle, alle Menschen. Ich liebe doch, ich setze mich doch dafür ein.“. Dieses bizarre Eingeständnis, das als Gipfel der Realitätsverweigerung empfunden wurde, zeigte einen alten Mann, der „sich immer noch als der Gewinner“ sah.

Nach der Wende wurde Mielke wegen der Polizistenmorde von 1931 verurteilt, jedoch bald darauf wegen Haftunfähigkeit entlassen. Bis zu seinem Tod lebte Erich Mielke als Rentner in einem Plattenbau – „Ohne Reue. Ohne jedes Schuldgefühl.“.