Ost-Berlin, 1967. Die DDR inszenierte mit der Kinder- und Jugendspartakiade ein Mammutereignis, das weit über den sportlichen Wettkampf hinausging und als eindrucksvolle Demonstration der Stärke und des Selbstbewusstseins eines eigenen Staatsgebildes diente. Der Höhepunkt dieser Veranstaltung war eine „Mammutsportschau“ in Ost-Berlin, an der 13.000 Zwölf- bis Achtzehnjährige teilnahmen. Diese jungen Athleten waren die Elite, die sich in zuvor stattgefundenen Ausscheidungskämpfen qualifiziert hatten, an denen sich zwischen Ostsee und Erzgebirge unglaubliche zwei Millionen Kinder und Jugendliche beteiligt hatten.
Der immense Aufwand, der betrieben wurde, schien sich auf den ersten Blick zu lohnen: Bei der Spartakiade wurden 116 Kinder- und Jugendrekorde aufgestellt. Dies nährte in Mitteldeutschland berechtigte Erwartungen im Hinblick auf die kommenden Olympischen Spiele in Mexiko und München. Doch das Sportereignis war weit mehr als nur ein Kräftemessen junger Talente. Das Regime nutzte die Gelegenheit auf geschickte Weise, um seine Eigenstaatlichkeit zu demonstrieren und verstand es, „keine Chance ungenutzt zu lassen“.
Mit allen Mitteln der Propaganda und einer imponierenden Organisation gab das Regime den jungen Sportlern Anlass zu Stolz und jugendlicher Begeisterung. Die Absicht war klar: Der Stolz auf die eigene Leistung sollte „ganz von selbst auch zum Stolz auf einen eigenen Staat“ werden. Selbst die Volksarmee war präsent und warb auf „ganz unpolitische Weise“ mit sportlich-volkstümlichen Einlagen für sich.
Trotz aller Bemühungen und der „Erziehung zu einem separaten deutschen Nationalbewusstsein“ zeigte sich jedoch ein interessantes Phänomen: Das Gefühl gesamtdeutscher Zusammengehörigkeit war offenbar noch vorhanden. Ein bemerkenswerter Moment ereignete sich, als in einer Pause des Spartakiade-Geschehens das Fußball-Länderspiel England gegen die Bundesrepublik Deutschland im Fernsehen übertragen wurde. Die Reaktionen der Zuschauer waren unübersehbar: Sie vollführten bei jedem westdeutschen Tor „Luftsprünge vor Freude“.
Diese spontane Freude über die Tore des westdeutschen Teams war ein klarer Hinweis darauf, dass die innerdeutsche Teilung im kollektiven Bewusstsein noch nicht vollständig verankert war. Die mitteldeutsche Wirklichkeit war den Kindern „drüben“ aber naturgemäß näher als das westdeutsche Fernsehbild, insbesondere bei der Siegerehrung für die Kameraden aus ihrer eigenen Schule und ihren eigenen Sportkadern.
Die Kinder- und Jugendspartakiade 1967 war somit ein vielschichtiges Ereignis: Eine beeindruckende Leistungsshow des DDR-Sports und ein mächtiges Instrument der staatlichen Propaganda, das gleichzeitig unfreiwillig einen flüchtigen Blick auf das weiterhin vorhandene Gefühl der gesamtdeutschen Verbundenheit gewährte. Es war, als ob der Staat versuchte, ein neues Mosaik zu legen, doch einige Steine blieben hartnäckig in ihrem alten Muster verhaftet.