Berlin, eine Stadt der Kontraste, birgt auch abseits der bekannten Pfade wahre Schätze für Abenteurer und Geschichtsliebhaber. Der Nikolassee, oft übersehen und als der westlichste See der berühmten Grunewaldseenkette kurz vor der Havel gelegen, entpuppt sich als ein Ort voller Mysterien und einer faszinierenden Historie. Doch nicht nur der See selbst, sondern auch die angrenzenden Wälder des Düppeler Forstes halten unerwartete Entdeckungen bereit, wie der Outdoor-Enthusiast Frank Stilke auf einer seiner jüngsten Wanderungen feststellte.
Der Nikolassee: Ein See mit bewegter Vergangenheit und wundersamer Rettung
Der Nikolassee ist kein großer See, erscheint jedoch „sehr geheimnisvoll“ und „mystisch“. Vom Ufer aus bietet er einen „recht romantischen“ Anblick. Wer den See umrunden möchte, stößt auf Herausforderungen: An einer Stelle führt ein schmaler Kanal entlang, der nicht überquert werden kann, und der Weg kann zu einem „Abenteuer“ werden, wenn man sich durch Spinnweben kämpfen muss.
Die Gegend um den Nikolassee war einst „eine absolut bevorzugte Wohngegend“, gesäumt von „sehr vielen alten recht bekannten Villen“. Doch die idyllische Lage barg auch eine Gefahr: Der Nikolassee wird vom Grundwasser gespeist. Durch die zunehmende Urbanisierung und den Bau immer weiterer Häuser, die Grundwasser entnahmen, sank der Wasserspiegel dramatisch ab, sodass der See 1910 „komplett ausgetrocknet“ war – das Ende allen Lebens im See.
Doch die Natur fand ihre Fürsprecher: Nur drei Jahre später, im Jahr 1913, wurde ein ehemaliges Restaurant, dessen Reetdach abgebrannt war, zu einem Pumpwerk umgebaut. Seitdem wird Wasser aus der Havel entgegen der ursprünglichen Fließrichtung in den Nikolassee gepumpt, um neues Leben zu ermöglichen. Heute ist der Nikolassee ein wichtiges Naturschutzgebiet und „Refugium für Vögel aller Art“. Es ist ein „Juwel“, für dessen Erhalt man sich „besondere Mühe gegeben hat“. Diese Rettungsaktion ist kein Einzelfall in Berlin: Der Riemeistersee, der 1911 aus derselben Problematik trockenfiel, wurde ebenfalls durch ein Pumpwerk revitalisiert und gilt als schützenswertes Gebiet.
Ein weiterer markanter Punkt am Nikolassee ist die Avus, die direkt am See entlangführt und an der derzeit kräftig gebaut wird. Obwohl die Baustelle eine Umkehr des Wanderers erzwang, bleibt der See ein „recht geheimnisvoller Ort“ mit einem „zusätzlichen Gruselfaktor“. Laut Aufzeichnungen gilt er sogar als der „dunkelste Ort von ganz Berlin“.
Die Avus: Vom Rennkurs zur Stadtautobahn
Direkt über dem Nikolassee dröhnt der Verkehr der Avus, einer Autobahn mit einer bemerkenswerten Geschichte. Die Avus war viele Jahre lang „die schnellste Rennstrecke der Welt“. Mit einer Nord- und einer Südkurve und ansonsten geradem Verlauf konnten Rennfahrer fast die ganze Zeit Vollgas geben. Legendäre Rennen fanden hier schon in den 1930er-Jahren statt, darunter Duelle zwischen der Auto Union und Mercedes-Benz. Interessanterweise stammt die Bezeichnung „Silberpfeile“, die Mercedes-Benz später übernahm, ursprünglich von der Auto Union, die bereits in den 1930ern Aluminiumfahrzeuge baute, um das Gewicht zu reduzieren und so ein besseres PS-pro-Kilogramm-Verhältnis zu erzielen.
Der Lärm dieser Auto- und Motorradrennen war „ein Höllenkrach“, der „kilometerweise in die Stadt hineingehört“ wurde. Das letzte Rennen fand im April 1998 statt, gefolgt von einer riesigen Abschiedsparty am 1. Mai 1999. Seitdem ist die Avus „rein nur eine Stadtautobahn“. Tragischerweise gab es in ihrer Rennsportgeschichte auch einen „fürchterlichen Unfall“ an der erhöhten Nordkurve, bei dem ein Auto durch die Leitplanken in die Zuschauertribünen schoss und „etliche Tote“ forderte.
Auf Spurensuche im Düppeler Forst: Rätselhafte Grundmauern und die Friedhofsbahn
Nach dem Abenteuer am Nikolassee begab sich der Wanderer Frank auf die Suche nach „mystischen Gebäuderesten“ mitten im Düppeler Forst, die möglicherweise zu einer „alten Gleisstrecke“ gehörten. Die Bodeneigenschaften in Berlin, geprägt durch eine bis zu 200 Meter hohe geschlossene Eisdecke vor 11.000 Jahren, sind vergleichbar mit losem Wüstensand. Dies macht Bauwerke wie Brücken, die über Jahrzehnte halten, zu einem faszinierenden Wunder der Ingenieurskunst.
Auf seiner Suche im Wald entdeckte Frank quadratische „Grundrisse“ und „eindeutig Steine, die man zum Bauen verwendet hat“. Obwohl das gesuchte ehemalige Bahngebäude nicht gefunden wurde, führte der Weg zu weiteren spannenden Entdeckungen. Er kreuzte das Gleisbett der Friedhofsbahn, eine Bahnstrecke, die 1915 eröffnet wurde und deren eigentliches Ziel Stahnsdorf war. Hier fanden sich alte Signale, die auf Zugaktivitäten schließen lassen, und ein „uralter Kilometerstein der Friedhofsbahn mit der legendären Eins drauf“.
Die Wanderung durch den Wald offenbarte nicht nur historische Spuren, sondern auch die Nähe zu einem Schießplatz der Polizei, dessen Knallen als „Freudenfeuerwerk“ des Wanderers interpretiert wurde. Die Geschichte der Region ist reich und vielfältig, und der Düppeler Forst entpuppte sich als ein „märchenhaft schöner“ Ort.
Frank Stilkes Erkundungstour durch den Nikolassee und den Düppeler Forst zeigt, dass Berlin weit mehr zu bieten hat als nur die bekannten Touristenattraktionen. Es ist eine Stadt, deren Landschaft wie ein altes, vielschichtiges Geschichtsbuch ist; man muss nur die Seiten umblättern und tiefer graben, um verborgene Kapitel und faszinierende Erzählungen über Natur, Technik und menschliches Handeln zu entdecken.