Berlin. Die Teilung Deutschlands und der Bau der Berliner Mauer haben unzählige Menschen auseinandergerissen – Familien, Freunde und geliebte Menschen wurden über Jahrzehnte getrennt. Über 40 Jahre lang waren die Bundesrepublik Deutschland und die DDR durch eine Grenze getrennt, die rücksichtslos Familien und Freunde voneinander isolierte. Besonders im Osten waren die Jahre von Abschottung und Überwachung durch die Stasi geprägt, wobei viele dramatische Fluchtversuche in den Westen unternahmen, die oft in Gefangenschaft oder gar tödlich endeten.
Als im Jahr 1989 die Mauer fiel, war die Freude auf beiden Seiten Deutschlands grenzenlos. Viele Menschen erinnern sich an diesen Tag als den „schönsten Tag in unserem Leben“, da sie nie damit gerechnet hatten, dass die Mauer auf friedlichem Wege fallen würde. Doch auch nach dem Mauerfall blieb es für viele Menschen bis heute unmöglich, ihre geliebten Angehörigen und Freunde wiederzufinden. Die Berliner Mauer und die fast 1400 Kilometer lange innerdeutsche Grenze trennten nicht nur Familien und Verwandte, sondern auch Freunde über Jahrzehnte hinweg.
Eine verschwundene Freundin aus der Schulzeit
Eine dieser Geschichten ist die von Christine, die ihre Schulfreundin Christine Ruhland nach fast 60 Jahren aus den Augen verloren hatte. Die beiden Mädchen lernten sich 1949 in der noch jungen DDR kennen und wurden innerhalb kürzester Zeit beste Freundinnen. Sie trafen sich täglich auf dem Schulweg, verbrachten den Unterricht und die freien Nachmittage miteinander. Christine beschreibt diese Jahre als „unvergesslich“, mit einer Freundschaft, an die man immer wieder gerne zurückdenkt und die sie nie vergessen würde.
Nach ihrem Schulabschluss im Jahr 1957 verabredeten sie sich wie immer, doch dann war Christine Ruhland nicht mehr da. Ihre ganze Familie war „von heute auf morgen verschwunden“. Christine war geschockt, als sie zum Elternhaus ihrer Freundin ging und sah, dass alles ausgeräumt war. Sie befragte alle Stellen, auch den Bürgermeister, bekam aber keine Antworten. Später vermutete sie, dass es sich um eine Zwangsumsiedlung gehandelt haben könnte, da sie in einer Sendung über solche Fälle in der DDR gehört hatte. Trotz der langen Trennung blieb Christine Ruhland tief in ihrem Herzen ihre beste Freundin.
Die Suche nach Christine Ruhland
Julia Leischik nahm sich des Falls an, nachdem die suchende Christine sich in einem anrührenden Telefonat an sie gewandt hatte. Die Suche begann mit Recherchen bei verschiedenen Ämtern rund um Christines damaligen Wohnort. Mithilfe einer 60 Jahre alten Schülerkarte, auf der Geburtsdatum und Geburtsort vermerkt waren, konnte herausgefunden werden, dass Christine Ruhland geheiratet hatte und danach Christine Scheil hieß.
Mit diesem neuen Namen führte die Suche Julia Leischik quer durch Deutschland. Zunächst wurden mehrere Adressen im Raum Köln überprüft. Ein erster Versuch in einem ländlichen Stadtteil Kölns endete erfolglos. Auch eine weitere Adresse in Aachen, etwa 80 Kilometer entfernt, führte nicht zum Erfolg; niemand in der Nachbarschaft kannte die gesuchte Christine Scheil. Schließlich reiste Julia Leischik weiter in den Landkreis Ludwigsburg, wo eine weitere Christine Scheil gemeldet war.
Das Wiedersehen nach 60 Jahren
In Ludwigsburg konnte Julia Leischik endlich die gesuchte Christine Scheil finden. Die Wiedersehensfreude war riesig. Christine Scheil, die gesuchte Freundin, erinnerte sich sofort an ihre Schulfreundin Christine als „wie eine gleichaltrige gute Schwester“ und ihre „einzige Freundin“. Sie erklärte, dass ihr Leben sich sehr verändert hatte. Sie hatte im Westen gute Freunde und entschloss sich 1957 während eines Besuchs, dort zu bleiben, nachdem sie die Schule beendet hatte. Damals war es noch möglich, mit einem Ausweis in den Westen zu reisen, doch nur drei Monate später durfte niemand mehr aus der DDR in den Westen reisen. Ihre Mutter sei dann auch weggegangen, und über die Umstände sei nie gesprochen worden – es sei ein „großes Grab“ gewesen.
Die Emotionen waren überwältigend, als Christine Scheil von der Suche ihrer Jugendfreundin erfuhr. Beide Freundinnen wurden zum Brandenburger Tor gebracht, dem Symbol der Teilung und Wiedervereinigung. Nach 60 Jahren, in denen sie durch die deutsche Teilung voneinander getrennt wurden, sahen sich die beiden Christines endlich wieder. Es war ein „toller Tag an einem tollen Ort“, und obwohl 60 Jahre vergangen waren, verstanden sich die Schulfreundinnen auf Anhieb, „fast als wären sie nie getrennt gewesen“. Dieses emotionale Wiedersehen ist ein Zeugnis der tiefen menschlichen Verbindungen, die selbst Jahrzehnte der Trennung überdauern können.