
Wiesenburg, Erzgebirge. Es ist kein alltäglicher Anblick: Mitten in Wiesenburg, im erzgebirgischen Prießnitztal, steht eine historische Diesellok der Baureihe V180 aus dem Jahr 1969. Doch sie dampft nicht mehr durchs Land, sondern dient nun als außergewöhnliches Hotel. Hinter dieser kreativen Idee stecken Sven und Maximilian Schürer, Vater und Sohn, die eigentlich eine Metallbaufirma betreiben.
Seit vier Jahren sind sie nun auch Hoteliers. Der Übergang war nicht ohne Herausforderungen. Sven Schürer gibt zu: „Wir hätten nicht gedacht, dass ein Hotel so viel Arbeit macht. Wir sind ja keine gelernten Hoteliers.“ Von Bettenmachen über das Auffüllen von Kaffee und Milch bis zum Vorbereiten des Frühstücks – die zusätzliche Betätigung ist anstrengender als erwartet.
Die ungewöhnliche Idee stammt von einem Nachbarn, der von der ungenutzten Diesellok bei der Prießnitztalbahn im Obererzgebirge erzählte. Kurzerhand kaufte Vater Schürer das historische Fahrzeug. Die Logistik war beeindruckend: Mit 260-Tonnen-Kränen wurde die Lok in der Nacht über das gesperrte Gleis gehoben, das direkt am Grundstück liegt.
Im Inneren der Lok wurden drei Zimmer untergebracht. Der Hotelbetrieb wurde 2021 eröffnet, nahm aber erst 2023 aufgrund der Corona-Pandemie richtig Fahrt auf.
Viele Gäste, die hier im ehemaligen Triebwagen übernachten, sind begeisterte Eisenbahnfans. Einer von ihnen ist Axel Schlenkrich, nicht nur Fan, sondern selbst gelernter Eisenbahner. Er hat Schienenfahrzeuge wie die V180 mit seinem Team instand gehalten. Mit ihm kann Sven Schürer wunderbar fachsimpeln.
Ein wiederkehrendes Problem war das Dach der Lok, das wochenlang versucht wurde abzudichten. Axel Schlenkrich erklärte dazu den Unterschied zum früheren Betrieb: „Früher war das normal. Da hat es immer etwas reingetropft, das machte nichts. Das fließt unten raus, die Motoren sind warm. Für den Betrieb war nicht notwendig, dass es dicht ist. Aber jetzt verstehe ich das.“ Für ein Hotel muss es eben dauerhaft dicht sein.
Bei der Besichtigung fällt dem Experten jedoch auch ein Detail auf, das aus seiner Sicht nicht ganz passt: die Puffer. „Oh, das geht nicht. Das kann man nicht machen“, kommentiert er. Die modernen, viereckigen Puffer seien zu neu für die historische Lok. Hier müssten wieder runde dran.
Trotz dieses kleinen Details zeigt sich der Eisenbahntechnologe glücklich über den guten Zustand der Lok. Er erinnert an ihre Leistung: über 2.000 PS, die schwere Güterzüge im Erzgebirge ziehen konnten. „So eine Art Lok gibt‘s nicht mehr“, stellt er fest.
Die Betreiber sind überzeugt, dass ihr Konzept aufgeht. „Normal ist langweilig“, findet Sven Schürer. Er ist sich sicher, dass dieses Angebot Eisenbahnfreunde anspricht und viel schöner sei als „andere komische Hotels“. Ein Selbstläufer sei das Hotel zwar noch nicht, und Vater und Sohn denken stets über Verbesserungen nach.
Die Entscheidung für die Lok bereut Sven Schürer nicht. Wer kann schon sagen: „Ich habe eine Lok im Vorgarten“? Für Lok-Fans scheint klar zu sein: Es ist höchste Eisenbahn, für dieses spezielle Hotel ein Ticket zu lösen.