Nach monatelanger Unsicherheit kehrt am Spreewerk in Lübben wieder Aufbruchstimmung ein: Das traditionsreiche Munitionsunternehmen, das im vergangenen Jahr kurz vor dem Aus stand, plant die Wiederaufnahme der Munitionsteileproduktion. Für die rund 60 verbliebenen Beschäftigten am Standort ist dies längst überfällig – nicht nur wegen der geplanten Expansion auf über 200 Arbeitsplätze in den kommenden zwei Jahren, sondern auch wegen der kurzen Wege nach Hause und des positiven Arbeitsumfelds, das sie in Lübben schätzen.
Historische Wurzeln und schwere Zwischenfälle
Das Spreewerk blickt auf eine wechselhafte Geschichte zurück. Nach dem Ende des Kalten Krieges diente der Standort vor allem der Entsorgung alter Munition – eine Aufgabe, die durch zwei folgenschwere Explosionen zum Tod von insgesamt fünf Mitarbeitern führte und den Betrieb schwer belastete. In der Folge musste das Werk mehrfach die Besitzer wechseln, bis schließlich ein neuer Betreiber das Gelände übernahm und die Genehmigungsverfahren für Produktion und Vernichtung erfolgreich konsolidierte.
Infrastruktur und Technik auf dem Prüfstand
Der jetzige Betreiber will die vorhandene Infrastruktur reaktivieren und dafür rund 60 Millionen Euro investieren. Geplant ist zunächst die Herstellung einzelner Munitionsteile – fertige Geschosse sollen dabei nicht aus Lübben kommen. Selbst der einstige Verbrennungsofen soll künftig Produktionsabfälle sicher vernichten. Dank der jahrelangen Expertise in der Delaborierung gilt die Genehmigungslage als besonders gut, sodass die technische Neuausrichtung zügig beginnen kann.
Befürworter und Kritiker im Dialog
Unter den Beschäftigten herrscht Erleichterung: Die Risiken der neuen Produktion werden als geringer eingeschätzt als die Gefahren bei der alten Entsorgungstätigkeit. „Wir fühlen uns gut geschützt“, sagt eine Mitarbeiterin, „Delaborierung war deutlich gefährlicher.“ Doch nicht alle in Lübben teilen diese Einschätzung. Eine von 1 600 Anwohnern unterzeichnete Petition protestiert gegen die Rückkehr der Rüstungsindustrie in die Region. Kritiker mahnen, dass Frieden nicht allein mit Waffen gesichert werden könne. Gleichzeitig zeigt sich in der Stadtverordnetenversammlung große Mehrheit für das Projekt – nicht zuletzt wegen der angekündigten Investitionen und der versprochenen Arbeitsplätze.
Zwischen ökonomischer Notwendigkeit und ethischer Debatte
Die Debatte um das Spreewerk spiegelt die Zerrissenheit wider, in der sich viele Industriestandorte heute befinden: Einerseits sichert die Munitionsproduktion dringend benötigte Arbeitsplätze und stärkt die Verteidigungsfähigkeit von Staaten wie der Ukraine; andererseits bleibt die Frage, inwieweit lokale Gemeinschaften moralische Bedenken gegenüber der Waffenproduktion überwinden können. In Lübben jedenfalls richten sich nun alle Blicke nach vorn – in der Hoffnung, dass Technik, Sicherheit und soziale Verantwortung künftig Hand in Hand gehen.