Seltene Aufnahmen der Karniner Brücke bei Usedom

Am Rand der Ostseeinsel Usedom, wo die Peene in den Peenestrom übergeht, liegt ein Ort, der Geschichte und Technik gleichermaßen atmet: die Kaninabrücke bei Karnin. Einst galt sie als technische Meisterleistung – heute ist sie stiller Zeuge einer bewegten Vergangenheit.

Mit einem kleinen Boot nähern wir uns der eindrucksvollen Stahlkonstruktion. Schon von Weitem ragt der massive Betonblock aus dem Wasser – die ehemalige Mittelauflage der Drehbrücke, die einst Züge mit 120 Kilometern pro Stunde von Berlin bis nach Swinemünde brachte. Der Betonklotz ist verwittert, aber standfest – ein Sinnbild für die Ingenieurskunst der 1930er Jahre.

Die Kaninabrücke war einst eine der bedeutendsten Eisenbahnverbindungen Norddeutschlands. Sie verband das Festland mit der Insel Usedom und verkürzte die Reisezeit enorm. In nur zwei Stunden erreichten Züge von Berlin aus das Ostseebad. Doch dieser Fortschritt wurde jäh gestoppt: Am 28. April 1945 sprengten deutsche Soldaten die Brückenbögen – eine strategische Maßnahme, um die vorrückende Rote Armee zu behindern.

Heute ist nur noch der mittlere Hubteil erhalten – ein beeindruckender Stahlrahmen, flankiert von Resten der einstigen Brückenpfeiler. Diese werden heute von Kormoranen genutzt, um ihre Flügel in der Sonne zu trocknen. Natur übernimmt, was Technik einst hinterließ.

„Die Brücke ist trotz allem in erstaunlich gutem Zustand“, erzählt ein Anwohner, der regelmäßig Touristen über die Geschichte der Brücke informiert. „Nur sollte man besser Handschuhe mitnehmen – der Möwenkot ist nicht zu unterschätzen.“

Das Maschinenhaus, das die technische Anlage der Hubbrücke beherbergte, steht noch heute. Es ist ein stummes Archiv mechanischer Präzision, mittlerweile aber außer Betrieb. Die Drahtseile der Hubvorrichtung wurden aus Sicherheitsgründen gekappt, die Gegengewichte ruhen nun stumm in ihren Stahlgehäusen.

Ein aufgeschütteter Eisenbahndamm im Vordergrund verdeutlicht, wie stark hier einst in die Landschaft eingegriffen wurde. Die Breite des Wasserlaufs wurde von 500 auf rund 300 Meter verkürzt – für eine stabilere Trassenführung und kürzere Verbindungen.

Die Kaninabrücke ist längst kein Verkehrsknotenpunkt mehr, sondern ein Mahnmal. Sie erzählt von Fortschritt und Zerstörung, von Ingenieurskunst und dem Verfall technischer Utopien. Und sie erinnert an eine Zeit, in der Mobilität noch ohne digitale Planung funktionierte – aber dennoch verblüffend effizient war.

Wer hier herkommt, erlebt mehr als eine stillgelegte Brücke. Er begegnet einem Ort, an dem Geschichte greifbar wird – zwischen Rost, Möwenrufen und der klaren Weite des Peenestroms.

Tips, Hinweise oder Anregungen an Arne Petrich

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