Die DDR-Volkskammer war vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 das Parlament der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (kurz MfS oder Stasi) war der Inlands- und Auslandsgeheimdienst der DDR und zugleich Ermittlungsbehörde (Untersuchungsorgan) für „politische Straftaten“. Das MfS war innenpolitisch vor allem ein Unterdrückungs- und Überwachungsinstrument der SED gegenüber der DDR-Bevölkerung, das dem Machterhalt diente. Dabei setzte es als Mittel Überwachung, Einschüchterung, Terror und die sogenannte Zersetzung gegen Oppositionelle und Regimekritiker („feindlich-negative Personen“) ein. Das MfS wurde am 8. Februar 1950 gegründet. Der Sprachgebrauch der SED, der das MfS als „Schild und Schwert der Partei“ bezeichnete, beschreibt die ihm zugedachte Funktion im politisch-ideologischen System der DDR. Neben dem MfS gab es auch einen weiteren Nachrichtendienst in der DDR, die Verwaltung Aufklärung der NVA (militärischer Aufklärungsdienst) mit Sitz in Berlin-Treptow. Die Verwaltung Aufklärung wurde ebenso wie die Grenztruppen und die restliche NVA durch die Hauptabteilung I (MfS-Militärabwehr) kontrolliert („abgesichert“).
Am 12. April 1990 kam es in der Volkskammer der DDR zu einer der heftigsten und emotionalsten Debatten der Übergangszeit. Es ging um nichts Geringeres als die Offenlegung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter in den eigenen Reihen. Die Bürgerrechtsbewegung, vertreten durch die Fraktion Bündnis 90/Grüne, drängte vehement auf Transparenz und forderte eine namentliche Nennung derjenigen Abgeordneten, die vom Prüfungsausschuss schwer belastet wurden. Doch das Parlament geriet ins Stocken.
Ein Sitzstreik für die Wahrheit
Die Mehrheit der Volkskammer hatte am Vormittag beschlossen, dass die 15 belasteten Abgeordneten öffentlich benannt werden sollten. Doch kurz darauf wurde die Angelegenheit an den Verfassungsausschuss verwiesen, was die Bürgerbewegung in Wut versetzte. Die Abgeordneten von Bündnis 90/Grüne verließen ihre Plätze und blockierten das Rednerpult mit einem Sitzstreik – ein beispielloser Protest in der DDR-Volkskammer.
Schließlich erklärte der Verfassungsausschuss keine rechtlichen Bedenken gegen eine Namensnennung. Doch die CDU-Fraktion stellte daraufhin den Antrag, die Öffentlichkeit von der weiteren Debatte auszuschließen. Dieser Schritt führte zu erneuter Empörung im Saal. Die Befürworter der Offenlegung sahen sich ausgebremst – der Umgang mit der Stasi-Vergangenheit drohte erneut in Geheimverhandlungen zu versinken.
Rücktritte und Rechtfertigungen
Trotz des Ausschlusses der Öffentlichkeit kam es zu dramatischen Wortmeldungen. Der CDU-Politiker und damalige Bauminister Gerhard Viehweger erklärte seinen sofortigen Rücktritt. Er habe zwar als Stadtrat Kontakte zur Stasi gehabt, sei aber nie schuldig geworden. „Ich bitte Sie, diesen Rücktritt nicht als Eingeständnis meiner Schuld zu bewerten“, betonte Viehweger, doch seine Stimme verriet die emotionale Last.
Ein FDP-Abgeordneter erklärte sich ebenfalls, wies jedoch die Vorwürfe entschieden zurück. Er sei selbst ein Opfer der Stasi gewesen und empfinde die Vorwürfe als politisch motiviert. Seine Worte: „Ich bin Opfer geworden von einer bewussten Politkriminalität“, zeigten die aufgeheizte Stimmung und das tiefe Misstrauen innerhalb des Parlaments.
Eine unvollständige Aufklärung?
Am Ende der nichtöffentlichen Sitzung war klar: Schwer belastet waren fünf CDU-Abgeordnete, drei von der FDP, ebenso wie drei von der PDS und zwei von der SPD. Doch eine abschließende Klärung, was den Einzelnen tatsächlich vorzuwerfen war, sollte noch lange dauern. Die Aktenlage der Stasi machte eine vollständige Aufklärung schwierig – ein Erbe der jahrzehntelangen Überwachung und Geheimhaltung.
Diese Debatte war eine der letzten großen politischen Auseinandersetzungen der untergehenden DDR. Sie zeigte, dass die Vergangenheit selbst in den letzten Monaten der Volkskammer untrennbar mit der Gegenwart verwoben blieb. Für viele war es ein ernüchternder Moment: Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte würde nicht mit der ersten und letzten freien Wahl vom März 1990 enden – sie hatte gerade erst begonnen.