echt unheimlich: Die geheime Unterwelt von Marienborn

Marienborn – einst ein pulsierender Grenzübergang zwischen Ost und West – birgt heute ein faszinierendes Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges. Unter den scheinbar unscheinbaren Betonflächen der ehemaligen Grenzfestung liegt ein weitverzweigtes Tunnelsystem verborgen, das bis heute nur wenigen Eingeweihten bekannt war.

Ein verborgener Zugang zur Geschichte
An einem gewöhnlichen Tag in der Gedenkstätte Marienborn öffnet sich eine unscheinbare Stahlluke, die den Zugang zu einem unterirdischen Netzwerk markiert. Nur drei Meter unter der Erde beginnt hier eine Reise in die dunklen Ecken eines Systems, das ursprünglich als streng geheimes Militärobjekt konzipiert wurde. Trotz der aktiven Grenzübergangsstelle, an der einst tausend Bedienstete arbeiteten, war die Existenz dieses Tunnelsystems – mit seinen 14 Ein- und Ausstiegslupen – weitgehend im Verborgenen geblieben.

Mehr als nur ein Fluchtweg
Entgegen der landläufigen Vorstellung, dass unterirdische Tunnel stets als Fluchtwege dienten, blieb das System komplett innerhalb des DDR-Gebiets. Laut Dr. Stucke, dem stellvertretenden Leiter der Gedenkstätte, hätte ein Zugang in den westdeutschen Raum nicht nur das Risiko von Fluchtversuchen, sondern auch potenzielle Sicherheitslücken eröffnet. Vielmehr diente das Netz als logistisches Rückgrat für den militärischen Einsatz. Ein Befehl aus dem Jahr 1978 dokumentiert, dass die Tunnel als blitzschneller Truppenverlegungskanal im Falle eines bewaffneten Konflikts mit der NATO vorgesehen waren – und gleichzeitig als Mittel, um Fluchtversuche von DDR-Bürgern unmittelbar zu unterbinden.

Ein Blick hinter die Kulissen der Überwachung
Ein weiterer faszinierender Aspekt des Tunnelsystems ist die angrenzende Abhörzentrale. Während der Grenzabfertigung war eine Fernmeldanlage im Einsatz, die den normalen Gesprächsverkehr regelte und zugleich als Abhörstation diente. Nur handverlesene Mitarbeiter der Stasi hatten Zugang zu dieser kritischen Einrichtung, sodass der Großteil der Belegschaft lediglich die für den eigenen Dienstbereich relevanten Informationen kannte. Diese gezielte Informationsvergabe unterstreicht, wie tief die Geheimhaltung in den Strukturen des DDR-Grenzschutzes verankert war.

Energieautark und kampfbereit
Neben den logistischen und geheimdienstlichen Aspekten verfügte der Grenzübergang über eine eigene Energieversorgung. Ein speziell dafür errichtetes Gebäude sollte im Ernstfall dafür sorgen, dass das Licht niemals ausgeht – selbst bei einem kompletten externen Stromausfall. Riesige Schiffsdieselgeneratoren garantierten eine Notstromversorgung, die den Betrieb der gesamten Anlage für mindestens acht Stunden aufrechterhielt. Diese technische Raffinesse war einzigartig für die damalige Zeit und unterstrich die militärische Schlagkraft der Einrichtung.

Ein Mahnmal vergangener Zeiten
Heute, mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall, offenbart die Gedenkstätte Marienborn ein Stück Geschichte, das bislang im Dunkeln lag. Die geheimen Tunnel, die Abhörzentralen und die autarke Energieversorgung erzählen von einer Ära, in der militärische Strategie, Geheimhaltung und Kontrolle oberste Priorität hatten. Ein Rundgang durch diese unterirdische Welt lässt Besucher nicht nur in die technische und taktische Planung der DDR eintauchen, sondern mahnt auch an die Abgründe einer Zeit, in der jede Schraube und jede Stahltür ein Stück der Geschichte bewahrte.

Marienborn zeigt uns heute, wie eng die Grenzen zwischen öffentlicher Fassade und geheimer Unterwelt tatsächlich sein können – ein unvergesslicher Blick hinter die Kulissen der Vergangenheit, der auch in der Gegenwart nachhallt.