Geschlossener Jugendwerkhof Torgau – Ein Mahnmal der DDR-Vergangenheit

Mit der Neueröffnung einer Dauerausstellung wird ein düsteres Kapitel der DDR-Geschichte wieder ins Licht gerückt.

Im Herzen von Torgau zeugt heute eine moderne Gedenkstätte von den unmenschlichen Zuständen, die im geschlossenen Jugendwerkhof herrschten. Diese Einrichtung war im Kinderheimsystem der DDR die einzige ihrer Art, in der Jugendliche unter haftähnlichen Bedingungen lebten – ein Ort, an dem strenge Disziplinarmaßnahmen, Einzelhaft und schwerwiegende Strafen an der Tagesordnung waren.

Ein Satz, der Geschichte schrieb
An den bröckelnden Wänden der ehemaligen Arrestzellen prangt der Satz: „Ich bin als Mensch geboren und will als Mensch hier raus!“
Diese eindringliche Botschaft, eingeritzt von einem der Insassen nach dem Ende der DDR, fasst das Leid und den unerschütterlichen Kampfwille der Jugendlichen zusammen. Heute ziert der Satz den Titel der neuen Dauerausstellung und dient als Mahnmal gegen das Unrecht vergangener Zeiten.

Erlebnis Raum – Geschichte zum Anfassen
Die neu konzipierte Dauerausstellung bietet Besuchern einen facettenreichen Zugang zu dieser Geschichte. Mithilfe von Farb-, Licht- und Rauminstallationen wird nicht nur das sachliche Wissen vermittelt, sondern auch die emotionale Dimension des Erlebten greifbar gemacht. Exemplarische Akten und Dokumente erlauben einen tiefen Einblick in das tägliche, oftmals brutale Regime, das das Leben der Insassen bestimmte. Mehrere interaktive Arbeitsplätze laden dazu ein, in eigenen Recherchen die Hintergründe des DDR-System zu erkunden.

Schmerzliche Zeugnisse und neue Perspektiven
Ein besonders bewegender Aspekt der Ausstellung ist die erstmalige thematische Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in DDR-Kinderheimen. Ehemalige Insassen berichteten von dem tiefen Schmerz und der Demütigung, die sie erleiden mussten – von Zwangsentkleidungen in der Kleiderkammer über öffentliche Demütigungen bis hin zu langen Arrestzeiten, in denen selbst das Singen und Pfeifen untersagt war. Solche Berichte unterstreichen, wie sehr die bürokratische Kälte der DDR in das Privatleben der Jugendlichen eingriff und ihre Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig prägte.

Gedenken und Aufarbeitung – Ein gemeinsamer Weg
Die Gedenkstätte wird seit 1998 von der Initiativgruppe „Geschlossener Jugendwerkhof Torgau e.V.“ getragen, die sich seit jeher für die Aufarbeitung der SED-Diktatur einsetzt. Bei der feierlichen Neueröffnung am Abend des 22. November waren prominente Vertreter der Politik und Kultur anwesend. Ministerpräsident Michael Kretschmer und Claudia Roth bekräftigten die Notwendigkeit, die erlittenen Unrechtsfälle sichtbar zu machen und den Opfern den Weg zur Rehabilitierung zu ebnen. Auch Staatsminister Carsten Schneider äußerte sich eindringlich und verurteilte die willkürliche Praxis des Werkhofssystems, in dem jederzeit jeder Jugendliche zum Opfer hätte werden können.

Digitale Wege der Erinnerung
Neben der physischen Ausstellung bietet die Gedenkstätte nun auch einen modernen Zugang über die neue App „Keine bzw. eine Jugend“. Dieses digitale Angebot richtet sich vor allem an junge Menschen und ermöglicht einen niederschwelligen, emotionalen Zugang zur Geschichte der DDR-Heimkinder. Die App, erreichbar unter keinejugend.de, soll helfen, die Erinnerung an die erlittenen Unrechtsfälle lebendig zu halten und den Diskurs über die Vergangenheit zu fördern.

Ein Aufruf zur Erinnerung
Insgesamt wurden 4046 Jugendliche in den geschlossenen Jugendwerkhof eingewiesen – 4046 individuelle Schicksale, deren Erinnerungen bis heute nachwirken. Die Dauerausstellung und die Gedenkstätte bieten nicht nur einen Ort des Gedenkens, sondern auch eine Anlaufstelle für Betroffene. Sie ermöglicht den ehemaligen Insassen, sich regelmäßig auszutauschen und gemeinsam Wege zu finden, mit den erlebten Traumata umzugehen. Nur so, so die Überzeugung der Verantwortlichen, kann sichergestellt werden, dass diese Geschichte nicht in Vergessenheit gerät und sich ähnliche Unrechtstatbestände niemals wiederholen.