Bad Schlema: Umweltproteste als Wegbereiter der Friedlichen Revolution 1989

Orte der Friedlichen Revolution 1989 in Sachsen. Bad Schlema

Bad Schlema, heute ein beschaulicher Kurort im Erzgebirge, war in der DDR-Zeit ein Synonym für Umweltzerstörung, Geheimhaltung und die Folgen des Uranbergbaus. Der Ort spielte eine besondere Rolle in der Friedlichen Revolution 1989, denn hier waren es vor allem Umweltfragen, die die Menschen auf die Straße trieben. Während in Leipzig, Chemnitz und Berlin vorrangig politische Veränderungen gefordert wurden, wollten die Bürger in Bad Schlema zunächst Klarheit – über die Strahlenbelastung, über ihre Gesundheit und über die Zukunft ihres Heimatortes.

Die Wismut: Ein Staat im Staat
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die „SAG Wismut“ – später „SDAG Wismut“, ein deutsch-sowjetisches Bergbauunternehmen – mit dem systematischen Abbau von Uran im Erzgebirge. Uran galt als strategischer Rohstoff, unverzichtbar für das atomare Wettrüsten zwischen Ost und West. Doch während die Weltmächte ihre Nukleararsenale ausbauten, zahlte die Region einen hohen Preis. Die Wismut war nicht nur ein Unternehmen, sondern eine Institution mit Sonderrechten und nahezu uneingeschränkter Macht. Sie war streng militärisch organisiert, unterlag höchster Geheimhaltung und agierte außerhalb der Kontrolle der DDR-Behörden.

Die Uranvorkommen unter Bad Schlema machten den Ort zur wichtigen Abbauregion. Die Wismut verwandelte die einst blühende Kurstadt mit ihrem berühmten Radiumbad in eine industrielle Landschaft aus Abraumhalden, giftigen Abwässern und radioaktivem Staub. Die Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung und die Bergarbeiter waren enorm, doch offiziell wurde das Problem verschwiegen. Die DDR-Regierung sprach verharmlosend von „Erz für den Frieden“ – ein Begriff, der die Realität verschleierte.

Die Umweltzerstörung als Protestauslöser
Während in anderen Regionen der DDR die Forderungen nach politischer Reform im Vordergrund standen, war es in Bad Schlema die Sorge um die eigene Gesundheit und die Umwelt. Das Erzgebirge, durch den Braunkohleabbau und die chemische Industrie bereits stark geschädigt, wurde durch den Uranbergbau weiter in Mitleidenschaft gezogen. Die Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung erreichte kritische Ausmaße. Die Region wurde als Teil des „Schwarzen Dreiecks“ bekannt – einer der am stärksten verschmutzten Gebiete Europas, das sich über Teile der DDR, Polens und der Tschechoslowakei erstreckte.

Die Bewohner von Bad Schlema stellten immer drängendere Fragen: War das Wasser noch trinkbar? War die Strahlung lebensbedrohlich? Welche Gefahren bestanden für Kinder? Doch anstatt Antworten zu erhalten, wurden sie mit Schweigen und Repressionen konfrontiert. Uran durfte in der Öffentlichkeit nicht einmal als Begriff verwendet werden. Die Missstände wurden verschleiert, und kritische Stimmen unterdrückt.

Der Herbst 1989: Mutiger Protest gegen die Geheimhaltung
Als sich im Herbst 1989 die Proteste in der DDR ausweiteten, begann auch in Bad Schlema der Widerstand zu wachsen. Angeführt von mutigen Bürgern, darunter ehemalige Wismut-Arbeiter und Umweltschützer, organisierten sich die ersten Demonstrationen. Anders als in Leipzig oder Dresden standen dabei nicht primär politische Forderungen im Mittelpunkt, sondern die Aufklärung über die Umwelt- und Gesundheitsgefahren. Die Menschen wollten endlich wissen, ob sie in einem verstrahlten Gebiet lebten und welche Folgen das für ihre Familien hatte.

Oliver Tietzmann, ein Zeitzeuge aus Bad Schlema, erinnert sich: „Im Herbst 1989 ging es hier nicht zuerst um Reisefreiheit oder Demokratie. Die Menschen wollten Klarheit – leben wir in einem Ort, in dem wir bald sterben werden? Sind wir alle verstrahlt? Sind unsere Häuser sicher? Die Wismut war ein Staat im Staat, und ihre Geheimhaltungspolitik hat die Menschen auf die Straße getrieben.“

Trotz der allgegenwärtigen Überwachung durch die Stasi wuchs die Protestbewegung. Die Angst vor gesundheitlichen Schäden überwog die Furcht vor staatlichen Repressionen. Schließlich erreichte die Friedliche Revolution auch Bad Schlema. Die Proteste führten dazu, dass endlich Untersuchungen zur Strahlenbelastung durchgeführt und Umweltfragen thematisiert wurden. Mit dem Ende der DDR wurde der Uranabbau der Wismut eingestellt, und Bad Schlema begann, sich langsam von den ökologischen Altlasten zu erholen.

Ein schwieriges Erbe und die Zukunft Bad Schlemas
Heute ist Bad Schlema Teil der Stadt Aue-Bad Schlema und hat sich wieder zu einem Kurort entwickelt. Die Heilbäder, die einst durch den Uranbergbau bedroht waren, sind erneut ein Anziehungspunkt. Dennoch ist die Vergangenheit nicht vergessen: Die Altlasten des Bergbaus prägen die Region bis heute, und viele ehemalige Arbeiter leiden unter den gesundheitlichen Folgen des Uranabbaus.

Die Ereignisse von 1989 haben gezeigt, dass Umweltproteste ein wichtiger Teil der Friedlichen Revolution waren. Sie machten deutlich, dass die Menschen nicht nur politische, sondern auch ökologische Veränderungen forderten. Bad Schlema steht exemplarisch für die Orte, in denen der Kampf um Transparenz, Umwelt- und Gesundheitsschutz den Weg in eine neue Ära ebnete. Die Bürger von damals haben bewiesen, dass Mut und Beharrlichkeit eine lebenswerte Zukunft ermöglichen können.

Autor/Redakteur: Arne Petrich
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