Das Interview mit Julia Kausch bietet eine interessante Reflexion über die Wendezeit und ihre Auswirkungen, besonders aus der Perspektive einer „gesamtdeutschen“ Identität. Sie beschreibt, wie sie selbst die Wende weniger als persönliche Erfahrung, sondern eher durch die Erzählungen und Reaktionen der Erwachsenen um sie herum verarbeitet hat. Die politische und gesellschaftliche Umwälzung war vor allem für die Jugendlichen eine Herausforderung, die mit einer plötzlichen Umstellung ihrer Weltanschauungen konfrontiert wurden.
Kausch spricht auch über die Bedeutung der „Baseballschlägerjahre“, eine Zeit, in der extreme politische Strömungen aus dem Westen in den Osten drangen. Sie hebt hervor, wie junge Menschen, die in einem System aufgewachsen sind, das ihnen bestimmte Ideale versprach, nach der Wende orientierungslos wurden und sich rechtspopulistischen Bewegungen zuwandten. Ein zentrales Thema ihrer Reflexion ist die Frage, wie schnell sich die politische Landschaft nach der Wende veränderte und wie dies zur Entstehung von politischer Desillusionierung und Demokratieverdrossenheit geführt hat.
Besonders hervor hebt sie auch die Diskrepanz zwischen Ost- und Westdeutschland, besonders in Bezug auf die politische Repräsentation und die ungerechte Verteilung von Macht und Einfluss. Kausch betont, dass Ostdeutsche bis heute an den oberen Stellen unterrepräsentiert sind, was in ihrer Sicht weiterhin ein Problem für die gesellschaftliche Integration darstellt.
Kausch verbindet die Lehren aus der Wendezeit mit den aktuellen Herausforderungen, insbesondere in Hinblick auf gesellschaftliche und politische Umbrüche, die durch den Klimawandel und andere globale Krisen ausgelöst werden. Sie sieht die Geschichte als Blaupause, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und besser auf zukünftige gesellschaftliche Wandlungsprozesse vorbereitet zu sein.