Schutz der Erinnerungskultur: Denkmale der DDR-Grenze

Mauer, Bunker, Grünes Band – Die neue Erinnerungskultur | MDR DOK

Der Wiederaufbau eines Grenzturms in Walbeck, Sachsen-Anhalt, spiegelt das gestiegene Interesse an der deutschen Erinnerungskultur wider, insbesondere hinsichtlich der Teilung und ihrer physischen Überbleibsel. Der 2009 illegal abgerissene Turm, ein einzigartiges Denkmal der deutschen Teilung, wurde dank des Engagements des Walbecker Heimatvereins in einem vierwöchigen Projekt wiedererrichtet und soll künftig als Mahnmal an diese Epoche der deutschen Geschichte erinnern.

Die innerdeutsche Grenze, die Deutschland fast vier Jahrzehnte lang trennte, war geprägt von Mauern, Zäunen, Minen und Selbstschussanlagen und bildete einen Todesstreifen, der das Land zerteilte und Familien und Dörfer voneinander isolierte. Viele Orte entlang der Grenze, darunter das Dorf Walbeck, lagen in der Sperrzone, und Bewohner mussten strikte Zugangskontrollen und Einschränkungen erdulden. So berichtet etwa Ulrich Mühe, dass Besuche bei seinen Großeltern in Walbeck nur mit Passierschein möglich waren. Diese Nähe zur Grenze prägte das tägliche Leben der Menschen tiefgreifend.

Nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 verschwand ein Großteil der Grenzanlagen, doch seither haben zahlreiche Initiativen in Deutschland, wie die in Walbeck, daran gearbeitet, Erinnerungsstücke zu erhalten und zugänglich zu machen. In Stapelburg am Harz etwa dokumentiert eine Heimatstube die Grenzgeschichte, und ein Bunker dient heute als Museum. In Hötensleben sind die Grenzanlagen sogar vollständig erhalten und zeigen in ihrer kompletten Struktur die Funktionsweise des DDR-Grenzregimes. René Müller, Vorsitzender des Grenzdenkmalvereins, erläutert die Anlage und betont die Risiken, die Menschen auf sich nahmen, um in den Westen zu fliehen. Die Erhaltung dieser Anlagen führte in Hötensleben zu Beginn zu starken Kontroversen, doch inzwischen zählt das Denkmal zum europäischen Kulturerbe, und die Bewohner sind stolz auf ihren Teil der deutsch-deutschen Geschichte.

In Wülperode widmen sich Schüler eines Gymnasiums der Pflege eines Grenzdenkmals. Ihr Geschichtslehrer, Sebastian Knobbe, sieht darin eine wertvolle Möglichkeit, junge Menschen mit den Lehren der Vergangenheit vertraut zu machen. Die „Grenzwandler“-App ergänzt solche Bildungsprojekte durch die virtuelle Aufarbeitung verschwundener Dörfer wie Jahrsau. Die App nutzt historische Fotos und Zeitzeugenberichte und ermöglicht so eine digitale Erinnerungstour durch die einstige Sperrzone.

Auch das Grüne Band entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze ist heute ein Symbol für die überwundene Teilung. Diese besondere Biotopverbindung zieht sich entlang der alten Grenze von der Ostsee bis zum Vogtland und hat sich zu einem einzigartigen Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten entwickelt. Naturschützer wie Dieter Leupold sehen im Grünen Band nicht nur einen Naturschatz, sondern auch ein Symbol für den friedlichen Wandel und den Wert der Erinnerungskultur. Dieses Naturparadies zeigt, dass selbst die einstige Todeszone durch das Engagement von Naturschützern und Historikern eine neue Bedeutung und Funktion erlangen kann.

Ein bewegendes Beispiel für die Grenzöffnung ist die Geschichte von Peter Röhling aus Stapelburg, der zwei Tage nach dem Mauerfall gemeinsam mit seinem Schwager die ersten Schrauben an den Grenzanlagen löste, um die Grenze in Stapelburg zu öffnen. Diese Tat, die mutig und symbolträchtig zugleich war, wird in Stapelburg bis heute gewürdigt und gefeiert. Die Erinnerung an diese und ähnliche Ereignisse trägt zur Bewahrung der Geschichte bei und dient als Mahnung an die Zeit der deutschen Teilung.

Der wiederaufgebaute Grenzturm in Walbeck hat das Potenzial, ein bedeutsamer Anlaufpunkt für Wanderer und Radfahrer entlang des Grünen Bandes zu werden. Als Symbol für die Überwindung der Trennung und die Kraft des gemeinsamen Erinnerns soll er auch künftige Generationen daran erinnern, wie wertvoll die heutige Einheit und Freiheit sind. Die Erinnerungslandschaften entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze bezeugen den Wandel von der Abschottung hin zur Offenheit und zeigen, wie Vergangenheit und Gegenwart durch das Engagement der lokalen Bevölkerung, Vereine und Bildungsinitiativen miteinander verbunden bleiben.

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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