Friedensbewegung in der DDR: Widerstand und Hoffnung in den 1980er Jahren

»Wir tun nichts Verbotenes« Dresden, 13. Februar 1982

In den 1970er Jahren begann ein vorsichtiger Annäherungsprozess zwischen Ost und West, der jedoch gegen Ende des Jahrzehnts durch die erneute Eskalation des Kalten Krieges und des atomaren Wettrüstens stark gefährdet wurde. Vor diesem Hintergrund entwickelten sich in der DDR und anderen sozialistischen Staaten Osteuropas unabhängige Friedensbewegungen, die die staatliche Rhetorik und das Wettrüsten herausforderten.

In Dresden spielte der sächsische Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider eine zentrale Rolle in dieser Bewegung. Bretschneider, der selbst Bausoldat gewesen war, setzte sich für Wehrdienstverweigerer ein und kämpfte für die Schaffung eines alternativen Wehrdienstes. Unter seinen Leitmotiven “Schwerter zu Pflugscharen” und “Frieden schaffen ohne Waffen” gründete er mehrere kirchliche Friedensgruppen. Sein pazifistisches Engagement bestand nicht nur in der Unterstützung von Wehrdienstverweigerern, sondern auch in der Herausforderung der staatlichen Friedensrhetorik der DDR.

Ein prägnantes Beispiel für diese Herausforderung war das ritualisierte Gedenken an die Luftangriffe auf Dresden am 13. Februar 1945. Ende 1981 riefen Jugendliche unter der Leitung von Johanna Kalex in illegalen Flugblättern dazu auf, sich am 13. Februar 1982 an der Ruine der Frauenkirche zu versammeln und das Lied der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung „We Shall Overcome“ zu singen. Die Veranstaltung war detailliert geplant: Um 21:50 Uhr sollten sich die Teilnehmer an der Ruine treffen, Blumen und Kerzen mitbringen und nach dem Glockenläuten um 22 Uhr zwei Minuten warten, bevor sie das Lied sangen. Die Feier sollte in absoluter Ruhe ablaufen, und im Falle eines Polizeieingreifens sollten die Teilnehmer ruhig bleiben und die Feier bis zum Ende durchziehen.

Das Flugblatt wurde in Dresden und in den Zügen an Soldaten verteilt. Nachdem die Jugendlichen das Flugblatt verteilt hatten, gerieten sie unter Druck und standen im Visier der Stasi. Sie wandten sich an Harald Bretschneider, der ihnen Hilfe versprach. Ein Gespräch zwischen dem evangelischen Landesbischof Johannes Hempel und dem Ersten Sekretär der Dresdner SED-Bezirksleitung, Hans Modrow, führte zu einem Kompromiss. Die Veranstaltung wurde aus dem öffentlichen Raum in die Kreuzkirche verlegt.

Am 13. Februar 1982 fand somit in der Kreuzkirche das „Forum Frieden“ statt, das von Bretschneider gemeinsam mit den Jugendlichen vorbereitet worden war. Die verteilten Materialien waren deutschlandweit angekommen, und ab Mittag strömten die Jugendlichen aus dem Hauptbahnhof in die Stadt. Viele von ihnen trugen Transparente und Plakate, und die Veranstaltung wurde zur größten staatskritischen Friedensdemonstration in der DDR. Die Jugendlichen, die zuvor in der Kreuzkirche eine Friedensmesse erlebt hatten, versammelten sich anschließend an der Ruine der Frauenkirche. Diese Aktion wurde in den folgenden Jahren fortgesetzt und wurde zu einem festen Bestandteil der staatskritischen Friedensbewegung.

Jedoch standen die Akteure der Friedensbewegung stets unter Beobachtung der Stasi. Immer wieder kam es zu Verhaftungen. Im Januar 1988 verfolgten Dietmar Tisch und sein Freundeskreis die offiziellen Kundgebungen in Berlin, bei denen der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gedacht wurde. In der Menge befanden sich Oppositionelle mit Transparenten, die am Vorabend angefertigt worden waren. Am Rande der Demonstrationen in Berlin kam es zu Hausarrest und Verhaftungen. Während die DDR-Berichterstattung über die Ereignisse schwieg, informierten die westdeutschen Medien ausführlich darüber.

Tisch und sein Freundeskreis planten, ein ähnliches Ereignis in Dresden durchzuführen, und wollten den 13. Februar 1988 nutzen. Sie kannten das Friedensforum in der Kreuzkirche und die anschließende Friedensdemonstration an der Ruine der Frauenkirche. Auch mit der Anwesenheit westdeutscher Medien war zu rechnen. Am 13. Februar 1988 strömten erneut Tausende von Menschen in die Stadt, um am Gedenkgottesdienst in der Kreuzkirche teilzunehmen und sich anschließend an der Ruine der Frauenkirche zu versammeln. Der Gottesdienst in der Kreuzkirche war von hoher emotionaler Intensität geprägt und führte zu lautstarken Forderungen nach Pressefreiheit, Reisefreiheit, Freilassung politischer Gefangener und Beendigung der Diskriminierung politisch Andersdenkender.

Nach dem Gottesdienst versammelten sich die Menschenmenge, ausgestattet mit Transparenten, an der Ruine der Frauenkirche und bildeten eine lange Prozession durch die Stadt. Die Demonstration war von einer enormen Dynamik geprägt, und die Teilnehmer legten jegliche Angst ab. Als die Veranstaltung zu Ende ging, wurden die Teilnehmer von der Stasi kontrolliert und ihre Personalien aufgenommen. Dietmar Tisch wurde auf seiner Arbeitsstelle verhaftet und im Untersuchungshaftgefängnis an der Bautzner Straße inhaftiert. Aufgrund von § 214, der Beeinträchtigung staatlicher Maßnahmen und Gesetze, wurde er zu zehn Monaten Haft verurteilt, von denen er sechs absaß. Ein Jahr nach seiner Entlassung emigrierte er im September 1989 über die deutsche Botschaft in Budapest in die Bundesrepublik Deutschland. Seit 1993 lebt er wieder in Dresden.

Heinz-Harry Schulz, ein weiterer Akteur der Friedensbewegung, wurde ebenfalls bei einer offiziellen Gedenkveranstaltung am Theaterplatz verhaftet. Schulz hatte 1986 einen Ausreiseantrag gestellt, dessen Verfahren sich in die Länge zog. Am 13. Februar 1988 wollte er seine Verärgerung ausdrücken und die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen. Bei der Demonstration am 13. Februar 1988 trug er ein Plakat und forderte Freiheit und Menschenrechte. Kurz darauf wurde Schulz verhaftet und später zu einem Jahr Haft verurteilt. Im Februar 1989 wurde er von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft, und seine Familie kam einen Monat später nach. Heute lebt Heinz-Harry Schulz wieder in Dresden.

Die Aktionen von Johanna Kalex, Dietmar Tisch, Heinz-Harry Schulz und vielen anderen jungen Erwachsenen, die Freiheitsrechte und Freizügigkeit forderten, stehen beispielhaft für die vielen Beiträge zur friedlichen Revolution und zum Zusammenbruch der SED-Diktatur im Herbst 1989. Der 13. Februar und andere Anlässe in Dresden und im ganzen Land wurden zu Symbolen einer gegenöffentlichkeit, die immer wieder eingeforderte Rechte und Freiheiten betonte. Diese Forderungen wurden am 8. Oktober 1989 in den ersten Forderungskatalog der Demonstranten aufgenommen, und nach gewalttätigen Auseinandersetzungen Anfang Oktober in Dresden begann der Dialog mit der Staatsmacht, was schließlich zur friedlichen Revolution führte.

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