Wie wirken die Erfahrungen aus der Wendezeit fort – und wie wertvoll kann es sein in zwei Systemen gelebt zu haben? Solche und weitere Fragen verhandelt der Dokumentarfilm „Wendegeschichten: Riesa“ vom Sprungbrett e.V. und dem Leipziger Filmemacher Michael Schlorke. Riesaerinnen und Riesaer und andere Ostdeutsche schildern in der 76-Minütigen Dokumentation unter anderem ihre Alltagssorgen während der Wende, sprechen über den Widerstand gegen die Treuhand-Politik und das Aufwachsen als „Nachwendekind“ – in einer Elbestadt Riesa, die sich seit 1990 rasant und nicht immer zum Besseren verändert hat. Die Dokumentation speist sich aus dem seit 2020 laufenden Projekt „Riesaer*innen auf dem Weg in die deutsche Einheit“ des Sprungbett e.V.. Dort kamen Riesaerinnen und Riesaer in Interviews, Erzählcafès und Podiumsdiskussionen zu Wort, Theaterstücke und Ausstellungen rundeten das Programm ab.
Während die Frage nach „guter Kunst für Ostdeutsche“ für Lacher sorgte, zeugten schmerzliche Gespräche über das einstige Klubhaus der Stahlwerker „Joliot Curie“ von Leerstellen, die die Wende bis heute hinterlassen hat. Trotz der Brüche in vielen Biografien versucht das Projekt Ostdeutschen etwas Frieden mit der Vergangenheit zu schenken und ebenfalls geistreich mit der Gegenwart umzugehen. „Wendegeschichten: Riesa“ fügt all diese und weitere unerzählte Geschichten zusammen. Gezeichnet wird ein eindrückliches Bild eines so schwierigen wie facettenreichen Strukturwandels, der sowohl mit Hoffnungen als mit Ängsten einherging – und auch Menschen abseits der ehemaligen Stahlstadt Riesa beschäftigen sollte.
„Wendegeschichten: Riesa“ (2024), 76 Minuten, Sprungbrett e.V. und Michael Schlorke