Zeitzeugen berichten von der Zeit des Umbruchs im Herbst 1989 in Dessau

Lebenszeiten Zeitenwende - Zeitzeugen berichten von der Zeit des Umbruchs im Herbst 1989 in Dessau

Wie erlebten die Dessauerinnen und Dessauer die Proteste im Herbst 1989? In diesem Beitrag berichten davon drei Menschen aus Dessau-Roßlau und zeigen Originalaufnahmen aus der Zeit. Der Film entstand im Rahmen des Projekts Lebenszeiten, ein Projekt des Landesverbands der Offenen Kanäle in Sachsen-Anhalt. Gefördert wurde “Lebenszeiten” vom Land Sachsen-Anhalt.

Im Jahr 1989 erlebte Dessau, wie viele Städte in der DDR, einen bedeutenden Wendepunkt in seiner Geschichte. Die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche, die letztlich zur Wiedervereinigung Deutschlands führten, hinterließen auch in Dessau deutliche Spuren.

Dessau war zu dieser Zeit eine typische ostdeutsche Industriestadt, geprägt von Plattenbauten, Fabriken und einer sozialistischen Infrastruktur. Die Stadt war bekannt für ihre chemische Industrie und Maschinenbauunternehmen, die einen Großteil der städtischen Wirtschaft ausmachten. Gleichzeitig litt Dessau unter den ökologischen Folgen dieser Industrialisierung, wie Luft- und Wasserverschmutzung.

Die Bürger von Dessau begannen, wie überall in der DDR, den Wunsch nach Freiheit und Reformen lautstark zu äußern. Dies geschah durch Montagsdemonstrationen, bei denen Tausende Menschen friedlich für politische Veränderungen, Meinungsfreiheit und Reisefreiheit demonstrierten. Die Nikolaikirche in Dessau spielte eine wichtige Rolle als Treffpunkt und Ausgangspunkt dieser Demonstrationen. Diese Proteste waren Teil der größeren friedlichen Revolution, die die DDR in den späten 1980er Jahren erschütterte.

Im November 1989 fiel die Berliner Mauer, was auch in Dessau zu einem Gefühl der Erleichterung und Hoffnung führte. Die Wendezeit war geprägt von einem raschen Wandel in der politischen Landschaft, wobei alte Strukturen aufgebrochen und neue Möglichkeiten eröffnet wurden. Die Menschen in Dessau begannen, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Zukunft zu beteiligen, sei es durch die Gründung neuer politischer Parteien oder Bürgerinitiativen.

Der wirtschaftliche Umbruch nach der Wiedervereinigung stellte Dessau jedoch vor große Herausforderungen. Viele der staatlich betriebenen Betriebe wurden geschlossen oder privatisiert, was zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit führte. Dies ging einher mit einem starken Bevölkerungsrückgang, da viele Menschen in den Westen abwanderten auf der Suche nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen.

Trotz dieser Schwierigkeiten begann Dessau, sich neu zu orientieren und seine historische und kulturelle Identität wiederzuentdecken. Die Stadt ist bekannt für das Bauhaus, eine der einflussreichsten Schulen für Architektur und Design des 20. Jahrhunderts. Nach der Wiedervereinigung wurde das Bauhaus Dessau wiederbelebt und zog viele Touristen und Kunstinteressierte an. Zudem wurde die Stadt Teil des UNESCO-Welterbes aufgrund des Bauhaus-Gebäudes und der Meisterhäuser.

Insgesamt war 1989 ein Jahr des Umbruchs und der Transformation für Dessau. Die Stadt, die einst ein Symbol der DDR-Industrie war, begann, sich neu zu erfinden und ihre historische Bedeutung und kulturellen Ressourcen zu nutzen, um eine neue Identität in einem vereinten Deutschland zu formen.