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Bleicherode 1982 – Ein Spiegelbild der DDR im Südharz

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Bleicherode, eine ostdeutsche Kleinstadt mit über 850 Jahren Geschichte, zeigt sich in der DDR-Dokumentation „DDR Alltag 1982“ als lebendiger Mikrokosmos eines Systems, das Tradition, Gemeinschaft und zentrale Planwirtschaft in ungewöhnlicher Weise vereint.

Historie und Gegenwart im Dialog
Die Stadt, gelegen nur etwa eine Autostunde von Erfurt entfernt, zählt rund 8500 Einwohner und blickt auf einen reichen historischen Schatz zurück. Alte Häuser, oft über Generationen in Familienbesitz, prägen das Stadtbild. Doch der Zahn der Zeit nagt an den jahrhundertealten Bauten – ein Umstand, der Denkmalschützer erfreut, während die Stadtverwaltung verzweifelt nach Handwerkern und Materialien sucht. In einer Wirtschaft, in der es keine Gewerbesteuereinnahmen gibt, sondern Unternehmen über Verträge verpflichtet sind, Leistungen zu erbringen, wird der Erhalt dieser historischen Substanz zur Gratwanderung zwischen Erhalt und notwendiger Modernisierung.

Fritz Ball – Bürgermeister und Mann des Volkes
Im Zentrum des Porträts steht Bürgermeister Friedrich Ball, den die Bürger liebevoll „Fritz“ oder „Fritze“ nennen. Der 54-jährige Amtsinhaber, der seit 1975 sein Amt ausübt, ist weit mehr als ein politischer Funktionär: Ehemaliger Bergmann, leidenschaftlicher Fußballspieler und lebenslanger Verfechter der Stadt. Sein Tag beginnt nicht mit Amtsgeschäften, sondern mit den lokalen Sportnachrichten – ein Hinweis auf seine bewegte Vergangenheit auf dem Bolzplatz. Sein Büro im über 400 Jahre alten Rathaus wird von einem Bergmannshelm geschmückt, ein Symbol seiner tiefen Verwurzelung in der regionalen Kaliindustrie, dem wirtschaftlichen Rückgrat Bleicherodes.

Planwirtschaft und persönliche Beziehungen
Während in der Bundesrepublik Städte von Steuereinnahmen leben, basiert Bleicherodes Finanzierungsmodell auf vertraglich zugesicherten Leistungen der ansässigen Unternehmen. Das Kaliwerk, so zentral wie nie, trägt nicht nur zur wirtschaftlichen Stabilität bei, sondern investiert auch in die Stadt – von der Errichtung eines Kulturhauses bis zur Bereitstellung von Fachkräften für Bauprojekte. Diese enge Verflechtung zwischen Stadt und Industrie wird zur persönlichen Angelegenheit, denn Bürgermeister Ball pflegte schon immer enge Beziehungen zu den Betrieben, was ihm in den angespannten Zeiten der DDR einen entscheidenden Vorteil verschafft.

Gemeinschaft, Eigeninitiative und der Blick in die Zukunft
Die Bürger Bleicherodes sind stolz auf ihre Stadt – und das merkt man. Mit über 20 privaten Gewerbetreibenden und zahlreichen Eigenheimen, die vor lauter Eigeninitiative und Findigkeit entstanden sind, lebt die Stadt trotz finanzieller Engpässe. Feierabendbrigaden von Handwerkern und selbstorganisierte Restaurierungsprojekte bringen Leben in die historischen Fassaden, auch wenn nicht alle denkmalgeschützten Gebäude gleichzeitig saniert werden können.

Die Themen des Alltags reichen weit: Vom bürgernahen Engagement in der Volkskammervorbereitung über hitzige Debatten im Rathaus bis hin zu der Sorge um das touristische Image, das unter einem verfallenden Bauwerk leidet. Trotz der strukturellen und finanziellen Herausforderungen blickt die Stadt mit Hoffnung in die Zukunft – mit dem festen Willen, ihre Geschichte zu bewahren und zugleich neue Wege zu gehen.

Ein Porträt, das berührt
„DDR Alltag 1982“ zeigt ein Bleicherode, das mehr ist als nur ein Produkt der Planwirtschaft. Es ist ein Ort, an dem Menschlichkeit, Tradition und politisches Kalkül in einem ständigen, spannungsreichen Wechselspiel stehen. Bürgermeister Fritz Ball, der sich nach seiner aktiven Amtszeit der Seniorenarbeit widmen möchte, verkörpert den unerschütterlichen Glauben an eine Gemeinschaft, in der persönliche Bindungen und Eigeninitiative oft mehr bewirken als starre staatliche Vorgaben.

So wird Bleicherode, mit seinen 8500 Seelen, zu einem lebendigen Zeugnis einer Zeit, in der der Alltag im Schatten der DDR auf überraschend ehrliche und authentische Weise erzählt wird – ein Spiegel, in dem die Schatten und das Licht einer Ära gleichermaßen sichtbar werden.

Berlin-Mitte im Wandel – Ein Blick auf den Umbau 1967

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Im Jahr 1967 erlebte Berlin-Mitte einen tiefgreifenden Wandel, der nicht nur das Stadtbild, sondern auch das Selbstverständnis der Hauptstadt nachhaltig veränderte. Beeindruckende Filmaufnahmen zeigen die Bauarbeiten rund um den Alexanderplatz, die Liebknechtstraße und den Fernsehturm – eine Transformation, die der gesamten Gegend ein mondähnliches Aussehen verlieh. Die futuristische Landschaft, die sich dort abzeichnete, war Ausdruck einer Vision, die den Fortschritt und die Modernisierung in den Mittelpunkt rückte.

In den Bildern wird deutlich, wie großflächige Abriss- und Neubauprojekte die historische Bausubstanz Berlins aufbrachen. Alte Fassaden wichen moderner Architektur, die den Anforderungen einer neuen Zeit gerecht werden sollte. Dabei war es nicht nur der Wandel im Bauwesen, der sichtbar wurde, sondern auch ein symbolischer Einschnitt in die Geschichte einer Stadt, die sich stets neu erfand. Historische Wahrzeichen wie das Rote Rathaus, die Ostseite des Brandenburger Tors und die berühmte Straße „Unter den Linden“ bildeten einen eindrucksvollen Kontrast zur aufstrebenden Neugestaltung.

Besonders markant ist der Besuch von Walter Ulbricht, Staats- und Parteichef, der persönlich einen Blick auf die entstehenden Bauten warf. Sein Erscheinen unterstreicht die Bedeutung des Umbaus als politisches und ideologisches Signal. Die Präsenz der Führungsspitze ließ keinen Zweifel daran, dass hinter dem Umbau mehr stand als rein bauliche Erneuerungen: Es ging um den Fortschritt und das Streben nach einer neuen Gesellschaftsordnung.

Der Filmclip dokumentiert somit nicht nur bauliche Veränderungen, sondern auch den Geist einer Epoche, in der Modernität und politischer Wille Hand in Hand gingen. Die imposante Inszenierung der Baustellenlandschaft spiegelt die Ambitionen einer Stadt wider, die sich in einem steten Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation befand. Der Umbau in Berlin-Mitte ist dabei mehr als nur ein Kapitel der Stadtgeschichte – er ist ein lebendiges Zeugnis eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbruchs.

Heute erinnern die Aufnahmen an eine Zeit, in der Visionen und bauliche Maßnahmen den Weg in eine ungewisse Zukunft ebneten. Sie fordern uns auf, die historischen Wurzeln und die Dynamik des Wandels zu reflektieren – ein Erbe, das Berlin bis in die Gegenwart prägt.

Die Schattenseiten des Überwachungsstaates DDR – Ein Blick hinter die Kulissen der Stasi

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Die Überwachung der Bevölkerung war in der DDR keine marginale Erscheinung, sondern ein zentrales Element der Staatsführung. In einem eindringlichen Vortrag enthüllt der Historiker Hubertus Knabe die Mechanismen und Hintergründe der Stasi – dem Ministerium für Staatssicherheit –, das über Jahrzehnte das Leben der Bürger systematisch kontrollierte und unterdrückte.

Historische Wurzeln und rasante Entwicklung
Knabe beginnt seinen Bericht mit einem Blick zurück: Die Ursprünge der Stasi liegen in der Revolution von 1917. Die russische Cheka – gegründet von Felix Dzerzhinsky – diente als erstes Modell eines repressiven Apparats. Diese Methoden übernahmen die kommunistischen Kräfte nach dem Zweiten Weltkrieg, und so nahm die Stasi ihren rasanten Aufstieg in der DDR. Bereits in den frühen Jahren hatte die Organisation mehr Mitarbeiter als die berüchtigte Gestapo, und bis 1989 zählte der Überwachungsapparat über 90.000 Mitarbeiter. Dieses immense Personalressourcen-Volumen erlaubte es dem Staat, pro 180 Einwohner einen Überwacher einzusetzen.

Multifunktionale Überwachung
Der Apparat der Stasi zeichnete sich durch seine Vielseitigkeit aus. Er war gleichzeitig Nachrichtendienst, Geheimpolizei und quasi öffentlicher Prosektor. Mit einem Netz von rund 200.000 Informanten überwachte der Staat nahezu jeden Aspekt des privaten und beruflichen Lebens. Abhörmaßnahmen, verdeckte Beobachtungen und sogar die Erfassung ungewöhnlicher Details wie Geruchsproben gehörten zum Repertoire der Techniken, mit denen der Staat versuchte, Dissidenten zu isolieren und zu zersetzen. Die sogenannte „Zersetzung“ zielte darauf ab, das Selbstvertrauen der Betroffenen zu untergraben – ein psychologischer Angriff, der weit über herkömmliche Repressionen hinausging.

Methoden im Vergleich zur Moderne
Knabe zieht in seinem Vortrag auch Parallelen zu aktuellen Überwachungspraktiken. In Zeiten, in denen Schlagworte wie „Verfolgung“, „Beobachtung“ und „Wiretapping“ in den Medien allgegenwärtig sind, mahnt er zur Vorsicht. Er erinnert daran, dass auch in demokratischen Gesellschaften Überwachungsinstrumente missbraucht werden können – wenn auch in einem rechtlichen Rahmen, der Missbrauch verhindern soll. Der Vergleich mit den Praktiken der NSA zeigt, dass die Kontrolle der Bevölkerung nicht ausschließlich autoritären Regimen vorbehalten ist, sondern auch in modernen Demokratien potenziell zum Problem werden kann.

Die politische Dimension des Überwachungsstaats
Für Knabe war die zentrale Zielsetzung der Stasi immer die Kontrolle der Gesellschaft. Durch das Sammeln und Auswerten persönlicher Daten und Verhaltensweisen sollte bereits im Vorfeld verhindert werden, dass sich kritische Stimmen formieren. Die weit verzweigten Überwachungsstrukturen sollten potenzielle Proteste im Keim ersticken und die Macht der Regierung sichern. Gleichzeitig weist der Historiker darauf hin, dass der Zusammenbruch des kommunistischen Regimes auch auf strukturelle Schwächen und die Unfähigkeit, auf wachsenden gesellschaftlichen Protest adäquat zu reagieren, zurückzuführen war.

Ein Mahnmal für die Zukunft
Im abschließenden Teil seines Vortrags bezieht sich Knabe auch auf aktuelle Diskussionen – etwa rund um Edward Snowden – und betont, dass die Lehren aus der Vergangenheit auch heute noch gelten. Der Historiker plädiert für einen verantwortungsvollen Umgang mit Überwachungsmaßnahmen und erinnert daran, dass selbst in einer Demokratie klare Regeln und strikte Kontrollen unabdingbar sind, um den Missbrauch von Macht zu verhindern.

Der Einblick in die dunkle Geschichte der Stasi dient nicht nur als Rückblick, sondern auch als Warnung. Ein Staat, der über umfassende Kontrollmechanismen verfügt, riskiert, das Fundament der Freiheit und des Vertrauens zu untergraben. Hubertus Knabe fordert daher: Bleiben Sie wachsam, denn die Vergangenheit lehrt uns, dass Überwachung – egal in welchem System – immer auch ein Mittel zur Unterdrückung sein kann.

Stralsund integriert historisches Fort in das Grüne Band

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Die Hansestadt Stralsund hat einen bedeutenden Schritt gemacht: Mit dem Erwerb des ehemaligen Rostocker Werks soll die historische Festungsanlage künftig als verbindendes Element zwischen Stadtwald und Grüngürtel dienen. Das preußische Fort, erbaut im Jahr 1865, ist bislang in privater Hand gewesen – Teil einer fast 30-köpfigen Erbengemeinschaft aus dem In- und Ausland. Nun ist es der Stadt gelungen, das rund fünf Hektar große Areal einschließlich angrenzender Schanze und weiterer Grundstücke zu erwerben.

Ein neues Kapitel für einen historischen Ort
Die Festungsanlage, von Wassergräben umgeben und in der Denkmalliste Stralsunds unter Nummer 92 geführt, wird langfristig in die städtische Grünplanung eingebunden. Geplant ist, den Erholungsraum im Stadtwald um ein einzigartiges, historisches Element zu erweitern und zugleich eine grüne Verbindung zwischen den innerstädtischen Naturflächen zu schaffen. „Die Einbindung des Rostocker Werks in unser städtisches Erholungsgebiet ist ein Gewinn für die Bürger – hier treffen Geschichte und Natur aufeinander“, betonte ein Sprecher der Stadtverwaltung.

Natur trifft Geschichte
Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten wurde das Gelände bereits einer genauen Prüfung unterzogen. Die Abteilung Forsten des Amtes für stadtwirtschaftliche Dienste kümmerte sich um die Sicherheit und den ökologischen Zustand des Areals. Zahlreiche Eschen, deren Rinde bereits die Spuren des verheerenden Eschensterbens aufwies, mussten gefällt werden. Auch andere absturzgefährdete und kranke Gehölze wurden entfernt, um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. Dabei wurden jedoch schützenswerte Habitatbäume – Lebensräume für Vögel, Käfer und Fledermäuse – belassen.

Aus einem vormals undurchdringlichen Brombeerdickicht entstand inzwischen eine neue Pflanzfläche, auf der über 400 Bäume stehen. Ein besonderes Highlight des Projekts ist die geplante Pflanzung von rund 100 Küstenmammutbäumen – den größten Bäumen der Welt. Diese Baumriesen sollen inmitten der jahrhundertealten Anlage wachsen und dem Areal eine imposante, grüne Kulisse verleihen.

Historische Bedeutung und städtebauliche Weitsicht
Das Rostocker Werk diente ursprünglich als Verteidigungsbau, um die Zufahrtsstraße nach Barth und eine einstige Kleinbahn zu schützen. Neben Kanonenstellungen beherbergte die Anlage auch kleine Blockhäuser und Brunnen, die den Truppen als Rückzugsorte dienten. Mit dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges und der offiziellen Aufhebung der Festungsstellung Stralsunds in den 1870er Jahren verlor die Anlage rasch an militärischer Bedeutung. Bis zuletzt diente sie als Ausbildungsort für Jagdhunde, bevor sie – im Volksmund als Försterberge bekannt – der Natur überlassen wurde.

Stralsund zählt zu den wenigen norddeutschen Städten, die ihre historischen Forts bewahren konnten. Alle erhaltenen Anlagen, als Bau- und Bodendenkmale geschützt, zeugen von der militärischen und städtebaulichen Geschichte der Region.

Die Integration des historischen Forts in das Grüne Band ist nicht nur ein Schritt zur Verbesserung der städtischen Erholungsräume, sondern auch ein gelungener Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft. Durch die Verbindung von Natur, Geschichte und moderner Stadtplanung wird der ehemalige Ort zu einem lebendigen Zeugnis der regionalen Identität und zu einem attraktiven Anziehungspunkt für Bewohner und Besucher gleichermaßen.

Geboren im Osten – Zwischen Trauma, Klischees und Identität

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Räckelwitz/Sachsen. Für Lukas Rietschel, geboren 1994 in der ostdeutschen Kleinstadt Räckelwitz bei Kamenz, ist der Osten mehr als nur eine geografische Angabe. Als „Nachgeborener“ einer Generation, die von den Erinnerungen und Schicksalen der DDR-Eltern geprägt wurde, trägt er ein kollektives Erbe in sich, das sich nicht einfach abschütteln lässt.

Die Last der Vergangenheit
Lukas wuchs in einem Umfeld auf, in dem das Schweigen über das, was vor und nach der Wende geschah, fast schon zur Normalität wurde. Schon früh bemerkte er, dass seine Eltern und deren Freunde mehr unausgesprochene Geschichten mit sich trugen, als sie preisgeben wollten. „Irgendwas stimmt nicht“, erinnert er sich an seine Kindheit – ein Gefühl, das ihn nie losließ. Dieses kollektive Trauma, das die Generation seiner Eltern prägte, wirkt noch heute in den Alltagserfahrungen vieler Menschen im Osten nach. Es zeigt sich in den leisen Gesprächen, den unausgesprochenen Schmerzen und dem ständigen Versuch, den Bruch zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu überbrücken.

Konfrontation mit Vorurteilen im Westen
Sein Weg führte Lukas später nach Kassel, wo er im Studium erstmals mit den oft simplifizierenden Klischees und Vorurteilen westdeutscher Mitbürger konfrontiert wurde. Die Begegnungen – sei es beim alltäglichen Einkauf oder in gesellschaftlichen Diskussionen – machten ihm schmerzhaft bewusst, dass die Wahrnehmung des Ostens häufig von überholten Bildern bestimmt wird. Anstatt sich anzupassen, entschied er sich, diesen Stereotypen augenzwinkernd zu begegnen. Mit einem übertriebenen sächsischen Dialekt, der fast als Karikatur des Ostbildes galt, machte er den Spruch „Ihr wollt das Klischee, ihr kriegt das Klischee“ zum Ausdruck seiner Frustration.

Literarisches Vermächtnis als Spiegel der Gesellschaft
Als Schriftsteller verarbeitet Lukas Rietschel in seinen Romanen nicht nur seine persönlichen Erlebnisse, sondern auch die strukturellen Brüche und politischen Herausforderungen, die aus der Wendezeit resultierten. Seine Werke sind ein Appell an die Aufarbeitung – sowohl für die ältere Generation, die die Wende erlebt hat, als auch für die Nachkommen, die sich zwischen den Welten bewegen. Er fordert dazu auf, nicht länger in den Scherben der Vergangenheit zu verharren, sondern den Dialog zu suchen, um gemeinsam neue Wege für ein harmonisches Zusammenleben zu finden.

Die Vision einer vielfältigen Gesellschaft
Lukas Rietschels Überlegungen gehen über die rein persönliche Betroffenheit hinaus. Er hinterfragt das traditionelle Narrativ der Wiedervereinigung, das oft eine homogene Gesellschaft suggeriert. Für ihn besteht die ideale Zukunft nicht darin, dass der Osten eines Tages dem Westen nacheifert, sondern in einer Gesellschaft, die sich aus vielen verschiedenen kulturellen und sozialen Gemeinschaften zusammensetzt. Dabei ist es essenziell, die Stimmen aller Generationen zu hören und den schmerzhaften Dialog der Vergangenheit zu führen, um die Wunden der Geschichte zu heilen.

Ein Weg der Hoffnung und des Wandels
Die Erzählungen von Lukas Rietschel sind nicht nur ein Spiegelbild der ostdeutschen Geschichte, sondern auch ein Aufruf zum Handeln. Trotz der tief sitzenden Verletzungen der Vergangenheit glaubt er daran, dass es möglich ist, aus den Trümmern eine neue, vielfältige Gesellschaft zu formen – eine Gesellschaft, in der nicht nur die Geschichten der Schmerzen, sondern auch die der Hoffnung und des Miteinanders erzählt werden.

In einer Zeit, in der politische Rhetorik oft in Schubladendenken verhaftet ist, zeigt Lukas Rietschel eindrucksvoll, wie wichtig es ist, den Dialog zu fördern und die Brüche der Geschichte als Chance für einen Neuanfang zu begreifen.

Dieser Beitrag beleuchtet die persönlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich eine Generation zwischen den Schatten der DDR und den Vorurteilen des Westens gegenübersieht – und öffnet den Blick für die Möglichkeit, aus der Vergangenheit eine Zukunft zu gestalten, die von Vielfalt und Miteinander geprägt ist.

Vom Mühlenteich zur Flaniermeile: Die Verwandlung des Pfaffenteichs in Schwerin

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Mitten im Herzen von Schwerin liegt ein Gewässer, das nicht nur als malerischer Anziehungspunkt dient, sondern auch eine bewegte Geschichte hat: der Pfaffenteich. Was heute eine beliebte Flaniermeile und städtische Oase ist, war einst Teil eines ausgeklügelten Verteidigungssystems und diente sogar der Energiegewinnung. Die Entwicklung des Pfaffenteichs spiegelt die Geschichte Schwerins wider – von den mittelalterlichen Anfängen bis hin zur modernen Stadtgestaltung.

Von der Bucht zum Stadtteich
Vor der Stadtgründung war der heutige Pfaffenteich eine langgestreckte Bucht des Ziegelsees. Mit dem Bau des Spieltordamms im 12. Jahrhundert wurde diese Bucht abgetrennt, um den Wasserspiegel zu regulieren und Mühlen zu betreiben. Gleichzeitig diente der neu geschaffene Fließgraben, der den Pfaffenteich mit dem Burgsee verband, als natürliche Verteidigungslinie der aufstrebenden Stadt.

Seinen heutigen Namen erhielt der Teich früh in der Stadtgeschichte. Die Domherren – auch als „Pfaffen“ bekannt – besaßen hier Grundstücke mit Gärten, die direkt an das Wasser grenzten. Trotz seiner zentralen Lage blieb der Pfaffenteich über viele Jahrhunderte hinweg weitgehend unbebaut. Das sumpfige Ostufer sowie die Sicherheitsbedenken in kriegerischen Zeiten hielten eine intensive Bebauung zunächst zurück.

Die große Bauphase im 19. Jahrhundert
Ein Wendepunkt kam mit der Rückverlegung der großherzoglichen Residenz nach Schwerin im Jahr 1837. Neben dem prunkvollen Schloss wurden zahlreiche Verwaltungs- und Wohngebäude errichtet. Besonders die Westseite des Pfaffenteichs wurde zur repräsentativen Bauzone: Die Alexandrinenstraße entstand, gesäumt von einer Lindenallee, und das Arsenal, ein imposantes Militärgebäude, wurde errichtet. Damit begann die Entwicklung der Paulsstadt, eines neuen Stadtviertels.

Parallel dazu wurde der Fließgraben, der den Pfaffenteich mit dem Burgsee verband, überwölbt. Auf diesem neu geschaffenen Areal entstand die Mecklenburgstraße – bis heute eine der wichtigsten Achsen Schwerins.

Die Bebauung des Ostufers folgte erst ab 1860. Da der Boden hier extrem sumpfig war, musste viel Erdreich aufgeschüttet werden. Dieser Prozess zog sich über Jahrzehnte hin. Erst 1890 war die heutige August-Bebel-Straße vollständig bebaut. Der nächste Meilenstein war der Bau des Elektrizitätswerks im Jahr 1904, das die Stadt mit Energie versorgte. Die Umbauung des Pfaffenteichs fand mit dem Bau des Stadtbads in den 1920er-Jahren ihren Abschluss.

Zwischen Idylle und Gestank: Die Schattenseiten des Pfaffenteichs
So idyllisch der Pfaffenteich heute anmutet, brachte das Wohnen am Wasser im 19. Jahrhundert erhebliche Probleme mit sich. Bis 1890 existierte keine Abwasserkanalisation, sodass Haushaltsabwässer direkt in den Teich geleitet wurden. Zeitgenössische Berichte sprechen von einer unerträglichen Geruchsbelästigung. Erst mit dem Bau eines modernen Abwassersystems verbesserte sich die Situation.

Auch die politische Geschichte Schwerins hinterließ ihre Spuren am Pfaffenteich. In den 1960er-Jahren erhielt das Südufer eine DDR-typische Gestaltung. Ein Zaun blockierte den Zugang zum Wasser, was den einstigen Flaniercharakter stark einschränkte.

Neugestaltung nach der Wende
Mit dem politischen Umbruch der 1990er-Jahre begann eine neue Phase der Stadtentwicklung. Ziel war es, die historische Struktur zu bewahren und gleichzeitig die Stadt wieder erlebbarer zu machen. Die Neugestaltung des Pfaffenteichs spielte dabei eine zentrale Rolle.

Eines der Hauptanliegen war es, den Zugang zum Wasser wiederherzustellen. Nach vielen Diskussionen setzte sich die Idee einer Treppe durch, die direkt ins Wasser führt. Dabei mussten bautechnische Herausforderungen gemeistert werden, da der Untergrund durch die ehemalige Fließgrabenlage extrem instabil war. Die Lösung: eine auf Pfählen gelagerte Stahlkonstruktion, auf der die Natursteinblöcke ruhen. Ergänzt wurde dies durch eine Plattform, die leicht ins Wasser ragt.

Doch nicht nur das Südufer wurde umgestaltet. Die gesamte Uferlinie des Pfaffenteichs wurde saniert, um die historische Bauweise zu erhalten und Erosionsschäden zu verhindern. Auch das Ostufer erhielt eine Aufwertung: Die Terrasse mit dem Schliemann-Denkmal wurde neu gestaltet, sodass Besucher dort geschützt in der Abendsonne verweilen können.

Vom Streitobjekt zur Erfolgsgeschichte
Wie jede große Umgestaltung rief auch die Neugestaltung des Pfaffenteichs anfangs Skepsis hervor. Während einige Bewohner den offenen Charakter der neuen Promenade lobten, befürchteten andere, dass moderne Elemente nicht ins Stadtbild passen würden. Doch mit den Jahren wandelte sich die Wahrnehmung. Heute sind die Treppen am Südufer ein beliebter Treffpunkt, vor allem bei jungen Menschen.

Die Neugestaltung des Pfaffenteichs war nicht nur eine bauliche, sondern auch eine gesellschaftliche Entscheidung. Sie zeigt, wie sich Schwerin von einer einst verschlossenen Stadt zu einer offenen und lebenswerten Metropole entwickelt hat. Das Wasser ist zurück im Stadtbild – und mit ihm ein Stück Schweriner Identität.

Mit seiner einzigartigen Lage und Geschichte bleibt der Pfaffenteich ein Sinnbild für den Wandel Schwerins – vom mittelalterlichen Verteidigungsteich zur modernen Flaniermeile. Was einst eine funktionale Wasseranlage war, ist heute ein Ort der Begegnung, Entspannung und Inspiration.

Grundsteuerreform in Jena: Was bedeutet sie für die Bürger?

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Die Stadt Jena sieht sich derzeit mit einer Welle an Anfragen und Beschwerden konfrontiert: Der Versand der neuen Grundsteuerbescheide hat viele Eigentümer aufgeschreckt. Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche erklärte in einer aktuellen Mitteilung die Hintergründe der Reform und warum sich einige Steuerlasten drastisch verändert haben.

Warum eine Reform notwendig wurde
Die Reform der Grundsteuer geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 zurück. Die bisherige Berechnungsweise sei veraltet und nicht mehr gerecht, urteilten die Richter. Grundstücke wurden in Ostdeutschland seit fast 90 Jahren und in Westdeutschland seit Jahrzehnten nach alten Einheitswerten besteuert, ohne die veränderten Immobilienwerte zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber beschloss daraufhin 2019 eine Neuregelung, die nun seit dem 1. Januar 2025 greift.

Das neue Berechnungsmodell
Die Grundsteuer errechnet sich aus drei Faktoren:

  1. Grundsteuerwert – beeinflusst durch Grundstücksgröße, Bodenrichtwert und Nutzung (Wohn- oder Gewerbeimmobilie).
  2. Steuermesszahl – eine gesetzlich festgelegte Zahl, die sich an der Art des Gebäudes orientiert.
  3. Hebesatz – ein kommunaler Faktor, den die Stadt selbst festlegt.

Besonders der neu bewertete Grundsteuerwert hat starke Auswirkungen: Wohnimmobilien sind in den letzten Jahrzehnten deutlich im Wert gestiegen, Gewerbeimmobilien hingegen weniger. Die Konsequenz: Viele private Eigentümer zahlen nun deutlich mehr Steuern als zuvor.

Warum steigen manche Steuern so drastisch?

Obwohl die Stadt Jena betont, dass die Reform aufkommensneutral gestaltet wurde – also die Gesamtsteuereinnahmen nicht steigen sollen –, gibt es erhebliche Verschiebungen innerhalb der Gruppe der Steuerzahler. Manche Eigentümer profitieren von einer Senkung, andere erleben jedoch eine Verdopplung oder gar Verdreifachung ihrer Steuerlast.

Der Grund: Wer in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund veralteter Berechnungen zu wenig gezahlt hat, erfährt nun eine „nachholende Korrektur“. Besonders in begehrten Wohngegenden führt dies zu teils drastischen Erhöhungen.

Wie reagiert die Stadt?
Jena hat den kommunalen Hebesatz von 495 Prozent auf 400 Prozent gesenkt, um die Belastungen abzufedern. Dennoch sind viele Bürger unzufrieden. Der Oberbürgermeister verweist darauf, dass Einsprüche gegen die Bescheide an das zuständige Finanzamt gerichtet werden müssen.

Ausblick: Gibt es noch Anpassungen?
Die neue thüringische Landesregierung plant Anpassungen, um die starke Belastung für Wohnimmobilien zu dämpfen. Diese Gesetzesänderungen könnten aber erst 2026 oder 2027 wirksam werden.

Für betroffene Eigentümer bedeutet das: Die derzeitige Steuerlast bleibt bestehen, aber künftige Anpassungen könnten Erleichterung bringen. Wer mehr Informationen sucht, findet Antworten im offiziellen FAQ der Stadt unter service.jena.de/Grundsteuer-Auskünfte.

Elektronische Bezahlkarte für Asylsuchende in Dresden gestartet

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Dresden/Sachsen. In dieser Woche hat die Landesdirektion Sachsen erstmals Geflüchtete mit elektronischer Bezahlkarte nach Dresden zugewiesen. Damit ist die Einführung der Bezahlkarte im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes jetzt auch in der Landeshauptstadt offiziell vollzogen. Die Inhaberinnen und Inhaber der Karten können damit ab sofort in Dresden bezahlen.

Funktion wie eine Geldkarte
Mit der Bezahlkarte steht Geflüchteten ein modernes Zahlungsmittel zur Verfügung, mit dem sie sich mit Waren und Dienstleistungen versorgen können. Die Bezahlkarte ist eine guthabenbasierte Debitkarte, die entweder als physische Karte oder mittels App auf dem Smartphone genutzt werden kann. Die Karte nutzt die Infrastruktur von Visa. Das bedeutet, dass die Karte im Netz der Visa Akzeptanzstellen eingesetzt werden kann. Aktuell umfasst das Netz deutschlandweit mehr als 15.000 Geschäfte. Dort kann – wie an Geldautomaten – ebenfalls Bargeld abgehoben werden. Der abzuhebende Barbetrag ist auf 50 Euro pro Person und Monat begrenzt. Der Betrag gilt sowohl für Kinder und als auch für Erwachsene.

Sicheres und zeitgemäßes Zahlungsmittel
Karteninhaberinnen und Karteninhaber können mittels App oder via Online-Portal ihre Umsätze einsehen. Die Karte bietet zudem eine Umzugsfunktion, kann also von einer Behörde zu einer neuen zuständigen Behörde mitgenommen werden. Bei Verlust kann die Karte schnell gesperrt werden. Dies gewährleistet ein hohes Maß an Flexibilität und Sicherheit. Außerdem wird großer Wert auf Datenschutz gelegt. Eine sogenannte Whitelist definiert, wofür die Bezahlkarte eingesetzt werden kann. Nicht eingesetzt werden kann die Karte im Ausland und für Geldtransfers ins Ausland, sexuelle Dienstleistungen und Glücksspiel. Die Bezahlkarte kann nur genutzt werden, solange ausreichend Budget vorhanden ist – das vermeidet Schulden und Überziehungszinsen.

Bundesweites Projekt
Die Bezahlkarte ist ein bundesweites Leuchtturmprojekt in der Digital- und Migrationspolitik. Es soll Behörden von Bargeldauszahlungen entlasten, die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben und Transfers von Geld ins Ausland unterbinden. Den Startschuss hatten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten im November 2023 gegeben. Insgesamt 14 Bundesländer kooperieren in dem Projekt. Der Einführung der Bezahlkarte ging ein europaweites Vergabeverfahren voraus. Den Zuschlag erhielt die Firma secupay AG aus Pulsnitz als Auftragnehmerin, die mit weiteren Partnern in der Bezahlkartenlösung kooperiert.

Die Stadtverwaltung hatte in den vergangenen Monaten die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Implementierung der deutschlandweit einheitlichen Bezahlkarte geschaffen. Die Kosten für die Einführung und den Betrieb der Bezahlkarte in Sachsen trägt der Freistaat. Die Ausgabe der Bezahlkarten für neuzugewiesene Geflüchtete übernimmt die Landesdirektion Sachsen.

Triumph des Willens – Filmpropaganda als Instrument der Macht im NS-Regime

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Am 28. März 1935 fand im Berliner Uferpalast ein Ereignis statt, das weit über eine reine Filmvorführung hinausging: die Uraufführung von Leni Riefenstahls NS-Propagandafilm Triumph des Willens. Unter Anwesenheit Hitlers wurde der Reichsparteitag der Nationalsozialisten in Nürnberg festgehalten – ein Film, der bis heute als Paradebeispiel für die Macht der filmischen Inszenierung gilt. Riefenstahl verstand es, durch innovative Kamerafahrten, dramatische Perspektiven und eine minutiös choreografierte Bildsprache den Führer in ein fast mythisches Licht zu rücken. Die filmische Darstellung verband Ästhetik und Propaganda so, dass sie das Bild einer geeinten Nation unter der starken Hand Hitlers vermittelte.

Der Film wirkte wie ein visuelles Manifest politischer Macht: Er inszenierte nicht nur den Parteitag, sondern schuf eine Ideologie, in der Partei, Volk und Führer als untrennbare Einheit dargestellt wurden. Durch technische Raffinessen und kunstvolle Bildkompositionen wurde Hitlers Präsenz nahezu übernatürlich aufgeladen – ein Instrument, das den Nationalsozialismus in den Augen vieler als unumstößliche Wahrheit erscheinen ließ. Dabei bleibt nicht zu vergessen, dass diese glanzvolle Inszenierung zugleich die düstere Realität eines Regimes verbarg, das durch Terror, Gewalt und Unterdrückung geprägt war.

Heute ist Triumph des Willens ein Mahnmal und zugleich ein Lehrstück für die mediale Manipulation. Historiker, Medienwissenschaftler und Kunstkritiker analysieren den Film nicht nur wegen seiner ästhetischen Innovationen, sondern auch wegen seiner ideologischen Wirkung. Der Film zeigt eindrücklich, wie audiovisuelle Medien zur Instrumentalisierung politischer Botschaften eingesetzt werden können – ein Phänomen, das auch in der heutigen Zeit in anderen Kontexten immer wieder zu beobachten ist. Die Auseinandersetzung mit diesem Film fordert dazu auf, die Wirkung von Bild und Inszenierung kritisch zu hinterfragen.

In einer Ära, in der visuelle Medien einen zentralen Platz in der politischen Kommunikation einnehmen, erinnert Triumph des Willens daran, wie gefährlich die Verquickung von Kunst und Propaganda sein kann. Die Reflexion über diesen Film macht deutlich, dass die Schönheit der Technik nicht über die Brutalität eines Regimes hinwegtäuschen darf – vielmehr sollte sie stets Anlass sein, wachsam gegenüber manipulativen Strategien zu bleiben und die Bedeutung von freier, kritischer Medienkompetenz zu erkennen.

Ein Blick in die Vergangenheit: Ulrike Poppe über den Runden Tisch der DDR

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In einem mittlerweile vergangenen Gespräch schilderte Ulrike Poppe eindrucksvoll die Verdienste und Herausforderungen des Runden Tisches der DDR. Dabei wurde deutlich, wie sehr die damaligen politischen Akteure um einen geordneten Übergang bemüht waren und welche Rolle die Transparenz in diesem Prozess spielte.

Ein historisches Gremium im Spiegel der Zeit
Poppe erinnerte daran, dass es der bewussten Entscheidung der Opposition entsprach, nicht überstürzt die Macht zu ergreifen. Stattdessen wurde ein Runder Tisch ins Leben gerufen – ein politisches Forum, das darauf abzielte, die Legitimation der bisherigen Volkskammer zu kompensieren und in der Übergangszeit koordinierende Aufgaben zu übernehmen. In jenem Gespräch betonte sie, dass der Runden Tisch nicht nur die Vorbereitung der ersten freien, geheimen Wahlen zum Ziel hatte, sondern auch grundlegende Weichenstellungen wie die Entwicklung eines Wahlgesetzes, eines Parteien- und Vereinigungsgesetzes sowie einer Übergangsverfassung umfasste.

Transparenz und innere Konflikte
Der einstige Runde Tisch wurde zu einem Symbol für mehr Transparenz in der DDR-Politik. Poppe berichtete, wie Bürgerinnen und Bürger erstmals live verfolgen konnten, wie politische Entscheidungen debattiert und getroffen wurden – ein bedeutender Schritt in Richtung einer offenen und demokratischen Kultur. Gleichzeitig offenbarte das Gespräch, dass die Vielfalt der vertretenen Kräfte auch zu erheblichen Reibungen führte. Während etablierte Blockparteien mit umfassenden Strukturen agierten, mussten sich die neuen, teils unerfahrenen Oppositionsgruppen mit deutlich begrenzten Mitteln und oft improvisierten Arbeitsbedingungen zufriedengeben.

Erinnerungen an einen chaotischen, aber wegweisenden Dialog
Poppe erinnerte sich lebhaft daran, wie schwierig es war, die berechtigten Vertreter aus den unterschiedlichen Gruppierungen zu bestimmen. Die Diskussionen verliefen häufig chaotisch, da unterschiedliche Vorstellungen und Interessen aufeinandertrafen. Dennoch blieb der Grundgedanke klar: Der Wandel zur Demokratie sollte nicht über Nacht erfolgen, sondern in einem behutsamen, transparenten Prozess, in dem alle Beteiligten – ob groß oder klein – Gehör fanden.

Dieses vergangene Gespräch liefert wertvolle Einblicke in die Komplexität eines historischen Moments, der den Übergang von autoritärer Macht hin zu einer neuen, demokratischen Ordnung einleitete. Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die Ulrike Poppe damals teilte, erinnern uns daran, wie wichtig es ist, politische Transformationen mit Sorgfalt und Weitsicht zu gestalten. Auch wenn die Ereignisse nun lange zurückliegen, bleibt ihr Erbe – die Balance zwischen Ordnung und Freiheit – eine Mahnung an zukünftige Generationen, den demokratischen Prozess stets mit Offenheit und Verantwortungsbewusstsein zu führen.