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Zwischen Ikone und Provokateur – Der ostdeutsche Rapper FiNCH

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Inmitten eines industriellen Proberaums im Osten Berlins bereitet sich FiNCH, der mit bürgerlichem Namen Nils Wehowsky heißt, auf den nächsten Höhepunkt seiner Karriere vor. Der 34-Jährige, der in Fürstenwalde, Brandenburg, aufwuchs, hat sich längst als eine der schillerndsten Figuren der deutschen Musikszene etabliert. Mit seinem Mix aus Techno, Hip-Hop und Schlagerelementen und seinen selbstironischen Texten über den Osten hat er eine Jugendkultur geprägt, die ihn als Sprachrohr ihrer Identität sieht.

In diesem Sommer feiert FiNCH sein zehnjähriges Bühnenjubiläum mit einer großen Open-Air-Tour, die ihn in 19 Städte führt und ihn vor über 200.000 Fans auftreten lässt. Sein Höhepunkt: ein Konzert in der Berliner Wuhlheide, bei dem 17.000 Menschen nicht nur seine Musik, sondern auch den Osten selbst feiern.

Ein ostdeutscher David Hasselhoff
FiNCH nennt sich selbstironisch den „ostdeutschen Hasselhoff“ – eine Bezeichnung, die seine Rolle in der Kulturlandschaft treffend beschreibt. Mit Songs wie „Ostdeutschland bleibt stabil“ und „Dorfdisco“ hat er sich als Vertreter der ostdeutschen Jugend positioniert. Seine Texte sind laut, provokativ und oft humorvoll – ein Stil, der polarisiert, aber auch begeistert.

„Der Osten, ziemlich große Klappe, trotzdem familiär und menschlich. Der Osten, unsere Heimat, unser Leben, keiner will hier weg“, rappt FiNCH in einem seiner bekanntesten Tracks. Für viele junge Ostdeutsche ist er mehr als nur ein Musiker – er ist ein Botschafter ihrer Lebenswelt, ihrer Mentalität und ihrer Identität.

Die Anfänge: Von Dorfpartys zur Ikone
Geboren 1990, wuchs Nils Wehowsky zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung auf – eine Zeit des Umbruchs, die sein Weltbild prägte. In seiner Jugend stand er auf Dorfpartys und in kleinen Clubs hinter dem DJ-Pult, wo er erste Erfahrungen sammelte.

Der Durchbruch kam 2013, als er unter dem Pseudonym „FiNCH asozial“ begann, Songs auf YouTube zu veröffentlichen. Mit Titeln wie „Fliesentisch-Romantik“ schuf er eine einzigartige Mischung aus Techno, Hardstyle und Schlager, die anfangs belächelt, später jedoch gefeiert wurde.

FiNCH und die Jugendkultur des Ostens
FiNCH versteht es, die Mentalität des Ostens in seiner Musik zu verkörpern. Er spricht offen über seine Herkunft aus Brandenburg, die Herausforderungen, die mit dem Aufwachsen in Ostdeutschland verbunden sind, und den Stolz auf seine Heimat.

„Ich habe mich nie geschämt, aus dem Osten zu kommen“, sagt FiNCH in einem Interview. „Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, sage ich stolz: aus Brandenburg.“ Dieser Stolz auf seine Herkunft hat ihn zu einem Symbol für viele junge Ostdeutsche gemacht, die sich oft missverstanden oder marginalisiert fühlen.

Kunstfigur und Kritik
Doch FiNCH ist nicht unumstritten. Seine Texte werden von Kritikern oft als zu derb, sexistisch oder provokativ bezeichnet. Songs wie „Kleiner Hai“ oder „Herzpolizei“ spielen bewusst mit Klischees und bedienen sich eines Humors, der oft an der Grenze des guten Geschmacks liegt.

FiNCH selbst sieht seine Texte jedoch als Teil einer Kunstfigur, die nicht mit der Person Nils Wehowsky gleichzusetzen ist. „Ich bin privat nicht der Typ, der auf der Bühne den großen Macho spielt“, erklärt er. „FiNCH ist eine Rolle, die ich spiele – aber das bin nicht ich.“

Gesellschaftskritik zwischen den Zeilen
Trotz der provokanten Oberfläche versteckt FiNCH oft gesellschaftskritische Botschaften in seinen Liedern. In „Onkelzposter“, einem Song, den er gemeinsam mit Tarek von K.I.Z. aufgenommen hat, setzt er sich mit sozialen Problemen auseinander. Der Text erzählt die Geschichte eines Mannes, der in einem trostlosen Alltag zwischen Arbeitslosigkeit und Drogenmissbrauch gefangen ist.

„Der Song ist eine Art Spiegel“, erklärt FiNCH. „Viele meiner Fans erkennen sich darin wieder – und das ist auch der Punkt. Ich möchte nicht nur feiern, sondern auch zeigen, was schiefläuft.“

Zwischen links und rechts: FiNCHs politische Haltung
Seine Rolle als Sprachrohr für die ostdeutsche Jugend bringt FiNCH immer wieder in politische Diskussionen. Kritiker wie Jan Böhmermann und Olli Schulz haben ihn in ihrem Podcast „Fest und Flauschig“ mit der AfD in Verbindung gebracht – ein Vorwurf, den FiNCH vehement zurückweist.

„Ich bin weder links noch rechts – ich mache Musik“, sagt FiNCH. „Aber ich habe kein Problem damit, klar Stellung zu beziehen: Rassismus ist scheiße, egal wo er herkommt.“

Ein Video, in dem auf Sylt der Satz „Ausländer raus“ skandiert wird, nahm FiNCH zum Anlass, sich auf Instagram deutlich gegen Rassismus zu positionieren. „Das ist kein Problem des Ostens, das ist ein strukturelles Problem, das wir in ganz Deutschland haben“, betonte er.

Familienmensch und gereifter Künstler
Neben seiner Musik ist FiNCH auch ein Familienmensch. Als Vater einer Tochter hat er seine Prioritäten neu gesetzt. „Ich mache das nicht mehr nur für mich“, sagt er. „Ich denke heute viel bewusster darüber nach, was ich tue, und wie ich meine Zeit nutze.“

Diese Reife spiegelt sich auch in seiner Musik wider. Während seine frühen Songs vor allem auf Party und Exzess ausgelegt waren, findet sich in seinen neueren Werken eine reflektierte und nachdenkliche Seite.

Jubiläum und Zukunftspläne
FiNCHs Jubiläumstour markiert nicht nur einen Meilenstein in seiner Karriere, sondern auch den Beginn eines neuen Kapitels. Schon jetzt kündigt er eine noch größere Arena-Tour für das kommende Jahr an, bei der er vor Zehntausenden Fans auftreten will.

„Ich möchte meinen Fans eine geile Show bieten“, sagt FiNCH. „Dieser Sommer wird vielleicht der schönste meines Lebens – aber sicher auch der anstrengendste.“

Ein Botschafter für den Osten
FiNCHs Erfolg zeigt, dass es möglich ist, mit Stolz auf die eigene Herkunft eine breite Zielgruppe zu erreichen. Für viele junge Ostdeutsche ist er ein Vorbild – nicht, weil er perfekt ist, sondern weil er authentisch ist.

Mit seinem Mix aus Humor, Gesellschaftskritik und Musik hat FiNCH eine Nische geschaffen, die ihn einzigartig macht. Er ist mehr als nur ein Musiker – er ist ein Botschafter für den Osten und ein Symbol für die Stärke einer Jugendkultur, die trotz aller Widrigkeiten ihren eigenen Weg geht.

Der Arbeitsalltag in der DDR – Zwischen Ideologie, Pflicht und Realität

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Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war ein sozialistischer Staat, der von 1949 bis 1990 existierte und in dem Arbeit nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern auch ein ideologisches Konzept war. Die zentral gesteuerte Planwirtschaft und die sozialistische Ideologie prägten den Arbeitsalltag der Menschen, und Arbeit galt als eine der höchsten Pflichten der Bürger. In diesem Bericht werfen wir einen genaueren Blick auf die Organisation des Arbeitslebens in der DDR, die Bedeutung der Arbeit für die Menschen, die sozialen und politischen Implikationen sowie die Herausforderungen und Widersprüche, die diese Arbeitswelt mit sich brachte.

Die Ideologie und das Konzept der Arbeit in der DDR
In der DDR war Arbeit ein zentraler Bestandteil der sozialistischen Ideologie. Sie galt als Mittel zum Zweck des Aufbaus des Sozialismus und der Schaffung einer gerechten Gesellschaft. Die Arbeiter und Arbeiterinnen wurden als die tragenden Säulen des Staates angesehen, und ihre Tätigkeit war untrennbar mit der staatlichen Verantwortung und der gesellschaftlichen Pflicht verbunden. In einem Arbeiter- und Bauernstaat war es nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht, zu arbeiten. Der Staat garantierte zwar allen Bürgern das Recht auf Arbeit, jedoch stand dahinter die klare Erwartung, dass jeder seinen Beitrag zur sozialistischen Wirtschaft leisten sollte.

Arbeit in der DDR war nicht nur ein ökonomischer Aspekt, sondern auch ein moralischer. Sie wurde als elementarer Bestandteil der Erziehung zum sozialistischen Menschen betrachtet. In der Theorie gab es keine Arbeitslosigkeit, und der Staat garantierte, dass jeder Arbeit fand – zumindest theoretisch. Die Realität sah jedoch oft anders aus. Die Arbeitswelt war von der zentralen Planwirtschaft geprägt, die eine starre Organisation der Arbeitskraft zur Folge hatte. Die Regierung plante im Voraus, welche Branchen wie viele Arbeiter benötigten, und versuchte, alle Menschen entsprechend ihrer Fähigkeiten in das System einzuordnen. Doch in der Praxis führte dies oft zu einer ineffizienten Verteilung der Arbeitskräfte und einem Mangel an Flexibilität.

Die Bedeutung von Arbeit für das individuelle Leben
Arbeit war nicht nur eine gesellschaftliche Pflicht, sondern hatte auch einen sehr persönlichen Stellenwert. Der Arbeitsplatz war oft der einzige Ort, an dem die Menschen in der DDR soziale Anerkennung fanden und Teil einer Gemeinschaft waren. Viele DDR-Bürger identifizierten sich stark mit ihrem Beruf und ihrem Betrieb, was zu einem tiefen Gefühl von Stolz führte. Dieser Stolz wurde von der Gesellschaft erwartet und war Teil des sozialistischen Selbstverständnisses.

In der DDR wurde die Bedeutung der Arbeit auch durch die Organisation des Arbeitsalltags betont. Viele Betriebe und Fabriken boten ihren Beschäftigten verschiedene soziale Leistungen, um die Arbeit attraktiver zu machen. Betriebsferienheime, Sportgemeinschaften und poliklinische Einrichtungen waren in vielen großen Unternehmen alltäglich. Das Arbeitsumfeld war so gestaltet, dass es den Mitarbeitern das Gefühl vermittelte, Teil eines größeren, kollektivistischen Projekts zu sein. Dieser Gemeinschaftssinn wurde durch das Konzept der „Brigaden“ gestärkt, in denen die Mitarbeiter eng zusammenarbeiteten und sich nicht nur im beruflichen, sondern auch im sozialen Leben unterstützten.

Die Idee der „Brigade“ spiegelte das sozialistische Ideal der kollektiven Zusammenarbeit wider. In der Theorie war es das Ziel, dass jeder Mensch seine Fähigkeiten im Kollektiv am besten entfalten konnte. Es ging darum, sich gegenseitig zu unterstützen und in enger Zusammenarbeit die Aufgaben des Staates zu erfüllen. In der Praxis jedoch führte dies zu einer Mischung aus echter Solidarität und sozialem Druck, da jeder, der sich nicht an das Kollektiv hielt, als „asozial“ galt.

Doch trotz der vielen positiven Aspekte, die der sozialistische Staat versuchte, zu fördern, blieb die Realität der Arbeitswelt oft von Problemen geprägt. Die Planwirtschaft führte dazu, dass die Arbeitsbedingungen in vielen Betrieben nicht den modernen Standards entsprachen. Technische Innovationen blieben aus, da viele Industrien mit veralteten Maschinen arbeiteten und die Produktivität hinter den Erwartungen zurückblieb.

Der Mythos der Vollbeschäftigung
Ein zentrales Element der DDR-Politik war die Vollbeschäftigung. Es wurde immer wieder betont, dass die DDR ein Land ohne Arbeitslosigkeit sei. Der Staat garantierte jedem Bürger Arbeit, und die Arbeitslosigkeit wurde als „Fehler des kapitalistischen Systems“ dargestellt. Doch die Realität war oft eine andere. In vielen Betrieben gab es so viele Arbeitskräfte, dass die Mitarbeiter nicht immer produktiv beschäftigt werden konnten. Auch wenn der Staat die Arbeitslosigkeit offiziell mit Zahlen unterdrückte, war sie in vielen Fällen „arbeitslos am Arbeitsplatz“. Es gab viele Angestellte, deren Tätigkeiten nicht wirklich notwendig waren, und viele Betriebe hatten eine Überbesetzung, was zu Ineffizienzen und unnötigen Kosten führte.

Ein weiteres Problem war die geringe Arbeitsproduktivität im Vergleich zu westlichen Industriestaaten. Dies lag nicht nur an den veralteten Maschinen und fehlendem Kapital, sondern auch an der starrem Planwirtschaft, die wenig Raum für Innovationen ließ. Die Pläne wurden von oben diktiert, und jeder Betrieb musste sich an diese Vorgaben halten, unabhängig davon, ob sie realistisch oder wirtschaftlich sinnvoll waren. Dies führte zu wiederholten Fehlinvestitionen und Ineffizienzen, die das gesamte System belasteten.

Doch trotz dieser Mängel blieb das Bild der Vollbeschäftigung in der DDR ein starkes politisches Argument. Die Menschen hatten theoretisch das Recht auf Arbeit, aber die Realität war oft von Frustration und Enttäuschung geprägt, vor allem in den Bereichen, die unter der zentralen Planung litten.

Der Arbeitsalltag der Menschen
Der Arbeitsalltag in der DDR war lang und geprägt von einer Vielzahl von Einschränkungen. Die durchschnittliche Arbeitszeit lag bei etwa 43,5 Stunden pro Woche, was mehr war als die 40-Stunden-Woche, die in der Bundesrepublik Deutschland angestrebt wurde. Doch trotz dieser langen Arbeitszeiten war der Arbeitsalltag nicht immer von der erhofften Produktivität geprägt. Viele Menschen mussten unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten, ohne dass eine angemessene Entlohnung oder Aufstiegsmöglichkeiten vorhanden waren.

Ein Beispiel für diese Bedingungen bietet das Leben der Textilarbeiterin Ingrid Schöneck, die gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in ihrer Weberei ankämpfte. Sie kämpfte mit schlechten Löhnen, unzureichender Ausstattung und einer insgesamt schlechten Arbeitsumgebung. Doch trotz ihrer Beschwerden wurde sie immer wieder vertröstet und musste auf den nächsten Fünfjahresplan warten, der versprechen sollte, die Situation zu verbessern – was jedoch häufig nie geschah.

In vielen Betrieben war die Qualität der Arbeit nicht ausreichend, da die Produktionsmethoden veraltet waren und es an modernen Maschinen und Materialien mangelte. Viele DDR-Bürger mussten mit alten Maschinen arbeiten, die nicht mehr effizient waren und die Qualität der Produkte beeinträchtigten. Ein Beispiel dafür waren die Produktionsstätten im Bereich der Stahlindustrie, wo die Arbeiter mit veralteten Maschinen kämpften und die Produktionsziele oft nicht erreicht wurden. Der Mangel an modernen Technologien und Ressourcen führte dazu, dass die DDR-Industrie in vielen Bereichen hinter den westlichen Industrieländern zurückblieb.

Der Wandel nach 1990: Der Zusammenbruch der Planwirtschaft
Mit dem Mauerfall und dem Ende der DDR 1990 begann ein tiefgreifender Wandel in der Arbeitswelt. Die sozialistische Planwirtschaft wurde durch eine marktwirtschaftliche Ordnung ersetzt, was zu einer massiven Umstrukturierung der Betriebe führte. Die Treuhandanstalt, die mit der Privatisierung der volkseigenen Betriebe beauftragt wurde, übernahm die Kontrolle über mehr als 8.000 Betriebe und 200 Kombinate. In den folgenden Jahren kam es zu einer weitreichenden Schließung von Unternehmen, einer massiven Arbeitslosigkeit und einer Umstrukturierung des gesamten Arbeitsmarktes.

Viele Menschen, die ihr Leben lang in der DDR gearbeitet hatten, fanden sich plötzlich ohne Arbeit wieder. Der Begriff „Arbeitslosigkeit“ war in der DDR weitgehend unbekannt, und viele Menschen konnten mit der neuen Realität der Arbeitslosigkeit nicht umgehen. Der Verlust des Arbeitsplatzes bedeutete nicht nur finanzielle Unsicherheit, sondern auch den Verlust einer sozialen Identität, die stark mit der Arbeit in der sozialistischen Wirtschaft verknüpft war.

Ein Beispiel für diese Umwälzungen ist das Schicksal der Mitarbeiter von Pentagon, einem früheren Vorzeigebetrieb der DDR, der nach der Währungsunion 1990 große Verluste machte und letztlich stillgelegt wurde. Tausende von Menschen verloren ihre Arbeit, und die soziale und wirtschaftliche Unsicherheit stieg.

Der Arbeitsalltag in der DDR als Spiegel der Gesellschaft
Der Arbeitsalltag in der DDR war stark von der sozialistischen Ideologie und der zentralen Planwirtschaft geprägt. Arbeit galt als Pflicht, aber auch als Chance, Teil eines größeren gesellschaftlichen Projekts zu sein. Doch die Realität war von zahlreichen Problemen und Widersprüchen geprägt. Die starre Planwirtschaft führte zu Ineffizienzen, die Qualität der Arbeit war oft unzureichend, und der Mythos der Vollbeschäftigung hielt nicht, was er versprach. Die Umstellung auf die Marktwirtschaft nach 1990 brachte weitere Herausforderungen mit sich, insbesondere in Form von Arbeitslosigkeit und sozialer Unsicherheit.

Die Geschichte der Arbeit in der DDR zeigt, wie sehr die Arbeitswelt mit der politischen und sozialen Struktur eines Landes verbunden ist. Sie verdeutlicht die Herausforderungen eines Systems, das sowohl die individuellen Bedürfnisse der Menschen als auch die wirtschaftlichen Realitäten oft nicht ausreichend berücksichtigen konnte.

Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025: Der Wandel einer Industriestadt

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Die Entscheidung, Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025 zu ernennen, ist ein Meilenstein für die Stadt und ihre Region. Chemnitz setzte sich gegen namhafte Konkurrenten wie Dresden, Zittau, Nürnberg und Hannover durch. Diese Auszeichnung markiert nicht nur einen kulturellen Erfolg, sondern auch den Beginn eines tiefgreifenden Imagewandels von der Industriestadt hin zu einer kreativen und weltoffenen Metropole.

Mit einem Fokus auf ungewöhnliche Kunstprojekte, innovativen Ideen und der Einbindung der Bürgerinnen und Bürger hat Chemnitz bewiesen, dass es die Vielfalt Europas repräsentieren kann. Besonders spannend ist, wie die Stadt mit ihrer Vergangenheit umgeht und gleichzeitig eine Vision für die Zukunft entwickelt.

Mutige Kunstprojekte: Die kreativen Ideen hinter der Bewerbung
Im Mittelpunkt der Chemnitzer Bewerbung stehen mutige und kreative Kunstprojekte, die die industrielle Geschichte der Stadt reflektieren und gleichzeitig einen neuen kulturellen Ansatz wagen. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte „Bazillenröhre“, ein ehemaliger Luftschutzbunker, der zu einem einzigartigen Ausstellungsraum umfunktioniert wurde. Auch ein im Schlossteich versunkenes Auto als Kunstinstallation sowie eine Skulptur, die den Darm von Karl Marx darstellt, verdeutlichen den spielerischen Umgang mit Chemnitzer Identität und Geschichte.

Diese Projekte sind nicht nur symbolisch, sondern ziehen auch nationale und internationale Aufmerksamkeit auf sich. Sie stellen die Stadt in einem neuen Licht dar, indem sie bestehende Klischees brechen und zeigen, wie kreativ und innovativ Chemnitz ist.

Das Fritz-Heckert-Gebiet: Vom Plattenbau zur Kulturattraktion
Eine besondere Rolle im Wandel der Stadt spielt das Fritz-Heckert-Wohngebiet, eine der größten Plattenbausiedlungen Deutschlands. Mit einer Straßenlänge von insgesamt 52 Kilometern und einer einstigen Bevölkerung von bis zu 92.000 Menschen ist es ein beeindruckendes Beispiel für den sozialistischen Wohnungsbau. Heute wird das Gebiet durch Touren, Musikfestivals und Kunstaktionen wiederbelebt.

Zu den kreativen Projekten gehört der „Chemnitzer Platte“-Keks, der an die ikonische Architektur des Viertels erinnert. Auch ein Bolzplatz, der nach Michael Ballack benannt werden soll, unterstreicht die Bedeutung dieses Viertels für die Stadtgeschichte. Besucherinnen und Besucher können bei organisierten Touren die Dimension und die Geschichten des Fritz-Heckert-Gebiets entdecken und verstehen, wie dieses Viertel ein Symbol für den Wandel Chemnitz’ geworden ist.

Sport als Brücke: Tradition und Gemeinschaft in Chemnitz
Sport ist ein wesentlicher Bestandteil der Chemnitzer Kultur und wurde geschickt in die Bewerbung integriert. Die Tradition der Internationalen Friedensfahrt, einem bekannten Radsportereignis, wird mit dem European Peace Ride wiederbelebt. Anders als klassische Rennen steht hier das gemeinsame Ankommen und das friedliche Miteinander im Vordergrund.

Der European Peace Ride führt über 570 Kilometer durch drei Länder und wird von 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern absolviert. Das Eissportzentrum Chemnitz, ein zentraler Ort für viele sportliche Ereignisse, dient als Zielpunkt dieser besonderen Veranstaltung. Auch die Bedeutung des Radsports für die Region wird so erneut hervorgehoben, denn bereits bei der Bewerbung spielte das Fahrrad eine wichtige Rolle.

Purple Path und Hashtag 3000 Garagen: Kunst im öffentlichen Raum
Ein weiteres Highlight der Kulturhauptstadt 2025 ist der Purple Path, ein 14 Kilometer langer Kunst- und Skulpturenweg, der durch 38 Gemeinden rund um Chemnitz führt. Dieser Pfad verbindet Kunstwerke wie die „Modified Social Bench“ in Jahnsdorf und kulturelle Einrichtungen miteinander. In Jahnsdorf wird zudem eine Heuscheune aus Bayern wiederaufgebaut, die als Veranstaltungsort für kulturelle Ereignisse dient.

Das Projekt „Hashtag 3000 Garagen“ ist ebenso innovativ wie symbolisch. Hier werden Erinnerungsstücke aus privaten Garagen gesammelt und präsentiert, um sie in lebendige Archive und kreative Begegnungsräume zu verwandeln. Geschichten der Menschen und ihre Objekte stehen dabei im Mittelpunkt. Eine Kunstinstallation namens „Ersatzteillager“ zeigt eindrucksvoll, wie sich das Alltagsleben der Menschen mit der Kultur verbindet.

Persönliche Geschichten: Chemnitz durch die Augen seiner Bewohner
Chemnitz wäre nicht das, was es ist, ohne die Menschen, die die Stadt geprägt haben. Im Video werden persönliche Geschichten und Erinnerungen präsentiert, die eine Verbindung zur Stadt herstellen. Eine Protagonistin erzählt, wie sie in der Reichenhainer Straße und im Stadtteil Bernsdorf aufgewachsen ist und viele Stunden im Eissportstadion verbracht hat. Nach ihrem ersten Olympiasieg erhielt sie eine Wohnung am Falkenplatz – ein wichtiger Meilenstein in ihrem Leben.

Auch andere prominente Chemnitzerinnen und Chemnitzer, wie die Schauspielerin Mai Suong-Gio, kommen zu Wort. Sie erinnert sich an ihre Kindheit in Chemnitz, wo sie Kung-Fu lernte, und betont, wie wichtig Offenheit und Stolz für die Zukunft der Stadt sind.

Kosmos Festival: Eine Plattform für Vielfalt und Integration
Das Kosmos Festival ist ein Symbol für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt in Chemnitz. Es wurde als Antwort auf die rechtsradikalen Ausschreitungen im Jahr 2018 ins Leben gerufen und bietet eine Plattform für Musik, Sport, Kunst und Diskussionen.

Ziel des Festivals ist es, Kulturschaffende und Bürgerinnen und Bürger zusammenzubringen und den Austausch zwischen verschiedenen Gruppen zu fördern. Besonders beeindruckend ist ein Fußballspiel, bei dem Teams unterschiedlicher kultureller Hintergründe gegeneinander antreten, um zu zeigen, dass Integration durch Sport funktionieren kann.

Kulinarik und Kreativität: Stadtteilschokoladen und Wettbewerbserfolge
Chemnitz versteht es, auch kulinarische Akzente zu setzen. Ein Wettbewerb namens „So schmeckt Kulturregion“ prämiert innovative Kreationen, die die Region repräsentieren. Eine Schokoladenmanufaktur gewann mit ihren Stadtteilschokoladen, die jeweils einem bestimmten Stadtteil gewidmet sind. Beispiele sind „Bernsdorf“ mit einer Mischung aus Studentenfutter, „Kaßberg“ mit Espresso-Geschmack und „Gablenz“, das sich durch eine Verbindung zu Gärten auszeichnet.

Diese Idee zeigt, wie Tradition, Kulinarik und Innovation zusammenfinden, um Chemnitz in seiner Vielschichtigkeit darzustellen.

Eine Stadt im Aufbruch: Chemnitz lädt Europa ein
Chemnitz 2025 ist mehr als nur ein Titel – es ist eine Einladung an Europa, die Vielfalt, Kreativität und Offenheit der Stadt zu erleben. Von mutigen Kunstprojekten über sportliche Traditionen bis hin zu persönlichen Geschichten und kulinarischen Highlights: Chemnitz präsentiert sich als eine Stadt, die sowohl ihre Vergangenheit reflektiert als auch mutig in die Zukunft blickt.

Die Europäische Kulturhauptstadt 2025 zeigt, wie Transformation gelingen kann, wenn Menschen, Kultur und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen.

Pandemie-Nachwirkungen: Schicksale, die noch lange nachhallen

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Fünf Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie sind ihre Auswirkungen immer noch spürbar – nicht nur in Form von gesundheitlichen Folgen, sondern auch in der Gesellschaft, der Wirtschaft und den psychischen Belastungen, die sie mit sich brachte. In diesem Kontext stehen zwei Schicksale, die exemplarisch für die dramatischen Veränderungen stehen, die die Pandemie mit sich brachte: die Geschichte von Aryna Tkachuk, die während der Corona-Zeit beinahe starb, und die von Ricarda Piepenhagen, die mit den Langzeitfolgen von Covid-19, besser bekannt als Long Covid, zu kämpfen hat. Beide Frauen haben in ihren Erfahrungen mit den Langzeitfolgen der Pandemie eine bemerkenswerte Resilienz gezeigt und kämpfen dafür, dass diese Themen endlich die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen.

Aryna Tkachuk: Ein Leben am Rande des Abgrunds
Aryna Tkachuk war gerade 14 Jahre alt, als die Corona-Pandemie sie mit voller Wucht traf. Wie für viele junge Menschen weltweit brachten die plötzlichen Schulschließungen und die Isolation zu Hause nicht nur eine Umstellung des Alltags, sondern auch eine Bedrohung für ihre psychische Gesundheit. Aryna war gezwungen, ihren Alltag weitgehend alleine zu gestalten, während ihre Eltern beruflich eingespannt waren. Was zu dieser Zeit als „Freizeit“ erschien, wurde für sie zum Nährboden für eine schwere psychische Erkrankung.

In der Isolation entwickelte sie ein immer gefährlicher werdendes Schönheitsideal, das durch die sozialen Medien verstärkt wurde, insbesondere durch TikTok. Auf der Plattform sah sie extrem dünne Models, deren Körperbilder sie in den Bann zogen. Sie begann, sich immer mehr zu isolieren und ihren Körper immer weiter zu verhungern, in der Hoffnung, wie diese Frauen auszusehen. Aryna wog zu diesem Zeitpunkt weniger als 40 Kilogramm, doch sie wollte immer dünner werden, was schließlich zu einer lebensbedrohlichen Magersucht führte.

Im Sommer 2022, als sie nur noch 37 Kilogramm wog, wurde sie schließlich in die Psychiatrie eingeliefert. Ihr Zustand war so kritisch, dass sie auf die Intensivstation verlegt werden musste, da ihre Leber zu versagen drohte. Es war ein dramatischer Moment, als sie mit 32 Kilogramm in einem Krankenhausbett lag, an Schläuchen und Kabeln angeschlossen, und ihr eigener Körper dem Verfall näher rückte. Sie hatte sich schon darauf vorbereitet, dass sie diese Nacht möglicherweise nicht überstehen würde. Doch Aryna überlebte, dank der medizinischen Hilfe und der Sonde, die ihr Leben rettete.

Die Ärzte konnten bestätigen, dass die Isolation und die psychischen Belastungen der Pandemie einen direkten Einfluss auf ihren Zustand hatten. „Was Corona damit gemacht hat, kann man so sagen, das hat es einfach verdunkelt“, erklärt Aryna. Die sozialen Kontakte, die sie früher hatte, die Aktivitäten, die ihr Freude bereiteten – alles war durch die Pandemie weggefallen. Als ihre Welt zusammenbrach, griff sie nach TikTok, um in einer digitalen Welt Trost zu finden. Doch dieser Trost war trügerisch und führte sie tiefer in die Sucht nach einem unerreichbaren Körperbild.

Experten bestätigen, dass es während der Pandemie einen dramatischen Anstieg von Essstörungen wie Anorexie gab. Burkhard Rodeck, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, berichtete, dass die Zahlen von Magersucht in den Jahren 2019 bis 2022 um 38 Prozent anstiegen. Für viele junge Menschen, die während des Lockdowns isoliert waren, wurde die virtuelle Welt zu einer gefährlichen Zuflucht. Die ständige Konfrontation mit unrealistischen Schönheitsidealen verstärkte die Essstörungen und führte zu schweren gesundheitlichen Folgen.

Ricarda Piepenhagen: Long Covid und die Folgen für die Gesellschaft
Während Aryna Tkachuk einen langen und schmerzhaften Weg der Genesung hinter sich hat, kämpft Ricarda Piepenhagen seit der Pandemie mit einer anderen, aber ebenso schweren Erkrankung: Long Covid. Im November 2021, nach einer durchgemachten Corona-Infektion, war sie plötzlich nicht mehr in der Lage, zu arbeiten. Die ehemals aktive Lehrerin litt an den anhaltenden Folgen von Covid-19, die in der medizinischen Fachwelt als Long Covid bekannt sind.

Long Covid ist eine Multisystemerkrankung, die zahlreiche Organe betreffen kann und deren Symptome über Monate oder sogar Jahre anhalten können. Bei Ricarda Piepenhagen äußerten sich die Folgen der Erkrankung in einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Beschwerden, die ihr Leben auf den Kopf stellten. Ihre Kräfte schwanden, ihre Mobilität wurde stark eingeschränkt, und sie war zunehmend auf Hilfe angewiesen. Auch die Psyche litt unter den Auswirkungen von Long Covid. So wie bei vielen anderen Betroffenen, waren es nicht nur die physischen, sondern auch die emotionalen Belastungen, die das Leben von Ricarda Piepenhagen drastisch veränderten.

Ricarda Piepenhagen machte ihre Erkrankung öffentlich und gründete den Geschädigtenverein „Nicht Genesen“, um auf das Schicksal von Long-Covid-Betroffenen aufmerksam zu machen. Die Zahl der Betroffenen ist nach wie vor hoch, und viele von ihnen sind nicht in der Lage, ihren normalen Alltag zu bewältigen. Wie Ricarda Piepenhagen selbst berichtet, sind Millionen von Menschen weltweit von Long Covid betroffen, ohne dass es bislang ausreichende Therapien oder Medikamente gibt. Besonders problematisch ist, dass diese Menschen in vielen Fällen nicht als „gesund“ gelten, aber auch keine ausreichende Unterstützung erhalten.

Ihre Erfahrungen und die ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter verdeutlichen, dass Long Covid nicht nur eine medizinische Herausforderung ist, sondern auch eine gesellschaftliche. Der Verlust von Arbeitsfähigkeit, die Isolation und die ständige Ungewissheit über die Zukunft stellen für viele Betroffene eine enorme Belastung dar. Die mangelnde Anerkennung und Forschung zu dieser Krankheit sind weitere Hürden, die den Betroffenen das Leben erschweren.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie
Neben den persönlichen Schicksalen von Aryna Tkachuk und Ricarda Piepenhagen hat die Pandemie auch erhebliche wirtschaftliche Schäden verursacht. Michael Grömling, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, hat sich mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie beschäftigt. Seine Untersuchungen zeigen, dass die Corona-Krise in Deutschland die wirtschaftlichen Einbußen der letzten drei Jahrzehnten übertrifft. Allein im Jahr 2020 beliefen sich die wirtschaftlichen Verluste auf etwa 200 Milliarden Euro, und auch 2021 kamen weitere 100 Milliarden Euro an Schäden hinzu. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie noch lange spürbar sein werden.

Ein weiteres Problem, das Grömling anspricht, sind die überschüssigen Impfdosen, die während der Pandemie bestellt wurden. Deutschland hatte mehr als 616 Millionen Impfdosen bestellt – genug, um jeden Bürger siebenmal zu impfen. Doch tatsächlich wurden nur etwa ein Drittel dieser Dosen verabreicht. Diese Fehlplanung führte zu einem weiteren finanziellen Verlust für den Staat und die Steuerzahler. Die Pandemie hat damit nicht nur gesundheitliche, sondern auch finanzielle und politische Auswirkungen, die noch lange nachwirken werden.

Die Pandemie ist noch nicht vorbei
Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie wird deutlich, dass die Auswirkungen der Krise noch lange nicht überwunden sind. Die Geschichten von Aryna Tkachuk und Ricarda Piepenhagen sind nur zwei Beispiele für die unzähligen Schicksale, die durch die Pandemie geprägt wurden. Die wirtschaftlichen Verluste, die psychischen Belastungen und die gesundheitlichen Langzeitfolgen von Long Covid und Essstörungen werden uns noch lange begleiten.

Es ist an der Zeit, dass diese Themen endlich die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Experten und Betroffene fordern mehr Forschung und bessere Unterstützung für diejenigen, die durch die Pandemie geschädigt wurden. Die Pandemie mag offiziell vorbei sein, aber ihre Auswirkungen sind noch immer spürbar – und sie werden uns noch lange beschäftigen.

Lehren aus der Wende: Über den Wandel und die Herausforderungen der Gegenwart

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Das Interview mit Julia Kausch bietet eine interessante Reflexion über die Wendezeit und ihre Auswirkungen, besonders aus der Perspektive einer „gesamtdeutschen“ Identität. Sie beschreibt, wie sie selbst die Wende weniger als persönliche Erfahrung, sondern eher durch die Erzählungen und Reaktionen der Erwachsenen um sie herum verarbeitet hat. Die politische und gesellschaftliche Umwälzung war vor allem für die Jugendlichen eine Herausforderung, die mit einer plötzlichen Umstellung ihrer Weltanschauungen konfrontiert wurden.

Kausch spricht auch über die Bedeutung der „Baseballschlägerjahre“, eine Zeit, in der extreme politische Strömungen aus dem Westen in den Osten drangen. Sie hebt hervor, wie junge Menschen, die in einem System aufgewachsen sind, das ihnen bestimmte Ideale versprach, nach der Wende orientierungslos wurden und sich rechtspopulistischen Bewegungen zuwandten. Ein zentrales Thema ihrer Reflexion ist die Frage, wie schnell sich die politische Landschaft nach der Wende veränderte und wie dies zur Entstehung von politischer Desillusionierung und Demokratieverdrossenheit geführt hat.

Besonders hervor hebt sie auch die Diskrepanz zwischen Ost- und Westdeutschland, besonders in Bezug auf die politische Repräsentation und die ungerechte Verteilung von Macht und Einfluss. Kausch betont, dass Ostdeutsche bis heute an den oberen Stellen unterrepräsentiert sind, was in ihrer Sicht weiterhin ein Problem für die gesellschaftliche Integration darstellt.

Kausch verbindet die Lehren aus der Wendezeit mit den aktuellen Herausforderungen, insbesondere in Hinblick auf gesellschaftliche und politische Umbrüche, die durch den Klimawandel und andere globale Krisen ausgelöst werden. Sie sieht die Geschichte als Blaupause, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und besser auf zukünftige gesellschaftliche Wandlungsprozesse vorbereitet zu sein.

Mut der Ostdeutschen: Schabowski über den Widerstand und die Mauer

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Ex-SED- und Politbüromitglied Günter Schabowski diskutiert während der Veranstaltung „Mauerbau – Ende des Sozialismus″ als Zeitzeuge und erinnert daran, dass es die Mitteldeutschen waren, die der SED ihre Legitimation als das Volk alleinvertretende Partei entzogen haben. Dies geschah am 13. August 2001, in der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin.

Günter Schabowski bringt bei dieser Veranstaltung zur Erinnerung an den Mauerbau und das Ende des Sozialismus eine prägnante Bemerkung, die sich mit der Verantwortung und den Erlebnissen der Ostdeutschen während der DDR-Zeit auseinandersetzt. Besonders hervorhebt er die Rolle der Menschen im Osten, die mit ihrem Mut und ihren Demonstrationen entscheidend zum Fall der Mauer beigetragen haben. Schabowski kritisiert eine Formulierung, die suggeriert, die Ostdeutschen seien durch das Mauerregime in eine Komplizenschaft gezwungen worden. Seiner Ansicht nach wird dabei nicht genug anerkannt, welche immense Bedeutung es für die Ostdeutschen hatte, mit einer solchen Mauer konfrontiert zu werden, die nicht nur als symbolische Trennung diente, sondern als politische und nukleare Bedrohung verstanden wurde.

Sein Verweis auf die westdeutsche Haltung und die Diskussion über das Herabsehen auf Ostdeutsche zielt darauf ab, diese Perspektive zu korrigieren und die Rolle der Ostdeutschen als aktive Akteure im Fall der Mauer und im Widerstand gegen das SED-Regime zu würdigen. Schabowski stellt klar, dass es ungerecht ist, den Ostdeutschen in dieser Situation weniger Mut oder weniger Verantwortung zuzuschreiben als den Westdeutschen. Auch die Rolle von Amtsträgern, wie etwa einem christlich-demokratischen Bürgermeister, wird hinterfragt. Schabowski hebt hervor, dass dieser, unter den gegebenen Umständen, in der DDR keine Wahl gehabt hätte und die Mauer hätte akzeptieren müssen, um das Risiko eines größeren Konflikts zu vermeiden.

Insgesamt bleibt die Botschaft, dass der Widerstand der Ostdeutschen gegen das SED-Regime und ihre Rolle im Fall der Mauer nicht unterschätzt werden dürfen. Schabowski fordert eine differenzierte Betrachtung und Erinnerung an diese Zeit, die über einfache Narrativen hinausgeht.

Gemeinwesenarbeit in Magdeburg – Ein Erfolgsmodell für Bürgerbeteiligung und Stadtteilarbeit

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Die Gemeinwesenarbeit (GWA) in Magdeburg hat sich seit ihrer Einführung 1997 als ein zentraler Bestandteil des städtischen Engagements etabliert. Mit dem Ziel, Bürgerinnen und Bürger zur aktiven Mitgestaltung ihrer Stadtteile zu motivieren, wird dieser Ansatz als Brücke zwischen Verwaltung und Bürgerschaft verstanden. Die GWA stärkt das Gemeinschaftsgefühl, fördert die Identifikation mit dem Stadtteil und ermöglicht, soziale und kulturelle Projekte gezielt umzusetzen.

Ursprung und Entwicklung der Gemeinwesenarbeit
Die Idee zur Gemeinwesenarbeit entstand aus Fragestellungen der Jugendhilfe, die in den 1990er Jahren eine stärkere Orientierung am Sozialraum forderten. Damals entwickelte Wolfgang Ortleb, der als einer der „Väter“ der GWA gilt, das konzeptionelle Fundament. „Stadtteilbezogene soziale und Kulturarbeit“ lautete das Schlüsselkonzept. Der Ansatz richtete sich auf drei Hauptziele: Bürgerbeteiligung, Förderung der Identifikation mit dem Stadtteil und Stärkung zukunftsfähiger Strukturen.

Bereits 1999 wurden erste konkrete Maßnahmen umgesetzt. Dazu gehörte die Einrichtung eines Initiativfonds, der bis heute Projekte finanziert. Ursprünglich mit 50.000 Euro ausgestattet, steht dieser Fonds mittlerweile 22 Arbeitsgruppen in den Magdeburger Stadtteilen zur Verfügung. „Der Fonds war von Anfang an ein zentraler Motivator“, so Ortleb. „Er gibt Bürgern die Möglichkeit, ihre Ideen nicht nur zu planen, sondern auch zu realisieren.“

Struktur und Arbeitsweise der GWA-Gruppen
Die Gemeinwesenarbeit wird in Magdeburg dezentral organisiert. In jedem Stadtteil gibt es Arbeitsgruppen, die ehrenamtlich Projekte umsetzen. Diese reichen von kleinen Nachbarschaftsinitiativen bis hin zu größeren Veranstaltungen. Jede Gruppe wird von einem Sprecherkreis koordiniert, der Versammlungen organisiert, Projektvorschläge bewertet und die Vergabe der Gelder aus dem Initiativfonds überwacht.

Ein Beispiel für eine solche Initiative ist die GWA in Rothensee. Dort wurde 2008 eine Festwoche zum 100. Jahrestag der Eingemeindung des Stadtteils durchgeführt. Im Zuge dieser Feierlichkeiten entstand ein Textband mit Geschichten und Bildern, das die lokale Geschichte lebendig hält. Auch der jährliche „Bukau-Block“, eine Aktion gegen Intoleranz und für Demokratie, zeigt, wie durch GWA-Arbeit neue Traditionen entstehen.

Bürgerengagement als Schlüssel zum Erfolg
Die GWA lebt vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Veranstaltungen wie „Bukau putzt sich“ oder der „World Cleanup Day“ zeigen, wie die Menschen in den Stadtteilen aktiv werden und Verantwortung übernehmen. In Rothensee wurde 2023 zum zehnjährigen Jubiläum des Hochwassers von 2013 eine Gedenkveranstaltung organisiert, die nicht nur an die Ereignisse erinnerte, sondern auch das Bewusstsein für künftige Risiken schärfte.

Besonders während der Corona-Pandemie entstanden kreative Projekte. So wurde in Ottersleben eine kleine Otter-Figur aufgestellt, die in der schwierigen Zeit als Symbol der Hoffnung diente. „Das war Bürgerengagement, wie man es sich nur wünschen kann“, erinnert sich Viktor Tschwenke, Sprecher der GWA Ottersleben.

Herausforderungen und Perspektiven
Trotz der Erfolge gibt es auch Herausforderungen. Die Gewinnung von Nachwuchs für die ehrenamtliche Arbeit bleibt eine zentrale Aufgabe. „Wir brauchen mehr aktive Mitarbeit von Bürgern, die ihre Ideen und Fähigkeiten einbringen“, betont Ulrike Schmidt, Sprecherin der GWA Bukau. Ein weiteres Ziel ist die stärkere Vernetzung zwischen den Stadtteilen, um voneinander zu lernen und Synergien zu nutzen.

Die Zukunft der GWA in Magdeburg hängt auch von der politischen Unterstützung ab. „Gemeinwesenarbeit ist ein Herzstück unseres Beteiligungskonzepts“, so Ingo Gottschalk, Beigeordneter für Soziales, Jugend und Gesundheit. „Die GWA wird nur dann weiterleben, wenn wir über sie reden und die Menschen dafür begeistern.“

Die Gemeinwesenarbeit in Magdeburg ist ein Modell, das zeigt, wie Bürgerbeteiligung auf lokaler Ebene funktionieren kann. Von kleinen Nachbarschaftsaktionen bis hin zu großen Stadtteilfesten – die Vielfalt der Projekte spiegelt die Kreativität und das Engagement der Magdeburgerinnen und Magdeburger wider. „Es macht einfach Spaß, sich einzubringen“, sagt ein Sprecher. „Man sieht, wie die eigenen Ideen Wirklichkeit werden und das Leben im Stadtteil bereichern.“

Mit der Weiterentwicklung der Gemeinwesenarbeit steht Magdeburg vor der Aufgabe, die Erfolge der letzten 25 Jahre auszubauen. Dabei wird es darauf ankommen, junge Menschen zu motivieren, ältere Erfahrungen zu bewahren und neue Ideen zu integrieren. Denn eines steht fest: Die GWA ist ein unverzichtbarer Bestandteil des sozialen Lebens in Magdeburg – und ein Vorbild für andere Städte.

Stadtrat Dresden: Bekanntgabe nicht-öffentlich getroffener Beschlüsse

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Am 23. Januar 2025 fand eine Sitzung des Dresdner Stadtrates statt, in der die Bekanntgabe verschiedener nicht-öffentlicher Beschlüsse im Vordergrund stand. Diese Beschlüsse, die in einer früheren Sitzung am 12. Dezember 2024 gefasst wurden, deckten ein breites Spektrum an Themen ab – von Personalentscheidungen im Städtischen Klinikum Dresden bis hin zu wichtigen Änderungen in der Verwaltung der Landeshauptstadt Dresden.

Personalentscheidungen im Städtischen Klinikum Dresden
Ein zentraler Punkt der Bekanntgabe war die Änderung eines bestehenden Chefarztdienstvertrages. Konkret betraf dies den Chefarzt der fünften medizinischen Klinik des Eigenbetriebes Städtisches Klinikum Dresden, Standort Drachau, sowie die sechste medizinische Klinik am Standort Weißer Hirsch. Im Rahmen dieses Änderungsvertrages wurde der Chefarzt mit zusätzlichen Aufgaben betraut, insbesondere mit der kommissarischen Leitung der geriatrischen Rehabilitationsklinik Dresden-Lübtau sowie der Abteilung für Akutgeriatrie. Damit einher ging die Gewährung einer außertariflichen Vergütungszulage.

Ein weiterer wesentlicher Beschluss betraf die Berufung von Herrn Prof. Dr. Maximilian Pilatsch zum Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Standort Friedrichstadt. Prof. Pilatsch, der ab dem 15. Juli 2025 oder zu einem nächstmöglichen Zeitpunkt seine Tätigkeit aufnehmen wird, erhält im Rahmen seines Dienstvertrages ebenfalls eine außertarifliche Vergütung. Diese Personalentscheidung verdeutlicht die Bemühungen der Landeshauptstadt Dresden, hochqualifizierte Fachkräfte für Schlüsselpositionen im Gesundheitswesen zu gewinnen.

Zusätzlich wurde ein tariflicher Arbeitsvertrag für Herrn Dr. habil. Thomas Gaspar beschlossen. Dieser wird voraussichtlich ab dem 1. März 2025 die Position des Leiters des Bereichs Rhythmologie der zweiten medizinischen Klinik übernehmen. Auch ihm wurde eine außertarifliche Vergütung zugesprochen. Die Ernennung von Herrn Gaspar stellt eine wichtige Maßnahme zur Weiterentwicklung des kardiologischen Bereichs des Städtischen Klinikums dar.

Ebenfalls rückwirkend zum 1. Juli 2024 wurde eine außertarifliche Vergütungszulage für Frau Dr. habil. Carolin Zimmermann beschlossen, die als Oberärztin im Städtischen Klinikum tätig ist. Die Anerkennung ihrer Leistungen und die entsprechende Anpassung ihres Arbeitsvertrages sind ein Zeichen für die Wertschätzung und Förderung engagierter Fachkräfte innerhalb der städtischen Einrichtungen.

Verwaltungsentscheidungen und Änderungen im Finanzwesen
Neben den Personalentscheidungen im Gesundheitswesen wurden in der Sitzung auch Änderungen im Bereich der Stadtverwaltung bekanntgegeben. Ein besonders bedeutender Punkt war die Bestellung und Abbestellung von Fachbediensteten für das Finanzwesen der Landeshauptstadt Dresden gemäß § 62 der Gemeindeordnung. Frau Cornelia Müggel wurde in ihrem Amt als Stadtkämmerin und Fachbedienstete für das Finanzwesen zum 31. Dezember 2024 abbestellt. Ihre Nachfolgerin, Frau Jeannette Riesmann, trat diese Position mit Wirkung zum 1. Januar 2025 an. Begleitet wurde diese Entscheidung von der Bestellung von Herrn Erasmus Wolf zum Stellvertreter der Fachbediensteten für das Finanzwesen, ebenfalls ab dem 1. Januar 2025.

Diese Änderungen markieren einen wichtigen Schritt zur Neuausrichtung der Finanzverwaltung in Dresden und verdeutlichen die strategischen Weichenstellungen des Stadtrates, um den Herausforderungen der kommunalen Finanzpolitik gerecht zu werden.

Die in der Sitzung am 23. Januar 2025 bekanntgegebenen Beschlüsse spiegeln die breite Verantwortung und die vielfältigen Aufgabenbereiche des Stadtrates wider. Sie zeigen, wie die Landeshauptstadt Dresden durch gezielte Personalentscheidungen und organisatorische Anpassungen in zentralen Bereichen wie Gesundheit und Verwaltung ihre Zukunft gestaltet. Der Fokus auf die Förderung von Fachkräften sowie die Neuausrichtung in der Finanzverwaltung unterstreicht das Bestreben, die hohe Qualität der städtischen Dienstleistungen zu sichern und gleichzeitig auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen zu reagieren.

Mit diesen Maßnahmen legt der Stadtrat den Grundstein für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Stadt und ihrer Einrichtungen, um sowohl den aktuellen als auch den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.

Steuerverschwendung pur: Zwei Corona-Untersuchungsausschüsse für ein Thema!

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Am 23. Januar 2025, 11:31 Uhr, wurde im Justizausschuss eine wichtige Entscheidung bezüglich der Corona-Untersuchungsausschüsse getroffen. Leider wurde der Versuch, die verschiedenen Anträge zu einem einzigen Untersuchungsausschuss zusammenzuführen, abgelehnt. Stattdessen wird nun eine doppelte Untersuchung auf den Weg gebracht, was aus Sicht vieler Abgeordneter und Experten nicht nur eine Ressourcenverschwendung, sondern auch ein Beispiel für die Ineffizienz der politischen Arbeit darstellt. Was genau steckt hinter dieser Entscheidung, und was bedeutet dies für die Steuerzahler?

Die politische Diskussion rund um die Corona-Pandemie hat sich in den vergangenen Jahren auf viele Ebenen ausgebreitet. Von gesundheitspolitischen Maßnahmen über die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen bis hin zur Rolle von Impfungen und den wirtschaftlichen Folgen – das Thema ist nahezu unerschöpflich. Zahlreiche Initiativen, Anträge und Untersuchungsausschüsse wurden ins Leben gerufen, um zu klären, wie die Regierung mit der Pandemie umgegangen ist. Doch jetzt stellt sich heraus, dass zwei Ausschüsse für das gleiche Thema, also für die Untersuchung der Corona-Maßnahmen und ihrer Folgen, gebildet werden sollen.

Die Entscheidung, diese beiden Ausschüsse parallel zu führen, wird von der AfD-Fraktion kritisiert. Aus ihrer Sicht bedeutet dies eine unverständliche und unangemessene Steuerverschwendung. Die Partei spricht sich klar für die Bildung nur eines Untersuchungsausschusses aus, da alles andere aus ihrer Sicht nicht nur fachlich unsinnig, sondern auch ein erheblicher Aufwand für den Steuerzahler ist. „Es ist völlig absurd, dass zwei Ausschüsse für das gleiche Thema gebildet werden“, so ein Sprecher der AfD. Statt die Ressourcen auf ein einziges, effektives Gremium zu konzentrieren, werden nun zwei Ausschüsse mit der gleichen Thematik betraut, was nicht nur zu einer Verdopplung der Verwaltungskosten, sondern auch zu einer Verschwendung an personellen und materiellen Ressourcen führt.

Ein solcher doppelter Ausschuss ist besonders problematisch, wenn man die Aufgaben der Untersuchungsausschüsse betrachtet. Diese Ausschüsse haben die Aufgabe, Aufklärung zu leisten und politische Verantwortung zu klären. Doch anstatt dass die verschiedenen Anträge zu einer einzigen effektiven Untersuchung führen, droht durch die Aufteilung die Gefahr, dass sich die Arbeit unnötig verzögert oder sogar inhaltlich überschneidet. Dies könnte zu einem ineffizienten Vorgehen führen, das am Ende weder den Bürgern noch der Politik in der Corona-Aufarbeitung wirklich hilft.

Besonders ärgerlich für viele ist dabei, dass sich diese Verschwendung von Steuermitteln in einem Jahr ereignet, in dem in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung und der staatlichen Investitionen gespart werden soll. Gerade in Zeiten, in denen die Regierung und die Parlamente immer wieder betonen, wie wichtig es sei, mit den begrenzten Ressourcen sorgsam umzugehen, erscheint eine solche Entscheidung als ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler. Es wird ein Signal gesendet, dass es im politischen Betrieb oft wichtiger ist, sich politische Machtkämpfe zu liefern oder Bürokratie zu fördern, anstatt tatsächlich eine sinnvolle und effiziente Lösung zu finden.

Die AfD-Fraktion hat daraufhin angekündigt, sich auch weiterhin für die Bildung eines einzigen Corona-Untersuchungsausschusses einzusetzen. Sie betonen, dass eine solche Lösung nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus praktischen Gründen sinnvoller wäre. Ein Ausschuss würde es ermöglichen, das Thema zu fokussieren, Ressourcen zu bündeln und die Arbeit in einem klaren, strukturierten Rahmen voranzutreiben.

Die Reaktion anderer Parteien auf diesen Vorschlag bleibt zunächst abzuwarten. Es ist denkbar, dass sich im Plenum noch Änderungen ergeben, da die Diskussion über die Aufteilung der Ausschüsse auch innerhalb der anderen Fraktionen nicht unumstritten ist. Die Kritik an der Verschwendung von Ressourcen, die auf beiden Seiten des politischen Spektrums zu hören ist, könnte zu einer Neubewertung der Situation führen.

Was bleibt, ist die Frage nach der Verantwortung von Politikern, die solche Entscheidungen treffen. Der Steuerzahler, der die Kosten für diese Untersuchungsausschüsse trägt, kann nur schwer nachvollziehen, warum nicht einfach alle relevanten Aspekte in einem einzigen Ausschuss behandelt werden. Die Politik sollte sich ihrer Verantwortung bewusst sein und Lösungen finden, die sowohl effektiv als auch ressourcenschonend sind. Der Ruf nach einem einzigen Untersuchungsausschuss ist daher nicht nur eine Kritik an der aktuellen Verwaltungspraxis, sondern auch ein Appell an eine verantwortungsvollere Politik, die im Interesse der Bürger handelt.

Es bleibt spannend, ob sich in den kommenden Wochen noch etwas an der Situation ändern wird. Doch eines ist sicher: Die Diskussion über die Steuerverschwendung durch die Bildung zweier Ausschüsse für das gleiche Thema wird weitergehen – und das nicht nur in den politischen Debatten, sondern auch in den Köpfen der Wähler, die genau beobachten, wie ihre Steuergelder eingesetzt werden.

CDU fordert zügige Personalentscheidungen und verteidigt Rechtsstaatlichkeit in Thüringen

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Die Landespressekonferenz am 23. Januar 2025 mit Andreas Bühl, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, beschäftigte sich vor allem mit anstehenden Personalentscheidungen und der politischen Auseinandersetzung rund um die Besetzung wichtiger Positionen in Thüringen. Bühl stellte dabei klar, dass die CDU weiterhin großen Wert auf eine handlungsfähige Verwaltung und Justiz im Land lege und dass es notwendig sei, zentrale Posten wie die des Richters und Staatsanwaltswahlausschusses schnell zu besetzen. Dies war besonders wichtig, um die Rechtsstaatlichkeit in Thüringen zu sichern und im bundesweiten Vergleich nicht ins Hintertreffen zu geraten. Im weiteren Verlauf der Pressekonferenz thematisierte Bühl die Herausforderungen der bevorstehenden Abstimmungen und die Positionen der verschiedenen Parteien im Thüringer Landtag zu den Personalfragen.

Personalentscheidungen und ihre Bedeutung
Bühl begann die Pressekonferenz, indem er darauf hinwies, dass er in der aktuellen Funktion als CDU-Fraktionsvorsitzender erstmals vor den Medien stehe, was er als eine erfreuliche Gelegenheit betrachtete. Die Fraktion werde, so Bühl, in der kommenden Woche entscheidende Personalfragen behandeln. Insbesondere werde in einer der nächsten Sitzungen die Wahl von Herrn Profit auf der Tagesordnung stehen, der für den Richterwahlausschuss und den Staatsanwaltswahlausschuss kandidiere. Über die endgültige Position der CDU-Fraktion zu dieser Wahl sei jedoch noch nicht entschieden. Es sei wichtig, dass alle Parteien ihre Entscheidungen verantwortungsbewusst treffen, um die Arbeitsfähigkeit in Thüringen aufrechtzuerhalten. Dies gelte insbesondere für die Besetzung von Richter- und Staatsanwaltspostionen, die für das reibungslose Funktionieren des Rechtsstaates entscheidend seien.

Bühl sprach sich eindeutig dafür aus, dass alle Fraktionen im Präsidium des Landtags vertreten sein sollten, um eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern und die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicherzustellen. Dabei hob er hervor, dass es nicht nur um Einzelpersonen gehe, sondern darum, dass der Rechtsstaat aufrechterhalten und im Wettbewerb mit anderen Bundesländern nicht benachteiligt werden dürfe.

Differenzierte Sicht der AfD und SPD
In Bezug auf die AfD und deren Haltung zu den Personalfragen äußerte Bühl, dass er sich eine konstruktive Zusammenarbeit wünsche, jedoch der Meinung sei, dass die AfD hier nicht immer mit den anderen Fraktionen konstruktiv zusammenarbeite. Besonders kritisierte er die Haltung der AfD in Bezug auf die Wahl des Vizepräsidenten und die Besetzung des Richterwahlausschusses. Für ihn sei es entscheidend, dass die AfD sich konstruktiv in die politischen Prozesse einbringe und sich nicht durch ideologische Blockaden hinderte. Sollte dies geschehen, könne auch die CDU bereit sein, mit der AfD in bestimmten Personalfragen zu kooperieren.

Bezüglich der SPD machte Bühl deutlich, dass er sich in dieser Frage keine größere Kooperation mit der SPD erhoffe, da die SPD bereits mehrfach ausgeschlossen hatte, bestimmte Personalien zu unterstützen, wie etwa die von Herrn Jochke Tropez, der in der Vergangenheit mit kontroversen Äußerungen aufgefallen war. Für Bühl war es daher nicht vorstellbar, dass die SPD in der nächsten Sitzung eine andere Haltung einnehme.

AfD und die Parlamentarische Kontrollkommission
Ein weiteres zentrales Thema war die Frage, ob die AfD in die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) aufgenommen werden sollte. Bühl zeigte sich entschieden gegen einen solchen Schritt. Nach seiner Auffassung widerspräche es den Aufgaben der PKK, die von der AfD vertreten würde, da diese Partei in vielen politischen Fragen eine andere Linie verfolge und daher nicht die Voraussetzungen für eine solche Mitarbeit in der Kommission erfülle. Bühl betonte, dass diese Position keine Antwort auf konkrete Gespräche sei, die er mit der AfD geführt habe, sondern seine persönliche Einschätzung basierend auf der aktuellen politischen Lage.

In der Folge wies Bühl darauf hin, dass es keine Gespräche zwischen den Fraktionen über eine Paketlösung gegeben habe, bei der unter anderem auch ein Sitz der AfD in der PKK zur Debatte gestanden sei. Diese Frage sei ihm bis zum Zeitpunkt der Pressekonferenz nicht bekannt gewesen. Zwar könne er sich vorstellen, dass die AfD in anderen Bereichen konstruktiver mitarbeite, etwa bei der Besetzung des Richterwahlausschusses und des Staatsanwaltswahlausschusses, doch in Bezug auf die PKK sah er keinen Raum für eine Einigung.

Die Bedeutung des Rechtsstaats
Im weiteren Verlauf der Pressekonferenz sprach Bühl wiederholt die Bedeutung des Rechtsstaats an, den die CDU in Thüringen aufrechterhalten wolle. In Bezug auf die Wahl von Herrn Profit zum Richterwahlausschuss erklärte Bühl, dass es für die CDU von zentraler Bedeutung sei, dass solche wichtigen Positionen im Land besetzt würden, da ein funktionierendes Justizsystem eine der Grundlagen für die Aufrechterhaltung des Rechtsstaates darstelle. Sollte es dazu kommen, dass die Richterwahlausschüsse nicht besetzt werden könnten, so Bühl, würde dies Thüringen im bundesweiten Vergleich benachteiligen und die Unabhängigkeit der Justiz gefährden. Dies wolle man auf jeden Fall vermeiden.

Umgang mit der AfD
Die Haltung der AfD zur Politik in Thüringen war ein weiterer Diskussionspunkt. In Bezug auf die Äußerungen von AfD-Politiker Björn Höcke, der eine Paketlösung in der politischen Arbeit ins Spiel gebracht hatte, sagte Bühl, dass die AfD durchaus dazu bereit sein müsse, konstruktiv in die politischen Prozesse einzugreifen, um eine Lösung zu finden. Wenn dies nicht der Fall sei, werde es schwierig werden, zu einer Einigung zu kommen. Dabei sei es auch für die CDU wichtig, dass keine ideologischen Blockaden aufgebaut werden, die die Arbeit des Landtags unnötig erschwerten.

Bühl gab zu, dass es in seiner Fraktion unterschiedliche Meinungen zur Wahl von Herrn Profit gebe, was in der kommenden Sitzung diskutiert werde. Er betonte jedoch, dass es der Fraktion wichtig sei, dass der Rechtsstaat in Thüringen handlungsfähig bleibe und die notwendigen Stellen schnell besetzt werden, um politische Stabilität im Land zu gewährleisten.

Corona-Untersuchungsausschüsse
Ein weiteres Thema, das in der Pressekonferenz angesprochen wurde, war die Diskussion über die Einrichtung von zwei Corona-Untersuchungsausschüssen. Bühl äußerte seine Unzufriedenheit mit der Tatsache, dass es nun zwei Ausschüsse gebe, anstatt einen gemeinsamen. Dies führe zu unnötigen Kosten und einer ineffizienten Nutzung der Ressourcen. Trotzdem betonte er, dass die CDU an einem Untersuchungsausschuss festhalte, der sich auf die Fehler der Pandemie und deren Konsequenzen für die Zukunft konzentrieren solle. Die AfD verfolge mit ihrem Antrag jedoch eine ganz andere Zielrichtung, bei der es offenbar nicht um die Aufklärung der Pandemiefehler gehe, sondern um Bestrafung und politische Rache. Dies habe die CDU-Fraktion nicht unterstützen können.

Bühl machte deutlich, dass es schwierig sei, mit der AfD zu kooperieren, wenn die Partei in ihren Anträgen und Zielsetzungen so unterschiedliche Wege gehe. Ein gemeinsamer Untersuchungsausschuss mit der AfD sei daher ausgeschlossen, da die Inhalte der AfD zu sehr von denen der anderen Fraktionen abwichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Andreas Bühl in der Landespressekonferenz klar die Haltung der CDU-Fraktion in Bezug auf die anstehenden Personalentscheidungen und politischen Auseinandersetzungen darlegte. Dabei betonte er immer wieder die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit in Thüringen und des Rechtsstaates. Die CDU sei bereit, konstruktiv mit anderen Fraktionen zusammenzuarbeiten, insbesondere bei der Besetzung wichtiger Ämter. Gleichzeitig machte er deutlich, dass es für die Fraktion schwierig sei, mit der AfD in bestimmten Fragen eine Einigung zu erzielen, da deren politische Linie in vielen Bereichen zu weit von den Positionen der CDU entfernt sei.