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Die letzten Zeugen: Erinnerungen an Krieg und Zerstörung in Chemnitz

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Ursula und Gottfried Heiner sind Zeitzeugen, deren Erinnerungen ein lebendiges, wenngleich schmerzhaftes Bild der Kriegs- und Nachkriegszeit in Chemnitz zeichnen. Ihre Schilderungen aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs und der unmittelbaren Nachkriegszeit geben Einblicke in den Alltag unter Bombenangriffen, die Zerstörung der Stadt und die Herausforderungen des Wiederaufbaus.

Beide wurden in Chemnitz geboren. Gottfried wuchs auf der Fürstenstraße 30 in einem großen Eckhaus auf. Ursula wurde in dem Bereich von Chemnitz geboren, der heute noch zum Sonnenberg zählt, am Thomas-Mann-Platz, Sachsenallee auf der Palmstraße. Gottfried erinnert sich an das Spielen auf dem Kronplatz in seiner Kindheit. Kennengelernt haben sich Ursula und Gottfried erst 1957/58, als Gottfried den Chor des Fritz-Heckert-Auslandes besuchte, dem auch Ursulas Zwillingsschwester und älterer Bruder angehörten. Sie verlobten sich 1960 und heirateten 1961.
Die schwierigste Zeit ihres Lebens war die Kriegszeit. Besonders die Jahre 1943/44 und 1944/45 waren von Angst geprägt. Nachrichten über die Bomberverbände, die auf Chemnitz zusteuerten, erhielten sie über das Radio der Eltern, auf das diese stolz waren.

Leben im Keller
Ein Großteil der Kriegszeit, besonders während der Angriffe, verbrachten die Familien im Keller. Bei Fliegeralarmen, die meist abends oder nachts kamen, wurden die Kinder geweckt. Man zog sich so viel wie möglich an. Jedes Kind hatte ein Schild mit Namen, Adresse und Benachrichtigungsperson im Notfall, das manchmal unter dem Mantel versteckt wurde. Ein kleiner Koffer mit dem Nötigsten, wie Zwieback und Spielsachen, wurde in den Keller mitgenommen. Ursulas Mutter richtete den Keller häuslich ein, mit Korbsessel, Kinderstühlen und Tischen. Der Keller wurde zur „zweiten Wohnung“.

Die Zustände in den Kellern waren schwierig: Es war dunkel, stickig und feucht. Das Licht fiel oft aus. Man wartete dort, bis Entwarnung gegeben wurde, um nach Hause zu können. Manchmal wurden Schulkinder von der Schloßstraße über den Schillerplatz nach Hause geschickt, was in der damaligen Situation äußerst gefährlich war. Ursula erinnert sich, wie ihre Mutter zu Hause in Todesangst wartete, wenn sie nicht gleich zurückkam.

Der Bombenangriff vom 5. Februar
Ein besonders einschneidendes Ereignis war der Bombenangriff am Nachmittag des 5. Februar. Eine Sprengbombe schlug in das gegenüberliegende Haus Palmstraße 7-9 ein. Als Kinder gingen sie hinüber und hörten, dass Menschen verschüttet waren. Sie wurden schnell wieder weggeschickt, doch die Schreie und der Gedanke an die Verschütteten sind Ursula bis heute im Gedächtnis geblieben.

Beim eigentlichen großen Bombenangriff am 5. März (gemeint ist vermutlich der 5. März 1945, der Hauptangriff auf Chemnitz) suchte Ursula Schutz unter einem Tisch, den sie für sicher hielt. Sie zog sich eine Decke über den Kopf. Als sie aufstehen wollte, konnte sie den Kopf nicht heben – sie war von einem Brett oder Ähnlichem bedeckt. Die Sorge, verschüttet zu sein, hat sie bis heute nicht vergessen.

Während eines Angriffs in der Nachbarschaft wurde die dortige Kirche bombardiert und stürzte ein; der Druck der Detonation drückte die Menschen in einem großen Einraum-Luftschutzraum nach hinten.

Zerstörung und Flucht
Die Zerstörung nach den Angriffen war immens. Ursulas Opa stellte fest, dass ihr Haus kein Zuhause mehr war – die halbe Wand war weggebrochen, Dielen und Möbel heruntergefallen. Man konnte vom Keller aus durch die fehlenden Türen und Fenster den blutroten Himmel über dem zerstörten Stadtzentrum sehen. Im gegenüberliegenden Haus, in dem ein Freund von Ursula wohnte, gab es Weihnachten 1944 ebenfalls Zerstörungen.

Nach der Zerstörung ihres Hauses mussten sie es räumen. Man hatte im Hinterhaus ein Loch im Dach entdeckt, aber da es keine Explosion gab, vermutete man einen Blindgänger. Sie packten das Notwendigste in einen Handwagen: Koffer mit Kleidung, vor allem warme Sachen, Decken und Betten. Sie wanderten im Finstern und in der Kälte nach Hartmannsdorf. Dort fanden sie zunächst Unterschlupf bei Freunden und später ein Zimmer.

Der Weg war beschwerlich. Sie zogen mit dem Handwagen weiter. Später führte ihr Weg von Hartmannsdorf über Gutensborn und schließlich zurück in Richtung Chemnitz, über die Uhlandstraße und den Lessingplatz ins Chemnitztal. Dort gerieten sie in den nächsten Angriff und suchten Schutz in einem Luftschutzraum. Der Keller war voll. Sie wurden immer weiter nach hinten gedrückt. Sie entkamen dem Angriff, indem sie über Höfe Richtung Chemnitztal flohen.

Ihre Flucht führte sie weiter über Großolbersdorf zu einem Bauernhof, wo sie in der Scheune Unterschlupf fanden, versorgt wurden und dort übernachteten. Nach mehreren Tagen unterwegs kamen sie im Schlosshof an, der ebenfalls zerstört war. Von dort wurden sie nach Rathendorf vermittelt, wo sie ein Zimmer fanden und die restliche Kriegszeit verbrachten. Ursulas Vater, der als Schneider arbeitete, konnte dort weiter seinen Beruf ausüben und erhielt Lebensmittel statt Geld. Trotzdem war die Situation materiell schwierig.

Rückkehr und Wiederaufbau
Die Rückkehr nach Chemnitz erfolgte 1947. Ihre Wohnung im zweiten Stock war beschädigt, Wände mussten hochgezogen werden. Erst Jahre später stürzte dort noch einmal etwas ein.

Auf ihrem Weg aus Chemnitz heraus, auf der damaligen Dresdner Straße (heute Hainstraße), sahen sie zwei zugedeckte Leichen im Vorgarten liegen. Das war das erste Mal, dass Ursula tote Menschen sah – ein schlimmes Erlebnis.

Die Rolle der Frauen
Ursula Heiner betont besonders das Leiden der Frauen in dieser Zeit. Während die Männer im Krieg waren oder gefallen, mussten die Frauen allein die Kinder großziehen und versorgen. Sie hatten oft nichts zu essen, aber wenn sie zurückkamen, hatten sie es geschafft, die Wohnung wieder herzurichten und Möbel zu besorgen. Die Frauen waren die „heimlichen Helden“.

Nach der Zerstörung beteiligten sich die Frauen aktiv am Wiederaufbau. Ursula erinnert sich, dass ihre Mutter mit anderen Frauen Putz von Ziegeln kratzte, die dann wiederverwendet wurden. Sie reparierten die Eingänge und das Waschhaus hinten im Hof. Sie arbeiteten gut zusammen. Auch die Beschaffung von Lebensmitteln über Lebensmittelkarten war eine ständige Herausforderung. Frauen standen Schlange vor Bäckereien und teilten sich auf, um an Brot zu gelangen.

Trotz all der Schwierigkeiten und der Angst gab es auch Momente, in denen das kindliche Spiel möglich war, wie im Sandkasten auf dem Kronplatz oder das Anmalen des Kriegerdenkmals.

Die Erinnerungen von Ursula und Gottfried Heiner sind ein wichtiges Zeugnis der Auswirkungen des Krieges auf die Zivilbevölkerung und der Widerstandsfähigkeit der Menschen in Chemnitz. Sie gehören zu den „letzten Zeugen“, deren Berichte die Geschichte lebendig halten.

Feuerwehrtaucher erkunden NS-Bunker unter dem Hotel Adlon in Berlin

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Mitten in Berlin, direkt vor dem Brandenburger Tor, liegt ein fast vergessenes Stück Geschichte – ein unter Wasser stehender NS-Bunker, der einst als Luftschutzraum des legendären Hotel Adlon diente. Nun gewährt eine Expedition von Feuerwehrtauchern erstmals einen Blick in die geheimen Räume, in denen während der Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs Diplomaten, NS-Funktionäre und Hotelgäste Schutz suchten.

Ein Raum aus vergangenen Zeiten
Die Tauchexpedition führte die Feuerwehrtaucher in einen Bunker, der einst als sicherer Zufluchtsort galt. „Es ist wie im Aquarium. Die Türen, die Beschriftungen – alles wirkt, als hätte die Zeit hier stehengeblieben“, berichtet einer der beteiligten Taucher. Zwischen den mit Wasser gefüllten Gängen entdeckten die Profis auch originale Bauelemente wie eine Lüftungsanlage und eine ungewöhnliche Raumverbindung, die an die eindrucksvollen Architekturelemente des alten Hotels erinnern.

Geschichtliche Bedeutung und aktuelle Herausforderungen
Während des Luftangriffs hatten Hotelgäste damals lediglich rund 20 Minuten Zeit, um in den Bunker zu gelangen – ein knappes Zeitfenster, das den Nervenkitzel der damaligen Situation spüren lässt. Namen wie Karajan, Luis und Heather Adlon, sowie zahlreiche Diplomaten und hochrangige NS-Funktionäre, zeugen von der historischen Bedeutung dieses Ortes. Doch der Zahn der Zeit und der ständige Wassereinbruch haben den Bunker nahezu unter Wasser gesetzt. Die enge Verbindung der Räume und die begrenzte Sicht während der Tauchgänge machen die Erkundung zu einer echten Herausforderung.

Ein Blick hinter verschlossene Türen
Die Feuerwehrtaucher gewähren einen exklusiven Einblick in die Tiefe des Bunkers. Nur professionelle Taucher können sich in die unter Wasser stehenden Gemäuer wagen – für Laien bleibt oft nur der Blick vom Rand aus möglich. „Man kommt momentan nur einen Meter weit, bevor die Sicht völlig erlischt“, erklärt ein Taucher, der bereits mehrere Tauchgänge in den historischen Gemäuern absolvierte. Die Gefahr eines Notaufstiegs aufgrund der sofort über Kopf liegenden Betondecke in nur sechs Metern Tiefe erhöht den Nervenkitzel und die Risiken der Erkundung zusätzlich.

Geschichtlicher Mahnmal und Zukunftsperspektiven
Dieser untergetauchte Bunker ist mehr als nur ein Relikt der Vergangenheit. Er stellt ein greifbares Zeugnis der NS-Zeit dar und ist ein Mahnmal an die dunklen Kapitel der Geschichte Berlins. Die beeindruckenden Aufnahmen der Feuerwehrtaucher sollen dazu beitragen, dieses Stück Geschichte der Öffentlichkeit näher zu bringen – auch wenn der Zugang in Zukunft wieder verschlossen wird, um den Ort vor weiterem Verfall zu schützen.

Die Expedition in den geheimen NS-Bunker unter dem Hotel Adlon zeigt eindrucksvoll, wie Geschichte auch in den verborgensten Ecken der Großstadt lebendig wird. Mit jeder Erkundung wird ein weiterer Teil des dramatischen Vergangenen sichtbar und erinnert daran, dass auch unter der modernen Fassade Berlins noch viele Geheimnisse darauf warten, entdeckt zu werden.

Die Trommel dreht sich, der Plan stockt – Waschmaschinen made in DDR

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Schwarzenberg, Quedlinburg, Berlin. In kaum einem anderen Alltagsgerät spiegelten sich die Ambitionen, Widersprüche und Herausforderungen der DDR-Wirtschaft so deutlich wider wie in der Entwicklung der Waschvollautomaten. Die Maschinen, gefertigt unter anderem im Waschgerätewerk Schwarzenberg, sollten nicht nur saubere Wäsche liefern, sondern auch den technischen Fortschritt des Sozialismus symbolisieren.

Doch was in den volkseigenen Betrieben (VEB) zwischen Planvorgaben, Mikroelektronik und Zulieferengpässen entstand, war ein mühseliger Weg zwischen Innovation und Ideologie.

Steuerung mit Stolpersteinen
Im Zentrum der technischen Entwicklung stand die Steuerung der Maschinen – ihr „Herzstück“. Produziert wurde sie im VEB Mertig in Quedlinburg. Doch trotz intensiver Entwicklungsarbeit erwies sich das Modell 68021 als Sorgenkind: Immer wieder fiel es in Dauertests aus, die Zuverlässigkeit blieb unter dem erforderlichen Maß für das begehrte Gütezeichen „Q“. Eine geplante Serienproduktion ab September 1977 geriet ins Wanken. Verantwortliche wie Genosse Schnelle und Genosse Mattus wurden in betrieblichen Anhörungen mit der harten Realität konfrontiert: Die Qualität reichte nicht aus, Versäumnisse in der Entwicklung mussten aufgearbeitet werden.

„Leider müssen wir zu solchen unpopulären Maßnahmen greifen“, hieß es damals – gemeint war ein Sonderregime mit Tag- und Nachtarbeit, um die Produktionsziele doch noch zu erreichen. Der sozialistische Leistungsdruck war hoch, die Mängel jedoch real.

Von der WA61 zum WVAVE
Trotz Rückschläge wurde weiterentwickelt: Der WA61 wich dem WVA66, und schließlich dem WVAVE – dem ersten vollelektronischen Waschvollautomaten der DDR. Diese Maschine verfügte über einen Ein-Chip-Mikrorechner, der bis zu 1.500 Waschvarianten berechnen und die wirtschaftlichste auswählen konnte. Das war der Anspruch: Mikroelektronik sollte die wissenschaftlich-technische Revolution in den Haushalt bringen.

Doch technischer Fortschritt bedeutete auch neue Herausforderungen für das Personal. Kundendienstmonteure mussten mit digitalen Messgeräten umgehen können, eine neue Qualifikation war notwendig. „Früher reichte ein Spannungsprüfer, heute braucht es Spezialwissen“, erklärte Ingenieur König vom VWB Haushaltsgeräte-Service. Schulungen wurden organisiert, um den Service an den neuen Maschinen zu sichern.

Innovation unter Planzwang
Die Mikroelektronik brachte nicht nur Komfort, sondern auch Material- und Energieeinsparungen. Eine technische Innovation war die intelligente Schleudersteuerung, die es erlaubte, das Gewicht der Massescheiben – nötig zum Ausbalancieren der Trommel – von 18 auf 12 Kilogramm zu reduzieren. Möglich wurde dies durch Sensorik, die Unwuchten erkannte und den Schleudervorgang dynamisch anpasste.

Doch all dies geschah unter Bedingungen, die nur begrenzt mit Marktwirtschaft zu tun hatten. Die DDR plante in Jahreszielen, Zulieferer wurden per Staatsauftrag eingebunden, 280 Kooperationspartner mussten koordiniert werden. „Die Gesellschaft kann nur mit Recht fordern, die Versäumnisse schnellstens zu überwinden“, sagte ein Verantwortlicher – ein Satz, der das Spannungsfeld zwischen Volkswirtschaft, Parteiauftrag und Produktqualität treffend beschreibt.

Zwischen Weltniveau und moralischem Verschleiß
Im Waschgerätewerk wurde klar benannt, was jedes DDR-Produkt erfüllen sollte: Der wissenschaftlich-technische Höchststand sollte nicht nur erreicht, sondern auf den Weltmarkt übertragen werden. Gelang das nicht, drohte der „moralische Verschleiß“, ein Begriff, der auch ein bisschen Resignation enthielt. Denn: Je weiter ein Produkt vom globalen Entwicklungsstand entfernt war, desto kürzer seine Lebensdauer im internationalen Vergleich.

Die Waschmaschine der DDR war mehr als ein Haushaltsgerät – sie war ein Spiegel staatlicher Ambitionen, ein Prüfstein für Planwirtschaft und zugleich ein technologisches Versprechen. Zwischen realem Mangel und ideologischem Anspruch versuchten Ingenieure, Arbeiter und Parteivertreter, ein Gerät zu schaffen, das mit dem Westen konkurrieren konnte. Nicht immer gelang das. Doch das Ringen um Qualität und Innovation – von der Steuerung bis zur Mikroelektronik – bleibt ein eindrucksvolles Kapitel ostdeutscher Industriegeschichte.

Abschied vom Russenpanzer: Ein Denkmal verschwindet aus Chemnitz

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Das Video dokumentiert den Abbau des stadtbekannten Denkmals, das im Volksmund als „Russenpanzer“ bezeichnet wurde und an der Frankenberger Straße in Chemnitz seit 1975 stand. Dieses Denkmal erinnerte an den Einmarsch der sowjetischen Truppen in Chemnitz am 8. Mai 1945 und war ein Symbol der Nachkriegszeit sowie der politischen Geschichte der Stadt. Der Stadtrat beschloss den Abbau des Panzers, was in der Bevölkerung für unterschiedliche Reaktionen sorgte.

Am Tag der Entfernung fand ein offizieller Festakt statt, der von vielen Chemnitzerinnen und Chemnitzern besucht wurde. Begleitet wurde die Zeremonie von einer Militärkapelle, der Bundeswehr sowie Vertretern der Stadt und der russischen Garnison in Chemnitz. Dr. Pilz, der Oberbürgermeister von Chemnitz, hielt eine Ansprache, ebenso wie ein Vertreter der sowjetischen Armee und ein Repräsentant des Bayerischen Armeemuseums. Der Panzer wurde schließlich vom Sockel gehoben und für den Abtransport vorbereitet.

Die Zeremonie markierte das Ende eines Stücks Stadtgeschichte, das sowohl für die Erinnerung an die Befreiung vom Nationalsozialismus als auch für die Präsenz der sowjetischen Truppen in der DDR stand. Das Denkmal hatte über Jahrzehnte hinweg unterschiedliche Emotionen in der Bevölkerung geweckt: Für die einen war es ein Symbol der Befreiung, für die anderen ein Zeichen der Besatzung.

Nach seiner Entfernung wurde der Panzer als Dauerleihgabe dem Bayerischen Armeemuseum übergeben, wo er fortan als Exponat dienen wird. Dieser Schritt wurde als Teil der Neuausrichtung des öffentlichen Raums und der Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit in Chemnitz gesehen. Der Abbau des Denkmals stellt einen historischen Moment für die Stadt dar, der aufzeigt, wie sich die Gesellschaft im Laufe der Zeit mit ihrer Geschichte und den Relikten aus der Vergangenheit auseinandersetzt.

Lost Places im Harz – Verlassene Orte abseits der üblichen Touristenpfade

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Der Harz, ein Mittelgebirge in Deutschland, ist nicht nur für seine malerischen Landschaften, dichten Wälder und historischen Stätten bekannt, sondern auch für seine geheimnisvollen und faszinierenden „Lost Places“. Diese verlassenen Orte erzählen Geschichten von vergangenem Glanz, industriellem Fortschritt und dem Wandel der Zeit. Viele dieser Orte sind heute beliebte Ziele für Abenteurer, Fotografen und Geschichtsinteressierte.

Ein besonders bekannter Lost Place im Harz ist die Granitfabrik Ilsenburg. Diese Fabrik, einst ein florierender Industriebetrieb, ist seit vielen Jahren verlassen. Die riesigen Hallen, in denen einst Granit verarbeitet wurde, stehen nun leer und zerfallen langsam. Das Gelände ist von der Natur zurückerobert worden, wodurch eine einzigartige Mischung aus industrieller Architektur und wilder Vegetation entstanden ist.

Ein weiterer faszinierender Ort ist die Hermannshöhle bei Rübeland. Diese Tropfsteinhöhle ist eine beliebte Touristenattraktion. Die Höhle ist bekannt für ihre beeindruckenden Stalaktiten und Stalagmiten, die in der Dunkelheit der verlassenen Gänge noch eindrucksvoller wirken.

Im Osten des Harzes befindet sich das Eisleber Schaubergwerk. Dieses Bergwerk war zu Zeiten der DDR ein Schaubergwerk, das Besucher in die Welt des Kupferabbaus einführte. Nach der Wiedervereinigung wurde es geschlossen und verfiel langsam. Heute bieten die stillgelegten Stollen und Schächte einen faszinierenden Einblick in die Bergbaugeschichte der Region.

Auch die Harzer Schmalspurbahnen haben ihre Spuren hinterlassen. Einige der alten Streckenabschnitte, die heute nicht mehr in Betrieb sind, und verlassene Bahnhöfe erzählen von einer Zeit, als die Dampflokomotiven das Rückgrat des Transports im Harz bildeten. Der verlassene Bahnhof von Straßberg ist ein Beispiel dafür. Die alten Gleise und Gebäude sind ein beliebtes Ziel für Urban Explorer.

Ein weiteres Highlight ist das verlassene Hotel Harzhöhe in Hahnenklee. Dieses einst luxuriöse Hotel aus den 1970er Jahren steht seit vielen Jahren leer. Die großen, verlassenen Räume und der verwilderte Garten vermitteln eine melancholische Atmosphäre und lassen die einstige Pracht nur erahnen.

Die Lost Places im Harz sind nicht nur Zeugen einer vergangenen Zeit, sondern auch stille Mahnmale für den Wandel der Gesellschaft und die Vergänglichkeit menschlicher Werke. Sie bieten Abenteurern und Geschichtsinteressierten die Möglichkeit, auf Spurensuche zu gehen und ein Stück unberührte Geschichte zu erleben. Trotz ihrer Verlassenheit haben diese Orte nichts von ihrer Faszination verloren und ziehen immer wieder Menschen in ihren Bann, die das Unbekannte und Vergangene entdecken möchten.

Vater und Sohn verwandeln DDR-Diesellok in einzigartiges Hotel

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Wiesenburg, Erzgebirge. Es ist kein alltäglicher Anblick: Mitten in Wiesenburg, im erzgebirgischen Prießnitztal, steht eine historische Diesellok der Baureihe V180 aus dem Jahr 1969. Doch sie dampft nicht mehr durchs Land, sondern dient nun als außergewöhnliches Hotel. Hinter dieser kreativen Idee stecken Sven und Maximilian Schürer, Vater und Sohn, die eigentlich eine Metallbaufirma betreiben.

Seit vier Jahren sind sie nun auch Hoteliers. Der Übergang war nicht ohne Herausforderungen. Sven Schürer gibt zu: „Wir hätten nicht gedacht, dass ein Hotel so viel Arbeit macht. Wir sind ja keine gelernten Hoteliers.“ Von Bettenmachen über das Auffüllen von Kaffee und Milch bis zum Vorbereiten des Frühstücks – die zusätzliche Betätigung ist anstrengender als erwartet.

Die ungewöhnliche Idee stammt von einem Nachbarn, der von der ungenutzten Diesellok bei der Prießnitztalbahn im Obererzgebirge erzählte. Kurzerhand kaufte Vater Schürer das historische Fahrzeug. Die Logistik war beeindruckend: Mit 260-Tonnen-Kränen wurde die Lok in der Nacht über das gesperrte Gleis gehoben, das direkt am Grundstück liegt.

Im Inneren der Lok wurden drei Zimmer untergebracht. Der Hotelbetrieb wurde 2021 eröffnet, nahm aber erst 2023 aufgrund der Corona-Pandemie richtig Fahrt auf.

Viele Gäste, die hier im ehemaligen Triebwagen übernachten, sind begeisterte Eisenbahnfans. Einer von ihnen ist Axel Schlenkrich, nicht nur Fan, sondern selbst gelernter Eisenbahner. Er hat Schienenfahrzeuge wie die V180 mit seinem Team instand gehalten. Mit ihm kann Sven Schürer wunderbar fachsimpeln.

Ein wiederkehrendes Problem war das Dach der Lok, das wochenlang versucht wurde abzudichten. Axel Schlenkrich erklärte dazu den Unterschied zum früheren Betrieb: „Früher war das normal. Da hat es immer etwas reingetropft, das machte nichts. Das fließt unten raus, die Motoren sind warm. Für den Betrieb war nicht notwendig, dass es dicht ist. Aber jetzt verstehe ich das.“ Für ein Hotel muss es eben dauerhaft dicht sein.
Bei der Besichtigung fällt dem Experten jedoch auch ein Detail auf, das aus seiner Sicht nicht ganz passt: die Puffer. „Oh, das geht nicht. Das kann man nicht machen“, kommentiert er. Die modernen, viereckigen Puffer seien zu neu für die historische Lok. Hier müssten wieder runde dran.

Trotz dieses kleinen Details zeigt sich der Eisenbahntechnologe glücklich über den guten Zustand der Lok. Er erinnert an ihre Leistung: über 2.000 PS, die schwere Güterzüge im Erzgebirge ziehen konnten. „So eine Art Lok gibt‘s nicht mehr“, stellt er fest.

Die Betreiber sind überzeugt, dass ihr Konzept aufgeht. „Normal ist langweilig“, findet Sven Schürer. Er ist sich sicher, dass dieses Angebot Eisenbahnfreunde anspricht und viel schöner sei als „andere komische Hotels“. Ein Selbstläufer sei das Hotel zwar noch nicht, und Vater und Sohn denken stets über Verbesserungen nach.

Die Entscheidung für die Lok bereut Sven Schürer nicht. Wer kann schon sagen: „Ich habe eine Lok im Vorgarten“? Für Lok-Fans scheint klar zu sein: Es ist höchste Eisenbahn, für dieses spezielle Hotel ein Ticket zu lösen.

Rügen: Ein Inselparadies zwischen Wind, Kreide und Geschichten

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Rügen, das weite Windland an der Ostsee, offenbart sich als ein einzigartiges Reiseziel, dessen Landschaft von der Eiszeit geformt wurde und wo das Meer, was es raubt, an anderer Stelle zurückgibt. Hier ist der Pulsschlag das Licht, und der Gast auf Rügens Halbinseln, wie Wittow, kann entweder ganz einfach oder luxuriös, oder ganz einfach luxuriös wohnen. Luxus bedeutet hier, den Sonnenaufgang mit einer Tasse Kaffee zu genießen und den Sonnenuntergang im windgeschützten Strandkorb mit Glühwein zu erleben.

Wittow: Das Fahrradparadies im Norden
Die Halbinsel Wittow ist ein wahres Paradies für Radfahrer, da von den „fünf Hauptfeinden des Radfahrers“ nur der Wind immer präsent ist. Regen ist selten, Autos und Berge kaum vorhanden, und schwer befahrbare Wege findet man nur, wenn man sie wirklich sucht. Der Ostseeküstenradweg führt zum Beispiel in Richtung Kap Arkona.

Wer sich zwischendurch erholen möchte, findet im Steilküstencafé „Zur kleinen Rast“ mit Sanddornspritz und Meerblick eine willkommene Pause. Hier kann man auch das Geheimnis der windschiefen Biergläser der Stralsunder Störtebeker Brauerei lüften: Sie wurden so entworfen, damit sie auf den Tischen in Vitt stehen können.

Das Fischerdorf Vitt hat seinen Charme bis heute bewahrt. Hier musste Pfarrer Kosegarten, da die Fischer während der Heringssaison nicht zu seinen Predigten in die Kirche kommen konnten, zu ihnen kommen. Seine Predigten fanden in Fischerhäusern oder am Strand unter freiem Himmel statt, oft mit freiem Blick auf Kap Arkona, was das Verständnis seiner Worte mitunter beeinträchtigte. Dieser Umstand führte zur Genehmigung des schwedischen Königs Gustav und mit Kosegartens eigenem Geld zum Bau der achteckigen, einfach gehaltenen Uferkapelle auf einer Anhöhe über dem Dorf. Die Aufwertung des Innenraums mit dem Gemälde „Menschen im Sturm“ im Jahr 1990 konnte Kosegarten, der bereits 172 Jahre zuvor 1818 in Greifswald starb und seine Schulden nie loswurde, jedoch nicht mehr miterleben.

Der Name Puttgarten bedeutet „am Fuße einer Burg gelegen“, was zutreffend ist, da man von weitem hinter dem ehemals militärisch genutzten Peilturm (1927-1945) den mächtigen Wall der Jaromesburg, einer ehemaligen Slawenburg, sieht. Diese Burg war dem viergesichtigen Gott Swantow gewidmet. In Puttgarten lockt der Rügenhof, ein ehemaliges Landgut, mit Kunsthandwerksgeschäften in ehemaligen Scheunen und Ställen, die wohl hauptsächlich weibliche Kundschaft anziehen. Währenddessen können Männer im gegenüberliegenden „Woody’s Little Britain“ einen englischen Tee trinken.

Kap Arkona: Leuchttürme und Historie
Die Leuchttürme auf Kap Arkona sind eine Hauptattraktion. Der ältere der beiden, fast 200 Jahre alt, trägt Schinkels Handschrift und beherbergt heute das höchste Standesamt des Landes. Vom jüngeren Turm aus bietet sich nach 164 Stufen eine weite Aussicht über das Wittower Hinterland, die Jaromesburg und das Meer. Der Eintritt zu den Leuchttürmen ist mit der Kurkarte oder Hartgeld möglich. Vorbei an der Belüftungsanlage einer historischen militärischen Bunkeranlage, die heute ein Museum ist, führt der Radweg weiter zum nördlichsten Punkt der Insel, dem Gellort, etwa 1500 Meter vom Leuchtturm entfernt. Hier liegt auch der Siebenschneiderstein, ein Mitbringsel der Eiszeit und der viertgrößte Findling Rügens.

Die Wanderung von hier zum Nordstrand, einem der schönsten Strände der Insel, ist besonders im Herbst mit leichtem Wind, Meeresrauschen und Nieselregen reizvoll. Die Radwege auf der flachen Halbinsel Wittow scheinen alle in die Unendlichkeit zu führen. Wer nicht den Mut hat, abseits der befestigten Straßen entlang der Küstenlinie zu fahren, verpasst beeindruckende Aussichten.

Altenkirchen und Wiek: Kirchen, Bahnen und Surferparadies
In Altenkirchen steht die älteste Kirche Rügens, erbaut ab 1185 unter Einbeziehung eines Steines aus der Jaromesburg, dem sogenannten Swantowstein. Pfarrer und Dichter Kosegarten war hier 16 Jahre lang tätig und wurde nach seinem Tod 1818 in Greifswald auf eigenen Wunsch auf dem Kirchhof begraben.

Bei der Weiterfahrt stößt man auf Reste der ehemaligen Rügenschen Kleinbahn, wie den ehemaligen Güterschuppen und den Triebwagenschuppen. Die Strecke Fährhof-Altenkirchen wurde wohl bereits 1967 stillgelegt.

Wiek, am gleichnamigen Bodden gelegen, ist ein Paradies für Surfer. Die St.-Georgs-Kirche in Wiek, aus dem Jahr 1400, kommt ohne Kirchturm aus und ist eine der geräumigsten Kirchen Rügens. Am Wieker Hafen fällt die 1914 für den Kreideverlad erbaute, aber nie genutzte Kreidebrücke auf, die heute ein touristischer Aussichtspunkt ist. Auch hier befand sich ein Bahnhof der Rügenschen Kleinbahn. Hinter Wiek zweigte eine militärisch genutzte Stichstrecke nach Dranske ab.

Dranske, auf einer Landzunge zwischen Wieker Bodden und Ostsee gelegen, atmet Militärgeschichte aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie der DDR-Zeit. Ein Museum in einem ehemaligen Militärgebäude informiert über diese Geschichte.

Hiddensee: Insel der Künstler und Geschichten
Um nach Hiddensee zu gelangen, muss man die Fähre von Schaprode aus nutzen. Hiddensee ist eine autofreie Insel, was ihren besonderen Charme ausmacht. Die Insel ist 17 Kilometer lang, maximal 3,5 Kilometer breit und ähnelt einem Seepferdchen. Die Wege zum Strand sind überall kurz.
Hiddensee bietet fast alles: eine Bäckerei, wo das 3,5 Kilogramm schwere Kastenbrot erfunden worden sein soll, Inseltheater, Inselkino und eine Windmühle. Die Insel war und ist eine Künstlerkolonie. Die „Blaue Scheune“ war von 1919 bis Anfang der 30er Jahre Heimstatt des Hiddenseer Künstlerinnenbundes. Berühmtheiten wie Heinrich George, Karl Zuckmayer, Ringelnatz, Fallada und Gerhard Hauptmann waren hier. Hauptmann definierte die Sommerzeit für Hiddensee mit seinem Weinkeller: War er voll, begann der Sommer, war er leer, endete er. Hauptmann und die Tänzerin Grete Palucca sind auf Hiddensee begraben.

Die Inselkirche, ein Überrest des ehemaligen Klosters, ist turmfrei, und die Glocken verbergen sich raffiniert im Kircheneingang, in einem der von Max Taut entworfenen Häuser. Der dänische Stummfilmstar Asta Nielsen gab sich im „Karussell“ genannten Haus die Klinke in die Hand. Auch der Gegenwartsautor Lutz Seiler war hier und verarbeitete die Geschichte einer verschworenen Gemeinschaft Schiffbrüchiger zur Zeit der sterbenden DDR, die sich in der Gaststätte „Zum Klausner“ zutrug, in seinem preisgekrönten Roman „Kruso“. „Zum Klausner“ am Dornbusch erreicht man zu Fuß und kann dort reiten lernen oder den Blick über die Insel genießen.

Jasmund: Nationalpark und Sagenwelt
Der Nationalpark Jasmund, eine Art „Rügener Schweiz mit Kreide“, ist geprägt von hohen Buchen, die sich im flachen Erdreich festzukrallen scheinen. Die Wanderwege der Stubnitz, einem Teil des Nationalparks, führen zur Stubbenkammer mit Königsstuhlaussicht. Die Victoria-Sicht, ein paar hundert Meter entfernt, bietet einen vielleicht weniger spektakulären, aber dafür oft ungestörten Blick auf den Königsstuhl.

Der Herthasee, eigentlich „schwarzer“ oder „Brocksee“ genannt, ist Schauplatz einer alten Sage: Die Göttin Hertha soll hier gebadet und anschließend ihre menschliche Gefolgschaft durch den See verschlingen lassen haben. Die Bewohner des am See gelegenen Burgwalls, einer Slawenburg, sollen der Göttin am Opferstein Menschenopfer dargebracht haben, deren abfließendes Blut Rinnen in die Erde grub.
Im Breger Hafen bereiten sich Segelboote auf ihren Winterschlaf vor.

Juliusruh und die Schabe: Strand und Stille
In Juliusruh, wo Studenten bis 1988 vormilitärische Ausbildung absolvierten, findet man hinter dem Küstenschutzwald den 8 Kilometer langen und sehr breiten, geschützten Strand auf der Schabe, der Verbindungslandzunge zwischen Wittow und Jasmund. Wer mit offenem Geist auf dieser Insel unterwegs ist, wird hier „sein snde wit“ finden – man darf nur nicht danach suchen. Denn auf Rügen ist der Pulsschlag das Licht.

Mehr als nur eine „Kreml-Wanze“: Die Geschichte des Saporoshez in der DDR

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In der Deutschen Demokratischen Republik war er gleichermaßen verschrien und begehrt – der Saporoshez, ein Kleinwagen aus sowjetischer Produktion. Während man im Volksmund spöttisch sagte, wer früher eine Ziege fuhr, fahre heute einen Saporoshez, war er für viele der einzige Weg zur schnellen motorisierten Freiheit.

Die Produktion des Saporoshez begann 1960 im ukrainischen Saporischschja. Die Karosserie kopierten die sowjetischen Ingenieure kurzerhand von Fiat. Erste Modelle dieses „schnittigen Kleinwagens“ kamen 1967 in die DDR, auch nach Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt. Der große Vorteil des Saporoshez: Während man zu dieser Zeit bereits jahrelang auf einen Trabant warten musste, gab es den Saporoshez sofort.

Doch schnell sprach sich herum, dass das Auto weder für schnelle noch für lange Fahrten taugte. Hunderte nagelneue Saporoshez rosteten in einem Auslieferungslager in Berlin vor sich hin. Beim Großteil der Bevölkerung war er als „Kreml-Wanze“ oder „Cordhosen-Traktor“ verschrien, viele warteten lieber jahrelang auf einen Trabant. Autokäufer wurden auch vom winzigen Kofferraum abgeschreckt. So verschwanden Familien wie die Eckerts nicht mit Koffern, sondern mit Einkaufstüten bepackt in den Ostseeurlaub, die Socken wurden „überall in die Ecken gedrückt“, weil ein sprachlicher Koffer „einfach nicht rein“ ging.

Es gab jedoch Entwicklungen: Die „Aktuelle Kamera“ pries einen neuen Saporoshez an. Es handelte sich um den Saporoshez SAS 966, der mit einem stärkeren Motor und Detailverbesserungen in die Serienfertigung ging. Diesen gab es mit 40 PS und 1200 Kubikzentimetern Hubraum. Er kostete um die 11.000 Mark, etwa so viel wie ein Trabant. In manchem war der Saporoshez dem Zweitakter aus Zwickau überlegen. Wo sich der Trabant den Berg hinauf quälte, zog der Saporoshez jetzt locker vorbei. Fahrer und Beifahrer hatten viel Beinfreiheit, da der Motor beim neuen Modell ebenfalls hinten war. Die Sitze waren gut gefedert.

Trotz Verbesserungen blieben Probleme und Gerüchte bestehen. Auf Dauer waren auf der Autobahn nicht mehr als 90 Kilometer pro Stunde drin, sonst drohte der Motor zu überhitzen. Schrecken verbreitete auch die benzinbetriebene Heizung. Diese machte Geräusche, die noch 2-3 Minuten weitergingen, nachdem die Heizung ausgeschaltet war. Besonders an Tankstellen wurde die Heizung misstrauisch beäugt; wenn jemand das Geräusch hörte, konnte es sein, dass man gleich „alles schein ausgestanden zusammen“ bekam. Regelmäßig kam es vor, dass Autos einfach abbrannten. Das passierte oft, weil viele versuchten, die Heizung selbst zu reparieren. Wenn dabei die Dichtung beschädigt wurde, tropfte Benzin genau auf die Heizung, die dann Feuer fing.

Die Ersatzteilsituation und die Verarbeitung wurden immer schlechter. Die Qualität entsprach dem sowjetischen Standard. Für deutsche Begriffe gab es „einige Ungereimtheiten“. Da gab es Rosttätigkeiten in der Karosserie oder Klappergeräusche. Der Saporoshez-Fahrer musste einiges ertragen, seine Autos wurden als „Tiger-Trommel“ und „Kolchosen-Traktor“ verspottet.

Doch alles in allem war der Saporoshez auch ein robustes Auto. Er war für russische Holperpisten konstruiert, geländegängig, wenn auch langsam. Ein Großvater war angeblich „äußerst zufrieden“, nachdem er ihn zehn Jahre ohne Probleme gefahren hatte. Doch als er ihn seinem Enkel schenkte, stand das Auto spätestens vier Wochen später mit Motorschaden wieder zu Hause.

Pro Jahr wurden etwa 10.000 Saporoshez in der DDR zugelassen – „verschwindend wenige“ im Vergleich zu anderen Fabrikaten. 1979 wurde der Import wegen zu großer Qualitätsmängel eingestellt. Fast zur gleichen Zeit begann Thomas Eckert eine Lehre als KFZ-Schlosser in einer Saporoshez-Vertragswerkstatt. Zu tun gab es dort genug, denn in der DDR wurde kaum ein Auto verschrottet.

Ende der 80er Jahre rollte ein neuer, modernerer Saporoshez im Werk in Saporischschja vom Band. Im Herbst 1989 wollte die DDR den Import wieder aufnehmen, doch dann kam die Wende. Niemand wollte jetzt noch Trabant oder Saporoshez fahren.

Thomas Eckert blieb der Marke treu, baute einen alten SAS 965 originalgetreu auf. 1992 eröffnete er mit seinem Bruder eine eigene Autowerkstatt und repariert dort bis heute die letzten verbliebenen Saporoshez. Schätzungsweise 150 tuckern heute noch durch Deutschland. Sie waren und bleiben Exoten.

Übrigens: Ein prominenter Fan des Saporoshez ist kein Geringerer als der russische Präsident Wladimir Putin. Es war sein erstes Auto, das seine Mutter in der Lotterie gewonnen hatte. Trotz seiner Mängel hat der Saporoshez eine einzigartige Geschichte in der DDR hinterlassen.

Schwedt am Scheideweg: Eine Industriestadt ringt um ihre Zukunft

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Schwedt/Oder, Brandenburg – Die industriell geprägte Stadt Schwedt in Brandenburg befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Strukturwandels, der Zukunftsängste schürt und das politische Klima verändert. Seitdem der Bund beschlossen hat, auf Öl aus Russland zu verzichten, steht die PCK Raffinerie, das wirtschaftliche Herz der Stadt, vor massiven Problemen.

Jahrzehntelang war Schwedt eng mit der PCK Raffinerie verbunden, die kontinuierlich mit russischem Öl versorgt wurde. Doch der Krieg gegen die Ukraine hat diese Ära abrupt beendet. Seit 2023 darf kein russisches Öl mehr über die Druschba-Pipeline importiert werden. Die Raffinerie, mehrheitlich im Besitz des russischen Staatskonzerns Rosneft und unter deutscher Treuhandverwaltung, muss ihr Öl nun teuer auf dem Weltmarkt einkaufen – ein unwirtschaftliches Unterfangen.

„PCK hustet, der Rest hat Lungenentzündung“
Die Folgen sind dramatisch. Konstanze Fischer, eine Augenärztin in Schwedt, bringt die Sorge auf den Punkt: „Die Sorge ist einfach, dass wenn dieser industrielle Kern praktisch verloren geht, dann fallen eine Menge gute Arbeitsplätze weg, dann fallen in der Umgebung dieser PCK Raffinerie gute Arbeitsplätze weg und dann werden die jungen Leute wegziehen komplett und dann ist das sowas so, wo man dann irgendwann, ich sage mal, ein Zaun drum machen kann und Wolfsbeobachtungsgebiet“. Dieser Satz fasst die Befürchtungen vieler zusammen, die spüren, dass „wenn PCK hustet, [dann hat] der Rest des Landes hier Lungenentzündung“.

Tatsächlich läuft die Raffinerie teilweise unter 80 Prozent Auslastung, während die Kosten bei 100 Prozent bleiben, was zu Unwirtschaftlichkeit führt. Ein Hauptgrund ist die unzureichende Kapazität der Pipeline vom Rostocker Hafen nach Schwedt; ein Ausbau wird von der Belegschaft dringend gefordert.

Die wirtschaftliche Unsicherheit schlägt sich auch in sinkenden Steuereinnahmen nieder. Die Bürgermeisterin berichtet von einem massiven Gewerbesteuereinbruch, der bereits dazu geführt hat, dass geplante Sanierungen, wie die einer Straße, aus dem städtischen Haushalt gestrichen werden mussten.

Politische Ernüchterung und neue Hoffnung
Die Frustration der Bürger ist spürbar. Bei der vergangenen Bundestagswahl erhielten AfD und BSW in Schwedt mehr als die Hälfte der Stimmen – ein deutlicher Bruch mit der Vergangenheit, denn Schwedt war einst eine absolute SPD-Hochburg. Viele fühlen sich von politischen Versprechen enttäuscht. Der Bundeswirtschaftsminister hatte vor über zwei Jahren eine Umwandlung des Standortes in eine Drehscheibe für Wasserstoff statt Erdöl in Aussicht gestellt, doch „viel passiert ist aber bislang nicht“. Ministerpräsident Dietmar Woidke (Brandenburg) hat sich zwar für Fördermittel zur Ansiedlung von Zukunftstechnologien eingesetzt, doch die konkreten Auswirkungen stehen noch aus.

Trotz der Widrigkeiten regt sich in Schwedt auch Widerstand und der Wille zur Gestaltung der Zukunft. Unternehmen der Stadt und eine regionale Hochschule haben eine Startup Challenge ausgerufen, um Gründerfirmen mit grünen Technologien und Fördermitteln die Veränderung vorantreiben zu lassen. Ein konkretes Projekt ist das geplante Transformationszentrum, kurz Trafo, das auf dem Platz des alten Busbahnhofs entstehen soll und rund 18 Millionen Euro Fördermittel von der EU erhält.

Während Schwedt weiterhin mit nicht genügend Öl für seine Raffinerie zu kämpfen hat, klammert sich die Stadt an die Hoffnung, durch neue Technologien und lokale Initiativen einen Weg aus der Krise zu finden. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, um den befürchteten Exodus junger Menschen und den Niedergang einer ganzen Region abzuwenden.

West-Karossen für das Politbüro: Eine Zeitreise auf vier Rädern

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Sachsenring, Herbst 2020. Edles Blech und Chrom glänzen im herbstlichen Licht auf dem kühlen Sachsenring. Ein außergewöhnliches Treffen zieht die Blicke auf sich: 23 ehemalige Regierungsfahrzeuge der DDR haben ihren großen Auftritt. Unter ihnen zahlreiche Volvos, wie der Volvo 270 von Wolf-Michael, der seit seiner Jugend eine Faszination für diese Fahrzeuge hegt und sich 1985 schwor, eines Tages selbst solch ein Auto zu besitzen. Doch warum setzte der DDR-Staatsapparat überhaupt auf teure West-Limousinen, statt auf heimische oder sowjetische Modelle? Eine Spurensuche.

Luxus auf Rädern: Warum der Westen? Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig. Björn Herrmann, Autor des Buches „Autos in der DDR“, erklärt, dass die sowjetischen Fahrzeuge, wie der Chaika, technisch nicht mehr weiterentwickelt wurden. Sie galten oft als „technisch abgängig“ und waren zudem „verbrauchsintensiv“. Auch der in der Tschechoslowakei entwickelte Tatra 613 konnte die Führung nicht überzeugen; ein Minister soll kritisiert haben, er „klingt [und] beschleunigt wie in der Kabelnuss“, womit er aus dem Rennen war. Westliche Staatskarossen waren zudem schlichtweg repräsentativer. So deckte sich die Partei- und Staatsführung mit harten Devisen im neutralen Schweden mit Volvo-Fahrzeugen und in Frankreich bei der Firma Citroën ein.

Hinter den Kulissen: Wartung und Privilegien Der Umgang mit diesen Luxuswagen war ein Privileg weniger. Erich Honeckers ehemaliger Bodyguard und Chauffeur, Bernd Brückner, nahm an Fahrsicherheitstrainings teil, bei denen extra angeschaffte Übungsfahrzeuge „vorsätzlich im Jargon verschrottet“, also kaputt gefahren wurden – ein Anblick, der selbst für die involvierten DDR-Bürger schmerzlich gewesen sein muss. Die Wartung der West-Karossen oblag der hauseigenen Fahrbereitschaft. Da der Service und die Durchsicht nicht aus dem Westen vorgegeben wurden, mussten sich die Mechaniker, Meister und Ingenieure der Fahrbereitschaft selbst in die Fahrzeuge einarbeiten. Wolfgang Bessler, der seit den 70er Jahren in Honeckers Fahrbereitschaft arbeitete und dort seine Ausbildung zum KFZ-Schlosser absolvierte, war fasziniert von der Technik.

Für den jungen Mechaniker aus Oranienburg bot sich kurz nach seiner Hochzeit 1979 eine unglaubliche Chance: Er und drei Kollegen durften ins westliche Ausland reisen. Sie wurden für zwei Wochen nach Paris geschickt, um sich mit französischer Autotechnik vertraut zu machen. Die Eindrücke waren für den damals 26-Jährigen überwältigend – vom Eiffelturm über den Arc de Triomphe bis hin zu Fahrten mit der Metro und Abenden in kleinen Etablissements. Danach ging es weiter zum Lehrgang ins weniger aufregende Schweden, bevor die Männer auf dem Rückweg die neuesten Volvo-Modelle für den Partei- und Staatsratsvorsitzenden selbst überführten.

Komfort für die Bonzen, Rumpeln für das Volk Obwohl der Großteil des Polit-Fuhrparks aus Volvos bestand, entwickelte sich Erich Honecker in den 80er Jahren zum Fan der französischen Citroëns. Besonders die hydropneumatische Federung dieser Fahrzeuge bot ein unvergleichliches Fahrgefühl – „fahren wie Gott in Frankreich“, selbst auf den mangelhaften Straßen der DDR. Dies stand im krassen Gegensatz zur Realität der meisten DDR-Bürger, die sich mit Trabanten und Wartburgs begnügen mussten. Der ehemalige Honecker-Bodyguard Bernd Brückner erinnert sich an den Unterschied: „Wir haben es mitbekommen, wir sind im Trabant dann, wenn wir frei hatten, die gleiche Strecke land gefahren und der Trabant verhält sich anders beim Durchfahren von Schlaglöchern“. Diese Diskrepanz führte zu Frust in der Bevölkerung. Garrett Kaul, Oldtimer-Fachmann, berichtet, dass hinter vorgehaltener Hand oft zu hören war: „Die Bonzen fahren solche ganzen Autos, wir müssen diese Therapieform des Grab zu holen“.

Vom Hassobjekt zum Kultobjekt: Der Wandel der Wahrnehmung Doch die Zeiten haben sich geändert. Waren die „Bonzen-Autos“ vor 20 Jahren noch Zielscheibe von Wut und Zerstörung, freuen sich heute die Menschen. Regelmäßige Treffen der heutigen Besitzer dieser Staatskarossen, wie 2017 in Dresden, stoßen auf große Freude bei den Passanten. Für Rolf Marke, einen der heutigen Besitzer, ist es mehr als nur Ostalgie: „Diese Fahrzeuge waren für den Normalbürger unerreichbar. Und heute ist es so, dass wir an so einem Tag ganz einfach nur zum Spaß mit diesen Autos herumfahren“. Die Fahrzeuge, einst Symbole der unerreichbaren Macht, sind nun „im wahrsten Sinne des Wortes in Volkes Hand“, stiften Freude und schaden niemandem mehr. Selbst wenn 2020 viele Aktionen pandemiebedingt ohne großes Publikum stattfinden mussten, genießen die Besitzer die Spritztouren mit ihren liebevoll gepflegten DDR-Staatskarossen. Die ehemaligen Luxus-Liner des Politbüros sind heute ein Stück gelebte Geschichte auf vier Rädern, das Faszination statt Groll weckt.