Jenas Migrationsbericht – Zwischen Integration und Gentrifizierung

Wer sich durch die 80 Seiten des neuen Migrationsberichts der Stadt Jena kämpft, erkennt schnell: Die Stadt bemüht sich, sie integriert, sie qualifiziert. Aber sie kann an vielem schlicht nichts ändern – die Zuweisung von Flüchtlingen erfolgt von außen.

Und doch fällt auf: Ein strategischer Fehler prägt Jena bis heute. Als die großen Flüchtlingswellen kamen, hat man es versäumt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – obwohl die Angebote damals auf dem Tisch lagen. War es Kalkül, Flüchtlinge gar nicht dauerhaft unterbringen zu wollen? So oder so: Der Konkurrenzkampf um Wohnungen verschärfte sich, die Gentrifizierung nahm Fahrt auf.

Bis heute landen Menschen mit Migrationshintergrund oft in Winzerla, Lobeda oder Jena-Nord – weil dort die billigeren Wohnungen stehen und der Staat die Miete zahlt. Doch ein echter Sicherungseffekt für das Gemeinwesen blieb aus. Auch die Chance, die Stadt für Zuzüge aus dem Umland attraktiver zu machen, hat man vertan.

Hinzu kommt: Man sieht auch, in welche Bereiche Migranten letztlich nachrücken – vor allem in den Dienstleistungssektor, in Reinigung, in einfache Tätigkeiten. Nicht selten fehlt die Qualifikation oder sie wird in Deutschland schlicht nicht anerkannt. Hier muss klar unterschieden werden: zwischen Geflüchteten auf der einen Seite und ausländischen Arbeitskräften, die bewusst als Fachkräfte angeworben werden. Doch gerade in diesem Bereich wissen wir, wie schwierig es ist, tatsächlich hochqualifizierte Menschen dauerhaft zu gewinnen.

Ein weiterer strategischer Fehler war der Glaube, man könne die Qualität der Stadt durch das Umland „mitqualifizieren“. Das war schon immer eine Illusion. Die eigentliche Qualität kam direkt aus Jena – aus den Universitäten, den Instituten, den Unternehmen, dem Leben in der Stadt. Durch das Verwischen mit dem Umland ist diese Qualität eher gesunken. Heute sehen wir, dass Kindergärten schließen müssen, weil das Fundament brüchig geworden ist. Die alten Ideen der Impulsregion, der Impulsstädte Erfurt-Weimar-Jena, hätten beibehalten werden müssen – nicht nur in Wissenschaft und Wirtschaft, sondern auch im gesellschaftlichen Leben. Doch stattdessen hat man Jena Stück für Stück ans Umland angepasst, anstatt die Stadt als Impulsgeberin stark zu halten.

Und dann stellt sich die große Frage: Wo war eigentlich die Politik in all den Jahren? Seit Jahren nickt der Stadtrat alles ab. Obwohl es genügend Angebote gab, wirklich guten und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist nichts passiert. Wo sind sie denn alle nur hin, die Verantwortlichen? Warum hat niemand aus den Fehlern gelernt?

Es betrifft letztlich alle Parteien – alle haben sie zugesehen, wie Jena Stück für Stück seine Chancen verspielt. Alle haben sie aufgegeben, noch das Beste aus dieser Stadt herauszuholen. Man sieht es nicht nur beim Thema Wohnraum, sondern auch bei Ordnung und Sicherheit: Stillstand, Ratlosigkeit, Wegducken.

Worum es jetzt gehen müsste, ist klar: weg von den Geschäftsmodellen mit Grund und Boden, hin zu gutem, bezahlbarem Wohnraum. Nicht mehr Rendite, sondern Lebensqualität. Nicht mehr Marktlogik, sondern Gemeinwesen. Alles andere führt Jena weiter in die Sackgasse.