Santiago de Cuba, die zweitgrößte Stadt der Insel mit rund einer halben Million Einwohnern, ist das Herzland der MZ-Motorräder aus der ehemaligen DDR. Über 10.000 dieser Maschinen sollen hier noch fahren, was mehr als die Hälfte aller zugelassenen Motorräder in der Stadt ausmacht. Diese hohe Dichte an MZ-Motorrädern im Verhältnis zur Bevölkerung macht Kuba weltweit einzigartig und zu einem wahren „lebendigen Museum für Made in Zschopau“.
Ein Erbe der DDR-Gastarbeiter Viele Tausend Kubaner waren in den 1980er Jahren Gastarbeiter in der DDR. Sie nutzten die seltene Gelegenheit, sich dort eine MZ zu kaufen und brachten diese wertvollen Maschinen mit zurück auf die Insel. Damals kostete eine MZ beispielsweise 4.150 DDR Mark. Heute kann ein solcher Oldtimer in Kuba bis zu 10.000 US-Dollar wert sein. Eine der Hauptgründe für den Kauf war die Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen und die Erlaubnis der Botschaft, der Chefs und der Regierung, Motorräder während des Studiums oder der Arbeit in der DDR zu importieren. Die MZ galt als eines der Exportschlager der DDR und wurde in über 100 Länder verkauft. Besonders beliebt waren die Modelle MZ 175 und 250 Kubikzentimeter aus Zschopau, bekannt für ihre Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit.
Meister der Improvisation und Pflege Die MZ-Motorräder in Kuba sind nicht nur Transportmittel, sondern Kultobjekte, die liebevoll gepflegt werden. Da die MZ-Fabrik in der ehemaligen DDR nach ihrer endgültigen Insolvenz 1991 geschlossen wurde, sind Ersatzteile extrem selten. Kubaner sind daher Weltmeister im Improvisieren: Sie behelfen sich mit Nachbauten, nutzen gebrauchte Teile von anderen Motorradmarken, die angepasst werden müssen, oder recyceln alles, was sie finden können, selbst Teile aus stillgelegten Bussen. Dieses Wirtschafts-Embargo der USA zwingt die Menschen zu Kreativität.
Die Reparatur und Wartung der MZ erfolgt oft in improvisierten Motorradwerkstätten, die sich häufig in Wohnhäusern befinden und auf bestimmte Bereiche wie Stoßdämpfer, Vergaser oder Elektrik spezialisiert sind. Umelio beispielsweise kümmert sich ausschließlich um Motoren der MZ ETZ 250, da er diese Marke für besonders robust hält: „Dieses Modell kennt kein Limit, solange man dieses Motorrad gut behandelt, gibt es für jedes Problem eine Lösung“.
Die Robustheit und einfache Bauweise der MZ machen sie ideal für die oft schlechten Straßen Kubas mit vielen Schlaglöchern. Vieles kann selbst repariert werden, und die Pflege ist einfach. Die wöchentliche Kettenwartung beispielsweise trägt zur Langlebigkeit bei, was auf Kuba entscheidend ist, da Haltbarkeit das Wichtigste ist.
Die MZ im kubanischen Alltag In Kuba ist Benzin knapp, es gibt nur wenige Autos, und der öffentliche Nahverkehr besteht hauptsächlich aus Motorrädern. Die MZ wird für alles genutzt: als Transportmittel im Alltag, für Taxifahrten (Santiago ist die einzige Stadt mit offiziellen Taxi-Lizenzen für Motorräder), für Familienausflüge oder um Freunde zu besuchen. Sie ist ein schnelles Fahrzeug, das gut vorankommt, wenig Benzin verbraucht und nicht zu groß ist. Die Kubaner fahren wann immer sie können mit ihrer MZ zum Strand, um dort das Wochenende zu verbringen oder Geburtstage zu feiern.
Die MZ ist so tief in der kubanischen Kultur verwurzelt, dass die Kubaner ihre Motorräder liebevoll „motosykletter Allemann“ nennen – deutsches Motorrad. Die Maschinen sind nicht nur praktisch, sondern auch ein Statussymbol: „Das ist der Motorrad und das wertvollste Pferd, das sind diese hier und die Mädchen, die Mädchen stehen voll drauf“.
Trotz täglicher Herausforderungen wie Stromausfällen, die Reparaturen verzögern können, oder der Knappheit von Materialien, stirbt die Hoffnung auf Kuba zuletzt. Die MZ-Motorräder sind ein lebendiger Beweis für die Ingenieurskunst der DDR und die erfinderische Anpassungsfähigkeit der Kubaner, die diese Kultmaschinen über 30 Jahre am Laufen halten.