Lost Place und Denkmal: Der langsame Niedergang der Baumwollspinnerei Gückelsberg

Die ehemalige Baumwollspinnerei in Gückelsberg, einem Ortsteil von Flöha, erzählt eine lange Geschichte sächsischer Industriekultur. Einst ein florierendes Unternehmen, steht die Anlage heute größtenteils leer und verfällt, doch als Denkmal ist ihr Abriss untersagt. Nur die sanierte Fabrikantenvilla zeugt noch von besseren Zeiten.

Die Ursprünge der Spinnerei reichen bis ins Jahr 1820 zurück, als das erste Gebäude der Baumwollspinnerei Heimann errichtet wurde. Zu dieser Zeit gab es noch keine spezifische Industriearchitektur oder Erfahrung im Fabrikbau. Entsprechend wurden die ersten Gebäude in Anlehnung an die damals vorherrschende Schlossarchitektur entworfen und gebaut. Ein markantes Beispiel hierfür ist der für Schlösser typische Dreiecksgiebel am Altbau der Fabrik.

Die Fabrik wechselte im Laufe der Zeit den Besitzer und erlebte Erweiterungen. Im Jahr 1919 übernahm der Flöhaer Stadtrat William Schulz die Spinnerei und führte sie als Kommanditgesellschaft. Eine bedeutende Erweiterung erfolgte 1927 mit dem Bau eines Neubaus in Stahl-Betonweise. Damals beschäftigte das Unternehmen, das in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, etwa 300 Arbeiter und Angestellte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderten sich die Verhältnisse drastisch. Der damalige Firmeninhaber Schulz wurde 1946 ohne Entschädigung enteignet und musste aufgrund von Lebensgefahr aus der sowjetischen Besatzungszone fliehen. Die Spinnerei Gückelsberg, zunächst noch eigenständig, wurde 1953 zusammen mit Fabriken in Plauen und Hohenstein zum VEB Vereinigte Baumwollspinnerei und Zwirnerei vereint. Ab den 1970er Jahren diente die Fabrik vorwiegend Ausbildungszwecken. Dies hatte wohl pragmatische Gründe, da sich die Berufsschule nur rund 300 Meter entfernt auf der anderen Uferseite der Flöha befand.

Nach der Wende 1990 wurde die Fabrik zwar in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, doch dies konnte den wirtschaftlichen Niedergang nicht aufhalten. Die Produktion wurde schließlich 1994 endgültig eingestellt. Die Betriebsanlagen wurden anschließend veräußert.

In den Folgejahren gab es Versuche, das Gelände neu zu beleben. Hallen und noch nutzbare Gebäude wurden an Gewerbekunden vermietet. Zu den bekanntesten Mietern zählten Fliesenkriegmann und Möbeltick. Allerdings erwiesen sich die scharfen, engen und steilen Zufahrten von der B173 auf den Fabrikweg als Hindernis für eine dauerhafte gewerbliche Nutzung. Etwa ab 1999 stand das gesamte Fabrikgelände ohne gewerbliche Mieter da. Nach dem Jahr 2000 nutzte ein Paintballverein als Letzter Teile des Neubaus.

Das Ende jeglicher Perspektive für eine Nachnutzung besiegelten schließlich das Hochwasser im Jahr 2002 und mehrere ungeklärte Brände im ehemaligen Hauptgebäude.

Heute steht die gesamte Fabrikanlage unter Denkmalschutz und darf daher nicht abgerissen werden, auch wenn die Gebäude – mit Ausnahme des Neubaus – inzwischen in sich zusammenfallen. Das bekannteste und heute auch einzig sanierte Gebäude auf dem Gelände ist die Villa Gückelsberg. Diese diente einst den Fabrikbesitzern zu Wohnzwecken und wird heute für Hochzeiten genutzt. Die übrigen Fabrikgebäude bleiben als stumme Zeugen einer vergangenen Industrieära im Verfall zurück.