Der „Sound des Ostens“ lebt und funktioniert auch heute noch in vielen Klängen. Für viele ist er mehr als nur Musik – er ist ein tief verwurzeltes Lebensgefühl, das Erinnerungen an die Jugendweihe, Bratwurst am 1. Mai und die Kulthits der DDR weckt. Radiomoderator Thomas Ostermann spielt und moderiert seit zwei Jahren auf Antenne Thüringen Ostrock, Musik, die einst im Land hinter der Mauer streng zensiert wurde. Das Feedback nach Sendestart war phänomenal, da dieser Sound vielen Menschen offensichtlich gefehlt hat.
Damals im Sozialismus wurde Musik für Rockstars wie die Band City zur Nische. Sie mussten sich im politischen System zurechtfinden. Tony Krahl, der Frontmann von City, saß sogar selbst im Stasi-Gefängnis. Mit 19 Jahren wurde er wegen einer Protestaktion gegen die Panzer des Warschauer Paktes in Prag zu einer Haftstrafe verurteilt. Er erinnert sich an die Enge der Zelle und die Verurteilung zu drei Jahren Gefängnis, die jedoch später in eine Bewährungsstrafe umgewandelt wurde. Nach der Haft hatte ein politisch Verurteilter kaum Perspektiven in der DDR, weshalb Krahl sich eine Nische suchen musste – und diese in der Musik fand.
Mit der Band City mischte er die Musikwelt auf, besonders im Westen jenseits der Mauer. Ostbands machten dort ab den 70er Jahren Furore. Ihre Beatmusik auf Deutsch mit Texten, die mehr Inhalt als nur Liebe und Sonnenschein boten, war neu. Für City war dies ein riesiger Erfolg. Der wohl größte Hit des Ostrocks, „Am Fenster“, stand wochenlang auf dem ersten Platz der Hitparaden. Obwohl sie weltweit 10 Millionen Platten verkauften, wurden die Musiker finanziell kaum reich; die Einnahmen reichten gerade für den Aufenthalt in der Kantine.
Nicht nur Musik war im Osten politisch und zensiert. Für die Bands in der DDR war es eine Kunst aus Not. Texte wurden zu Ventilen „zwischen den Zeilen“ für das, was im Mauerstaat ungesagt bleiben musste. Das Publikum in der DDR war geübt darin, sich seine Botschaften selbst zwischen den Zeilen zu suchen. Die Texter mussten Großes leisten, um die Botschaft ans Volk zu bringen, ohne dass die zensierenden Kulturbehörden sie auf Anhieb durchschauten.
Auch im Radio gab es Vorgaben. DJs wie Thomas Ostermann, damals Schallplattenunterhalter, mussten eine Quote erfüllen: 60% der Titel mussten aus dem Ostblock und 40% aus dem nichtsozialistischen Ausland stammen. Allerdings wurde sich daran oft nicht gehalten, um das Publikum in den Discos nicht zu verlieren.
Ende der 80er Jahre waren die DDR-Songs nicht nur der Klang des Ostens, sondern auch Begleitmusik einer extrem bewegten Zeit, als die Ostdeutschen Geschichte schrieben und die Mauer fiel. Die Wende bedeutete auch eine Wende für die Musiker. Sie wurden nicht „abgewickelt“, sondern einige gaben selbst auf, weil sie nicht mehr daran glaubten, mit der Westkonkurrenz mithalten zu können. Mit den 90ern kam neue Musik aus den Radios, und die ostdeutschen Bands suchten ihre Hörer.
Doch über die Jahre feierte der Ostrock ein Comeback und entwickelte sich zur Marke. Plötzlich gab es in Plattenläden ein eigenes Fach für Ostrock. Was früher ein Makel war, wurde zu einem Qualitätsstempel. Während „Ostalgie“ oft als Nische betrachtet wird, geht der Sound der DDR für viele darüber hinaus. Er weckt „unkaputtbare Erinnerungen“ und klingt Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung wieder nach Jugend, Heimat und Gemeinschaft.
Frontmann Tony Krahl macht bis heute Musik, auch wenn seine größten Erfolge vor dem Mauerfall liegen. Er wünscht sich mehr Anerkennung für die ostdeutsche Identität. Er kritisiert, dass bei Feiern zu Jahrestagen des Mauerfalls oder des Tags der Einheit, die von gewöhnlichen Ostlern durchgesetzt wurden, oft keine ostdeutschen Künstler auf der Bühne stehen, sondern internationale Acts. Dies vermittle den Menschen fremde Gefühle und Lebensgefühle. Tony Krahl besingt bis heute das Lebensgefühl eines ganzen Landes und das der Ostdeutschen. Er erhielt 2024 den Bundesverdienstorden. Krahl möchte aktiv bleiben und sich einmischen, besonders da die Gesellschaft wieder Risse zeige. Er betont die Verantwortung jedes Einzelnen für die Schlüsse, die aus Unzufriedenheit gezogen werden, und positioniert sich klar gegen extremistische Tendenzen.
Obwohl Tony Krahl das Ost-West-Denken, das ihn nervt, hinter sich lassen möchte, scheint es offensichtlich noch Bedarf für die Musik des Ostens zu geben. Wenn Musik etwas kann, dann sei es das Verbinden und Massen Mobilisieren. So bleibt der Sound des Ostens für viele mehr als nur Musik.