Die „Fritz Heckert“: Ein schwimmender Traum zwischen Freiheit und „Ostalgie“

Am 25. Juni 1960 lief auf der Mathias-Thesen-Werft in Wismar ein Schiff vom Stapel, das bald zur Legende werden sollte: die „Fritz Heckert“. Als erstes Kreuzfahrtschiff der Deutschen Demokratischen Republik war sie mehr als nur ein Wasserfahrzeug; sie war eine Geschichte von Freiheit, die plötzlich da war und ebenso schnell wieder verschwand. Ein Traum, der viel zu schnell ausgeträumt werden musste und Erinnerungen weckt.

Die „Fritz Heckert“ ist ein typisches Beispiel für den Sozialtourismus. Dies war ein wichtiger Aspekt der DDR, um die Menschen bei der Stange zu halten und die Arbeitsproduktivität zu fördern. Doch für viele Besatzungsmitglieder und Passagiere bedeutete die „Fritz Heckert“ auch die Chance, die Welt jenseits des sozialistischen Tellerrands zu erleben.

Doris und Peter Garscha kamen 1966 an Bord, sie als Stewardess, er als Matrosenlehrling. Für sie lag eine Welt vor ihnen, in der es weder die SPD noch die Stasi gab. Republikflucht kam für sie nicht in Frage. Sie wollten einfach nur die endlose Freiheit erleben. Doris bewarb sich heimlich bei der Reederei, da sie als einziges Kind nicht wollte, dass ihre Eltern davon erfuhren. Sie dachte, den alltäglichen Alltag könne man immer haben, aber die Welt erleben wollte sie jetzt.

Die Reisen führten von Hamburg bis nach Nordafrika, über 59 Häfen in 24 Ländern. Begegnungen mit der kapitalistischen Welt waren skurril, witzig, beinahe anekdotisch. Bei der ersten Ansteuerung Hamburgs führte der Weg natürlich als Erstes durch die Herbertstraße. Die Lehrlinge waren dabei, und ein Matrose wusste vor lauter Schreck nicht, wohin er gucken sollte. Aufklärung über mögliche gesundheitliche Probleme auf Reisen gab es zwar, aber hingucken gehörte dazu.

Doch die „Fritz Heckert“ hatte auch ihre Kehrseite. Bei der Jungfernfahrt kehrten 25 Passagiere und zwei Besatzungsmitglieder der schwimmenden DDR-Insel für immer den Rücken. Auch später, als Reisen in nicht-sozialistische Länder strengstens untersagt wurden, sprangen Menschen oft aus purer Verzweiflung ins kalte Wasser. Die Geschichte der „Fritz Heckert“ wirft auch einen dunklen Schatten zurück.

An Bord waren neben der Besatzung auch Ingenieure und Schiffsärzte. Horst Norberg hielt zwischen 1965 und 1966 als Wachoffizier Wache. Das Schiff konnte bis zu 369 Passagiere in 112 Zwei-, 33 Drei- und 14 Vierbettkabinen unterbringen. Sie genossen den wahren DDR-Luxus: zwei Schwimmbäder, Restaurants mit exotischer Küche, Konzerte und Tanzveranstaltungen. Für die meisten war es ein unvergesslicher Urlaub.
Die Reisen führten nicht nur mit DDR-Bürgern, sondern auch mit westlichen Touristen, Ungarn und Polen, die ebenfalls in westliche Länder reisen durften. Es gab auch Schwarzmeer-Reisen mit ausgezeichneten DDR-Bauarbeitern, LPG-Bauern oder sogar Leuten, die die Fahrt in einer Tombola gewonnen hatten. Es waren ganz einfache Leute, die hell begeistert waren, mit solch einem Schiff zu fahren.

Die Ausstellung im Wismarer Phantechnikum erweckt diese Legende wieder zum Leben. Mit wertvollen Leihgaben des Schifffahrtsmuseums Rostock versucht die Ausstellung, die Geschichte der „Fritz Heckert“ aus verschiedensten Blickwinkeln zu rekonstruieren. Dabei geht es nicht unbedingt um das Schiff als technisches Produkt, sondern um die Emotionen, die Reisen, die dahinter stecken. Die Ausstellung macht die Geschichte wieder sichtbar und berührbar.

Die für den Bau festgesetzten 35.453.000 Mark sollten ursprünglich von volkseigenen Betrieben aufgebracht werden, doch ganze 29,5 Millionen Mark davon wurden allein durch Spenden abgedeckt. Ein richtiges Volksschiff eben. Dies weckt natürlich auch „Ostalgie“. Die Macher der historischen Ausstellung wissen, dass das Nostalgische dabei mitschwingt, aber für sie ist es vor allem Schiffbaugeschichte, die gezeigt werden soll.

Bis 1970 legte die „Fritz Heckert“ sage und schreibe 490.400 Seemeilen zurück. Umgerechnet waren das 23 Erdumrundungen. Danach wurde sie zum Wohnschiff umfunktioniert. 1999 wurde sie schließlich im indischen Mumbai verschrottet. Der Weg dorthin war die letzte Seefahrt des ersten Kreuzfahrtschiffes der DDR. Trotz allem bleibt sie in Erinnerung – als eine Legende.