Wenn die ersten Nebelschwaden über den Tagebau Welzow‑Süd ziehen, beginnt ein modernes Schauspiel aus Mensch und Maschine: Gigantische Abraumbagger legen die bis zu 16 Meter mächtigen Braunkohlenflöze frei, Förderbrücken transportieren Erdschollen ab, und Förderrinnen geben den Blick frei auf das braune Gold, das seit rund 300 Jahren Licht und Wärme in deutsche Haushalte bringt.
Vom tropischen Urwald zur Energiereserve
Vor etwa 17 Millionen Jahren bedeckten dichte Sumpfwälder die heutige Lausitz. Unter dem Druck von Meerwasser und Sandmassen wandelte sich die pflanzliche Biomasse in Braunkohle um. Noch heute finden Geologen in den Flözen versteinerte Baumstrünke, Nadeln japanischer Schirmtannen oder Reste von Kiefernwurzeln. „Diese organischen Strukturen sind Beleg für die Jugend unserer Braunkohle“, erklärt Dr. Markus Fleischer von der geologischen Abteilung.
Vom Handhaspel zum Baggerriesen
Die ersten Schächte am Butterberg in Bockwitz waren noch manuell: Körbe und Handhaspeln förderten das Brennmaterial ans Tageslicht. Heute beherrschen gigantische Schaufelradbagger das Bild. Sie arbeiten im Hoch‑ und Tiefschnitt, tragen pro Hub tausende Tonnen Abraum ab und geben die Rohbraunkohle frei.
Qualitätskontrolle für Millionen Tonnen
Unmittelbar nach dem Abbau werden Flözproben entnommen und ins Labor transportiert. In zwei spezialisierten Einrichtungen ermitteln Chemiker Wasser‑, Asche‑ und Schwefelgehalt sowie Heizwert und Spurenelemente; Petrographen analysieren unter dem Mikroskop die mikroskopischen Bestandteile. Die Daten fließen in ein digitales Flözmodell und steuern später die Aufbereitung: Welcher Bagger liefert welche Qualität, und wie soll der Mischer im Zwischenlager die Kohle beschicken?
Schwarze Pumpe: Herzstück der Energieerzeugung
Täglich fressen sich 36 Züge mit insgesamt 36.000 Tonnen Rohkohle in das Kraftwerk Schwarze Pumpe, das mit 1.000‑Grad‑Flammen Wasserdampf erzeugt. Turbinen drehen sich bis zu 3.000 Mal pro Minute und speisen Energie für bis zu drei Millionen Haushalte ins Netz. Gleichzeitig puffert der Kraftwerkverbund Schwankungen aus Wind- und Solarenergie: Als Regelenergiepartner sichert er das deutsche Stromnetz ab.
Mehr als nur Strom: Wärme und Baustoffe
Neben Elektrizität liefert das Kraftwerk Heißwasser für Fernwärmenetze und Dampf für industrielle Prozesswärme. Aus dem bei der Rauchgasentschwefelung anfallenden Gips entstehen in benachbarten Hallen hochwertige Gipsplatten. Fünf Prozent der gewonnenen Rohbraunkohle werden zu Briketts und Brennstaub veredelt – ohne zusätzliche Bindemittel, aber unter hohem Druck, um Heizkraftwerke im Winter effizient zu versorgen.
Rekultivierung: Neues Leben auf Kippflächen
Kaum jemand ahnt, dass hinter den gewaltigen Grubenlandschaften der Lausitz ein grünes Netzwerk entsteht: Fast 30 Millionen Bäume und Sträucher wurden auf ehemaligen Abraumkippen gepflanzt. Wo einst Kohlebagger tobten, entstehen heute Mischwälder, Biotope für bedrohte Arten und Naherholungsgebiete für Besucher.
Ausblick: Wandel im Revier
Die Lausitzer Braunkohle steht weiterhin für Versorgungssicherheit und Jobs in der Region. Doch der Druck wächst: Klimaschutzziele, CO₂-Bepreisung und der Ausbau erneuerbarer Energien stellen die Branche vor neue Herausforderungen. In Welzow‑Süd wird deshalb intensiv an CO₂-Abscheidung und -Speicherung geforscht, und die Brikettfabriken erweitern ihr Angebot an umweltfreundlichem Brennstaub.
Die Geschichte der Lausitzer Braunkohle ist mehr als eine Erzählung von Kohle, Licht und Wärme. Sie ist ein lebendiges Beispiel für den Balanceakt zwischen industrieller Tradition und ökologischer Verantwortung. Und sie zeigt: Auch im größten Tagebau Europas kann aus schwarzer Vergangenheit grüüne Zukunft wachsen.