Norddeutschland rüstet sich für DDR-Ausreisewelle: Solidarität und Einsatzbereitschaft in der Krise

Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen – Angesichts der überraschenden Grenzöffnung und der damit einhergehenden Ausreisewelle aus der DDR mobilisieren Behörden, Militär und Zivilgesellschaft in Norddeutschland rasch alle Kräfte, um der drohenden humanitären Notlage zu begegnen.

In Hamburg werden Turnhallen in Notquartiere umgewandelt. Provisorische Bettenlager entstehen, um den unerwarteten Zustrom von Flüchtlingen zu bewältigen, während in Schleswig-Holstein bereits 1.400 Plätze in Heimen, Jugendeinrichtungen und Hotels identifiziert wurden. Niedersachsen reagiert mit der Eröffnung von sieben Hilfskrankenhäusern, die rund 2.000 Menschen vorübergehend aufnehmen sollen.

Die Bundeswehr spielt eine zentrale Rolle: In Hamburg werden in den Kasernen zusätzliche 1.000 Plätze geschaffen, sodass bundesweit bereits etwa 28.000 DDR-Neubürger in über 100 Truppenunterkünften untergebracht sind. Auch ausländische Streitkräfte haben ihre Unterstützung zugesagt und bieten weitere Unterkünfte an.

Doch die logistischen Herausforderungen sind enorm. Noch vor dem 9. November 1989 waren viele Notunterkünfte überfüllt – nun verschärft sich die Lage. Neben dem Mangel an Wohnraum stehen die Behörden vor der Aufgabe, Lebensmittel, Kleidung und medizinische Versorgung in einem bislang nie dagewesenen Ausmaß zu organisieren. Provisorische Unterkünfte wie Zelte und Sammelunterkünfte in Kasernen werden zur temporären Lösung, während die hygienischen Bedingungen häufig zu wünschen übrig lassen.

Neben den staatlichen und militärischen Maßnahmen engagieren sich auch Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, Caritas sowie kirchliche Einrichtungen in großem Stil. Diese koordinieren Spendenaktionen, verteilen Kleidung und bieten psychologische Betreuung an. Überdies zeigen viele Bürger große Solidarität, indem sie private Unterkünfte anbieten oder sich ehrenamtlich zur Unterstützung der DDR-Flüchtlinge melden. Erste Integrationsmaßnahmen, etwa durch die Vermittlung offener Arbeitsstellen, deuten zudem auf langfristige Lösungsansätze hin.

Die breit angelegte Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Kommunen und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteuren unterstreicht, wie umfassend die Krisenbewältigung in Norddeutschland organisiert ist. Mit einem Mix aus staatlicher Planung, militärischer Unterstützung und gesellschaftlichem Engagement hofft man, die humanitäre Krise zu meistern und den betroffenen DDR-Flüchtlingen nicht nur kurzfristig Schutz, sondern auch Perspektiven für eine erfolgreiche Integration zu bieten.

Während die provisorischen Maßnahmen auf den akuten Bedarf reagieren, bleibt der dringende Handlungsbedarf bei der Schaffung von dauerhaftem Wohnraum und der weiteren Integration der Flüchtlinge spürbar – ein Auftrag, der die gesamte Gesellschaft fordert.