Die Bezeichnung der DDR als „kommunistisch“ ist in Deutschland bis heute ein umstrittenes Thema, obwohl die Begriffe „sozialistisch“ und „kommunistisch“ in der Praxis oft synonym verwendet wurden, sowohl in der DDR als auch in der Sowjetunion und anderen Staaten des Ostblocks. Dr. Stefan Wolle, Wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums, beleuchtet die komplexen Gründe für diese sprachliche Zurückhaltung und die historischen Hintergründe.
Die Vermeidungsstrategie der SED
Einer der Hauptgründe, warum die herrschende Partei in der DDR – die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) – sich nicht explizit als „kommunistische Partei“ bezeichnete, liegt in ihrer Gründungsgeschichte. Am 21. April 1946 schlossen sich in der sowjetischen Besatzungszone die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) zur SED zusammen. Um die Interessen beider Seiten zu wahren, wurde der Begriff „Kommunismus“ oder „Kommunistische Partei“ streng vermieden. Dieser Zusammenschluss von Sozialdemokraten und Kommunisten und die daraus resultierende Benennung als „Sozialistische Einheitspartei“ blieb bis zur Umbenennung in „Partei des demokratischen Sozialismus“ im Januar 1990 bestehen.
Auch wenn die Parteien in der Tschechoslowakei oder der Sowjetunion sich offen als „kommunistische Partei“ bezeichneten, war dies in den meisten anderen Ländern des Ostblocks, wie Polen, Ungarn, Rumänien oder Albanien, nicht der Fall. Dort wurden stattdessen oft Bezeichnungen wie „Arbeiterpartei“ verwendet, wie etwa die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PVAP).
Kommunismus – eine Frage der Definition
Die Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff „Kommunismus“ liegt auch in seiner Doppeldeutigkeit. Zum einen bezeichnet er eine politische Bewegung, Parteien und ein Weltsystem, das in Resten noch heute in Ländern wie Nordkorea und Kuba existiert. Zum anderen steht „Kommunismus“ in der marxistisch-leninistischen Terminologie für eine Zukunftsvision: eine klassenlose Gesellschaft, die nach dem Sozialismus kommen und keine entfremdete Arbeit mehr kennen würde, sondern Arbeit aus Spaß und zur Selbstverwirklichung. Diese Vision wurde jedoch nie erreicht.
Trotzdem kann man vom Gesamtsystem als Kommunismus sprechen und beispielsweise die Sowjetunion als kommunistisch bezeichnen, zumal sie eine „Kommunistische Partei der Sowjetunion“ hatte. Dr. Wolle betont, dass die Begriffe „sozialistisch“ und „kommunistisch“ sehr oft synonym gebraucht und stark durcheinandergegangen sind.
Der positive Beiklang des Begriffs in Deutschland
In anderen ehemaligen Ostblockländern, wie Polen, Ungarn oder der Tschechischen und Slowakischen Republik, gibt es keinerlei Hemmungen, von einer „kommunistischen Diktatur“ zu sprechen. Dort ist es allgemeiner Sprachgebrauch, die Herrschenden als Kommunisten zu bezeichnen.
Im vereinigten Deutschland hingegen tut man sich schwer, von einer „kommunistischen Diktatur“ in der DDR zu sprechen. Stattdessen wird meist der Begriff „SED-Diktatur“ verwendet, und jeder weiß, was damit gemeint ist. Ein psychologischer Faktor spielt dabei eine Rolle: Im deutschen Sprachgebrauch gilt der Begriff „Kommunist“ oft immer noch als etwas Positives, Heldenhaftes, Fortschrittliches oder Gutes. Viele Menschen stolpern daher über den Begriff „kommunistische Diktatur“ und sprechen lieber vom „SED-System“ oder „SED-Regime“.
Diese Sprachregelung ist auch für die Nachfolgerparteien der SED, wie die PDS und die heutige Linkspartei, sehr bequem. Sie können problemlos von der „SED-Diktatur“ sprechen, da die SED als Partei nicht mehr existiert, und so eine tiefere Auseinandersetzung mit der Ideologie vermeiden, in deren Namen bis 1989 gehandelt wurde. Die Konzentration auf die SED als Organisation, statt auf die dahinterstehende kommunistische Ideologie, ermöglicht es, sich von der Vergangenheit abzugrenzen, ohne die ideologischen Wurzeln offen ansprechen zu müssen.
Die Debatte um die Bezeichnung der DDR bleibt somit ein Spiegel der deutschen Erinnerungskultur und des komplexen Verhältnisses zu ihrer kommunistischen Vergangenheit.