Carmen Maja Antoni: Eine Königin der Bühne und des Lebens

Usedom/Berlin. Wenn Carmen Maja Antoni heute auf Usedum aufs Meer blickt, wo sie seit vielen Jahren ihre Heimat gefunden hat, schließt sich ein Kreis eines Lebens, das von großer Leidenschaft für die Kunst, aber auch von tiefen persönlichen Einschnitten geprägt ist. Die malerische Insel entdeckte sie einst bei Dreharbeiten, doch ihr Weg zur Schauspielikone begann weit entfernt von den ruhigen Küsten Usedoms – in einem Nachkriegs-Berlin voller Trümmer und Entbehrungen.

Der erste Funke in Trümmern und auf der Bühne Carmen Maja Antonis Kindheit war von Sorgen und dem Mangel an Vater und Geld geprägt. Doch schon früh zeigte sich ihr Talent: Im Pionierkabarett des Deutschen Fernsehfunks sammelte die kleine Maja erste Bühnenerfahrungen. Ihre rührenden Auftritte waren der erste Schritt zu ihrem späteren Beruf. Ein Schlüsselerlebnis war, als die Regisseurin einer Kindersendung ihr Talent erkannte und sie ermutigte, die Filmhochschule zu besuchen. Mit gerade einmal 16 Jahren stellte sie sich der Aufnahmekommission der Babelsberger Filmhochschule, damals mitten im Grenzgebiet. Ihre Aufnahmeprüfung war legendär: Sie spielte Lieschen und Grätchen aus Goethes „Faust“, rannte „wie ein Torpedo“ über die Bühne, entriss einem Dozenten die Kaffeetasse und behauptete, es sei der Ziehbrunnen. Das Publikum lachte Tränen, während sie sich über deren vermeintliche Respektlosigkeit ärgerte – und wurde dennoch angenommen.

Vom Potsdamer Hans Otto Theater zur Berliner Volksbühne Bereits während ihres Studiums spielte Antoni ihre ersten Hauptrollen am Potsdamer Hans Otto Theater, darunter die Grusche im „Kaukasischen Kreidekreis“. Für ihre Arbeit erhielt sie erste Ovationen – ein überwältigendes Gefühl der Anerkennung, das sie in ihrer Kindheit oft vermisst hatte. Ihr späterer Kollege Hermann Beer erinnerte sich verblüfft an die junge Darstellerin. In den 60er-Jahren führte ihr Weg von Potsdam an die Berliner Volksbühne, wo sie auf den Schweizer Theaterregisseur Benno Besson traf. Seine fantasievollen und frechen Inszenierungen führten das Ensemble auf abenteuerliche Weltreisen, die sich wie eine „Klassenfahrt“ anfühlten und unvergessliche Begegnungen mit Menschen und Kulturschaffenden brachten. In dieser Zeit entwickelte Antoni auch eines ihrer Markenzeichen im Film: den trockenen Humor.

Eine „Antoni“ am Berliner Ensemble und der Kampf um die Kunst Immer wieder zog es sie jedoch zum berühmten Berliner Ensemble (BE). Helene Weigel hatte ihr einst prophezeit: „Du kommst schon noch, Puppal“. Dort wurde sie endgültig zur „Antoni“, erarbeitete mit dem Theatermann Manfred Karge viele Brecht-Rollen und feierte Erfolge mit seinem Solostück „Jacke wie Hose“, das um die halbe Welt tourte. Ihre charakterstarke Durchsetzungskraft wurde schon damals bewundert.

Das Ende der 80er-Jahre brachte jedoch auch das Ende der DDR. Obwohl Antoni es nicht herbeigesehnt hatte, empfand sie es als unausweichlich. Eine Zeit großer Hoffnungen und Enttäuschungen begann, begleitet von einem „tiefen, traurigen, bluesmäßigen“ Sound. Auch das einst so renommierte Berliner Ensemble geriet in eine Krise: Interne Streitigkeiten und die Auseinandersetzung zwischen alter Leitung und Kultursenat lähmten das Haus, und sogar die Schließung des Theaters wurde öffentlich diskutiert. Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen erinnerte sich an Berlins enorme wirtschaftliche und finanzielle Probleme nach dem Mauerfall, betonte jedoch den Wunsch, Berlins Stärken in Ost und West als kulturelle Hauptstadt zu erhalten. Antoni appellierte in dieser Zeit an die Verantwortung für das Haus und für Brecht.

Triumph im Film und persönlicher Verlust Mitten in diesen Turbulenzen gelang Carmen Maja Antoni ein kleines Wunder: Die ARD verfilmte Erwin Strittmatters Roman „Der Laden“, und sie erhielt eine „wunderbare Rolle“ als anderthalb Meter große Großmutter. Ihre geringe Körpergröße wurde plötzlich zum Vorteil, und sie spielte eine 25-jährige Familiengeschichte vom 60. bis zum 86. Lebensjahr der Figur, obwohl sie selbst erst 50 war. Die Rolle der Großmutter verlangte ihr viel ab – die Aggression und Wut, die sie darstellte, fielen ihr jedoch „relativ leicht“, da sie aus einem Elternhaus kam, in dem es „heiß herging“.

In dieser erfolgreichen Zeit traf die Familie jedoch ein schwerer Schlag: Ihr Mann Malte, ein sensibler und gebildeter Journalist, verlor seine Arbeit und verstarb mit Mitte 50 im Jahr 1999. Für Tochter Jenny, ebenfalls Schauspielerin, war es der „schlimmste Moment“ ihres Lebens. Die Familie saß „gelähmt“ da, und nur der Zusammenhalt half, diese unermessliche Wunde zu überwinden.

Die Ära Peymann und der Abschied vom Welttheater Im selben Jahr übernahm der legendäre Klaus Peymann die Leitung des Berliner Ensembles. Die erste Begegnung zwischen Peymann und Antoni war nicht „Liebe auf den ersten Blick“, doch sie arbeiteten 19 Jahre zusammen. Antoni beschrieb Peymann als „wilden Kerl, einen König, einen Schreier, einen Brüller, einen Rebellen, einen verrückten Kerl“. Sie aber war auch „verrückt“, und beide brannten „besessen von der Idee, Theater zu machen“. Peymann schätzte ihren Humor und ihre Disziplin, während sie seine „unglaubliche Klugheit“ bewunderte. Unter seiner Leitung wurde das Berliner Ensemble wieder zu einem Welttheater. Antoni sah sich selbst nie als Untertan, sondern als „Königin“. Peymann gab ihr die Hauptrolle in seiner Brecht-Inszenierung „Die Mutter“, womit sie in bester Tradition des Hauses stand. Es folgten zahlreiche weitere Erfolge, darunter „Die Präsidentinnen“, „Emmanuel Kant“, „Der gute Mensch von Sezuan“ und schließlich die legendäre „Mutter Courage und ihre Kinder“. Sie wurde Publikumsliebling und erhielt zweimal den renommierten Berliner Kritikerpreis. Nach 40 Jahren stand Carmen Maja Antoni zum letzten Mal auf den berühmten Brettern des BE. Intendant Peymann bereitete ihr einen grandiosen Abschied von der Bühne, und das Publikum entließ sie erst nach einer halben Stunde Standing Ovations.

Authentizität vor der Kamera und familiäres Erbe Auch im Fernsehen ist Carmen Maja Antoni nicht mehr wegzudenken. Iris Berben wollte sie aufgrund ihres „authentischen Spiels“ unbedingt für ihre ZDF-Reihe „Rosa Roth“ gewinnen. Berben bewundert Antoni zutiefst: „Sie spielt nicht, sie ist dieser Mensch“, eine „genaue, tiefgründige Schauspielerin“, deren Überzeugungskraft im Spiel sie einzigartig macht. Schließlich erfüllte sich auch ein lang gehegter Wunsch: Carmen Maja Antoni spielte gemeinsam mit ihrer Tochter Jenny in einem der beliebten Krause-Filme. Jenny Antoni, die selbst Schauspielerin wurde, erinnert sich lebendig an ihre Kindheit im künstlerischen Haushalt, die vielen Künstler und Musiker am BE und die Sommer an der Ostsee mit dem Ensemble. Ihre Entscheidung, Schauspielerin zu werden, traf sie mit 13 Jahren ganz bewusst, als sie sich die Haare grün färben ließ und zum Casting ging.

Heute bilden Tochter Jenny, Sohn Jakob (der in Kanada lebt) und ihre Kinder eine kleine, verschworene Gemeinschaft. Carmen Maja Antoni blickt auf ihr Leben zurück und stellt fest: „Eigentlich hatte ich immer Glück im Leben. Ich konnte das tun und kann es immer noch tun, worauf ich Lust habe und was ich kann“. Ob Theater spielen, Filme drehen, lesen, mit Freunden lachen, große Feste feiern, essen oder fröhlich sein – sie hofft, dies noch eine ganze Weile tun zu können, „wenn uns die Welt nicht im Stich lässt“. Nach solchen Erlebnissen braucht es den Blick aufs Meer und den Wind im Gesicht, um innezuhalten – ein Moment der Ruhe für eine Künstlerin, die die deutsche Bühnen- und Fernsehlandschaft nachhaltig geprägt hat.