Die Deutsche Demokratische Republik (DDR), einst als sozialistisches Vorzeigeland konzipiert, sah sich in ihren letzten Jahrzehnten mit einer Reihe von wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert, die letztlich zu ihrem Ruin führten. Besonders die Ära Erich Honeckers ab 1971 war geprägt von politischen Versprechen, die wirtschaftlich nicht haltbar waren und das Land in eine tiefe Krise stürzten.
Die fatale „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“
Als Erich Honecker 1971 an die Spitze der Partei trat, versprach er den Bürgern eine unmittelbare Verbesserung des Lebensstandards, anstatt sie auf eine bessere Zukunft zu vertrösten. Sein Kernkonzept war die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Formal bedeutete dies eine Stärkung der Sozialpolitik gegenüber der Wirtschaftspolitik, doch in der Praxis führte es zu tiefgreifenden Widersprüchen. Die Bürger erhielten höhere Sozialleistungen, mehr Konsumangebote und bessere Wohnungen. Als Gegenleistung erwartete Honecker politisches Einverständnis und erhöhte Produktivität, um die hohen Subventionen refinanzieren zu können. Die Losung änderte sich von „so wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben“ zu „ich leiste was, ich leiste mir was“.
Diese Politik war stark von Honeckers persönlichen Erfahrungen der Entbehrung geprägt. Er wollte, dass die Arbeiterklasse aus ihrer damaligen Elendsrolle befreit wird, mit einem Dach über dem Kopf, genug zu essen und erschwinglicher Bildung für die Kinder. Ein gigantisches Wohnungsbauprogramm wurde als Kernstück der Sozialpolitik beschlossen, das den Vorkriegszustand der Wohnverhältnisse für die Hälfte der Bevölkerung verbessern sollte. Doch die wirtschaftlichen Realitäten wurden dabei ignoriert.
Das Ende des Mittelstands: Ideologie vor Vernunft
Honeckers Politik schlug auch gnadenlos gegen die verbliebenen Privatbetriebe zu. Unternehmen wie die Damastweberei Aue der Familie Bauer oder die Feinkartonagenproduktion der Nestler KG wurden zur staatlichen Beteiligung gezwungen oder kurzerhand enteignet. Während in der Bundesrepublik Millionen Mittelstandsbetriebe eine entscheidende Wirtschaftsgröße bildeten, schrumpfte ihre Zahl in der DDR dramatisch: Von 17.000 Privatbetrieben, die 1950 noch 25% der industriellen Produktion erwirtschafteten, blieben 1972 nur noch etwa 5.700 halbstaatliche und knapp 2.700 reine Privatbetriebe übrig.
Die Enteignungen waren ein Sieg der Ideologie über die wirtschaftliche Vernunft. Parteifunktionäre sahen ihre Macht durch Unternehmer eingeschränkt, die ein Vielfaches ihrer Gehälter verdienten. Honecker selbst feierte die „Vernichtung des Bürgertums“ als Sieg der sozialistischen Revolution. Die Zerschlagung dieser flexiblen kleinen und mittleren Unternehmen beseitigte jedoch den letzten Rest an Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft an Mangelerscheinungen und Nachfragen. Infolgedessen verschlechterte sich das Angebot an Konsumgütern, da nun die großen staatlichen Kombinate diese Produktion übernehmen mussten.
Absurditäten der Planwirtschaft: Teddys aus der Braunkohle
Die erzwungene Konsumgüterproduktion führte zu kuriosen und ineffizienten Zuständen. Industriebetriebe des Schwermaschinenbaus, deren Fachkenntnis im Bau von Fräsmaschinen lag, mussten plötzlich Elektroboiler herstellen. Braunkohlebergwerke, deren Personal für den Umgang mit Abraum und Kohle ausgebildet war, produzierten Plüschtiere. Ein Stahlwerk stellte Karnickelställe her, und das Schiffbaukombinat Rostock baute neben Schiffen auch Schrankwände und Gartenmöbel.
Diese Umstellung führte zwangsläufig zu Qualitätsmängeln und Kundendiensten, die mit den neuartigen Produkten überfordert waren. Es war ein klares Zeichen, dass die Wirtschaft am Ende war.
Das Subventionsdesaster: Scheinbar billig, tatsächlich teuer
Ein zentraler Pfeiler der Honecker’schen Sozialpolitik war die Politik stabiler Verbraucherpreise. Grundnahrungsmittel, Mieten und Verkehrstarife blieben extrem niedrig – ein Brötchen kostete immer fünf Pfennig, obwohl die Getreidepreise um über 300% stiegen. Um diese Preise zu halten, zahlte der Staat massive Subventionen, deren Volumen von 1,1 Milliarden Mark im Jahr 1960 auf 60 Milliarden Mark im Jahr 1989 anstieg, bei einem Nationaleinkommen von rund 300 Milliarden Mark. Ein Lebensmittelkorb im Wert von 100 Mark wurde 1989 mit 85 Mark subventioniert.
Diese Subventionen führten zu paradoxen Situationen und enormer Verschwendung: Lebensmittel wurden als Tierfutter verwendet, ineffizient geheizte Wohnungen verschwendeten Energie, und es gab kaum Anreize zum sparsamen Umgang mit Ressourcen. Fachleute schlugen vor, Subventionen abzuschaffen und durch direkte Zahlungen wie Kindergeld auszugleichen, aber Honecker lehnte dies ab, um sein Image als „Sozialvater des Landes“ nicht zu gefährden. Die Bevölkerung gewöhnte sich an die niedrigen Preise und empfand keine Dankbarkeit, sondern ärgerte sich über Mangelerscheinungen bei hochwertigeren Konsumgütern.
Export um jeden Preis: Die Schuldenspirale
In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre erhöhte die Sowjetunion die Ölpreise und drosselte ihre Rohölexporte, was die DDR ihrer wichtigen Einnahmequelle für Westgeld beraubte. Eine neue Strategie zur Devisenbeschaffung wurde notwendig: Kredite von westlichen Banken für den Bau neuer Industrieanlagen, um Produkte für den Export in den Westen zu produzieren und damit die Kredite zu bedienen.
Das führte zum „Export um jeden Preis“, bei dem die DDR ihre Produkte oft unter Herstellungskosten verkaufte, um überhaupt Devisen zu generieren. Dies hatte nicht nur wirtschaftlich negative Folgen, da es ein Zuschussgeschäft war, sondern auch gesellschaftlich: Die besten Produkte und Lebensmittel gingen in den Westen, während der eigenen Bevölkerung qualitativ minderwertigere Güter blieben. Der ikonische Designersessel von Rudolf Horn beispielsweise wurde ausschließlich für den Export gefertigt. Die Auslandsverbindlichkeiten der DDR stiegen dramatisch von 8,9 Milliarden Mark im Jahr 1975 auf 19,9 Milliarden Mark im Jahr 1989. Eine Senkung des Lebensstandards, die zur Reduzierung der Schulden nötig gewesen wäre, war politisch nicht durchsetzbar.
Der unvermeidliche Zusammenbruch
Die wirtschaftliche Lage der DDR verschlechterte sich zusehends. Großinvestitionen wie der Bau eines Warmwalzwerks mussten wegen Unfinanzierbarkeit abgebrochen werden. Die bevorzugte Förderung der Mikroelektronik brachte keine nennenswerten wirtschaftlichen Effekte. Die Entmündigung der Wirtschaftskader durch die Partei führte zu Resignation und einem Verlust des Glaubens an das eigene System.
Der Zusammenbruch der DDR war eine unauflösbare Verflechtung von wirtschaftlichem und politischem Versagen. Das Ende der Planwirtschaft eröffnete jedoch auch neue Chancen. Während manche Betriebe wie das Schuhkombinat Weißenfels in der Marktwirtschaft scheiterten, gelang es anderen, wie der Eisenhüttenkombinat Ost (EKO) oder reprivatisierten Familienunternehmen, sich erfolgreich neu zu positionieren. Diese Beispiele zeigten, dass die Menschen in Ostdeutschland durchaus über wirtschaftlichen Verstand und Geschick verfügten – wenn sie nicht durch ideologische Vorgaben behindert wurden.