Rostock, Neuer Markt. Eine Reise in die Vergangenheit Rostocks, geführt von dem Historiker Gerhard Weber, dreht sich in einer aktuellen Episode des „Rostocker Stadtspaziergangs“ um ein rätselhaftes historisches Foto und die tiefgreifenden Veränderungen eines zentralen Stadtplatzes. Im Fokus steht der Neue Markt, einst pulsierendes Herz der Hansestadt, heute nur noch in Fragmenten seiner ursprünglichen Bebauung erhalten.
Der Neue Markt vor der Zerstörung Gerhard Weber lädt die Zuschauer zu einem Standort vor den „Resten der ursprünglichen Bebauung“ am Neuen Markt ein. Eine historische Karte von 1939 zeigt Rostock innerhalb der Stadtmauer als „komplett bebaute Fläche“. Von dieser einst dichten Bebauung sei nach dem Bombenkrieg und späteren Abrissen nur noch wenig übrig.
Ein Originalfoto aus der Zeit um 1910 präsentiert den Neuen Markt in voller Lebendigkeit: Man sieht die Nordseite mit historischer Bebauung, darunter ein „großartiges Ensemble Ecke Ortshof“ – ein Haus, das aus drei Häusern zusammengewachsen war, mit einer einheitlichen Fassade und einem riesigen Dach. Das Bild zeigt reges Markttreiben, eine Droschke mit Pferd, das einen Heusack vor sich hat, und detaillierte Einblicke in das damalige Alltagsleben. Auch die nahegelegene Kronenstraße, einst eine enge Gasse, die im Mittelalter sogar den ungewöhnlichen Namen „Arschkerbe“ trug, wird erwähnt.
Krieg und Trümmerfelder Die Idylle wich mit dem Zweiten Weltkrieg. Aufnahmen aus dem Jahr 1942 zeigen den Neuen Markt bereits als Trümmerfeld: „Die ganzen Häuser sind zerstört“. Später im Krieg wurden sogar noch Fassaden abgestützt. Nach dem Krieg prägten Schutthaufen das Bild, die mit einer „Feldbahn“ abtransportiert wurden.
Das rätselhafte Foto: Eine Suche nach der Zeit Im Zentrum der aktuellen Folge steht ein Foto, das Gerhard Weber vor zwei Jahren von einer Dame geschenkt bekam, welche es wiederum von einem Werkzeugmacher namens Kieß erhalten hatte. Kieß hatte das Bild wahrscheinlich selbst abgezogen. Das Foto zeigt Menschenmassen, die aus der Wollenweberstraße über die Fischbank Kronenstraße Richtung Neuer Markt strömen, umgeben von erheblichen Schuttmengen. Ein junges Mädchen sitzt auf einem Trümmerrest.
Das größte Rätsel: Wann wurde dieses Bild aufgenommen? Es ist definitiv nach dem Krieg, aber laut Weber „nicht 1945 – das ist zu früh“. Er vermutet, es könnte eventuell „schon 1946 sein“. Ein entscheidender Anhaltspunkt zur Datierung wäre das „Notdach“ an der Petrikirche, das auf dem Foto zu sehen ist. Weber selbst hat dieses Notdach später nie mehr gesehen, sondern nur das hohle Kirchenschiff. Wüsste man, wann dieses Notdach entfernt wurde – sei es durch Sturm, Beschädigung oder gezielten Abbau zur Materialgewinnung für den Aufbau der Seitenschiffe – ließe sich der Aufnahmezeitpunkt des Fotos eingrenzen.
Weber schließt aus, dass es sich um eine politische Demonstration (z.B. zum 1. Mai) handelt, da keine roten Transparente zu sehen sind, die zu dieser Zeit schnell verfügbar gewesen wären. Stattdessen spekuliert er, dass es sich um einen Pfingstmarkt handeln könnte, da zwei Buden sichtbar sind, an denen etwas verkauft wird.
Der Aufruf an die Zeitzeugen Die Hauptintention dieser Episode des Stadtspaziergangs ist es, Zeitzeugen zu finden, die sich melden und genau wissen, wann dieses Foto gemacht wurde. Gerhard Weber, bekannt für seine akribische Detailverliebtheit beim Betrachten historischer Bilder, hofft auf Hinweise aus der Bevölkerung, um dieses Stück Rostocker Geschichte zu datieren. Die Suche nach der genauen Entstehungszeit des rätselhaften Fotos geht weiter.