IC Falkenberg: Vom Popstar der DDR zum unabhängigen Liedermacher

Er war wie kein anderer männlicher Popstar in der DDR und schaffte es, die jungen Menschen vergessen zu lassen, wo sie waren. Mit seinem schrillen Aussehen und seinen unverschämt großen Gesten war er ein Exot, ein bunter Vogel, der die sozialistische Musiklandschaft ordentlich aufmischte. Heute, mit 60 Jahren, ist Ralf Schmidt, besser bekannt als IC Falkenberg, zwar vielleicht kein Popstar mehr, aber dafür ein unabhängiger und erfolgreicher Liedermacher.

Die frühen Jahre in Halle und erste musikalische Schritte Geboren im Herbst 1960 als Ralf Schmidt in Halle an der Saale, wuchs er in einer Stadt auf, die abseits des Marktes fast noch mittelalterlich wirkte, eingezwängt zwischen Verfall und dem Rauch der Chemieindustrie. Schon als Kind war er lebhaft, und seine Lehrer wurden nicht müde, dies zu betonen. Mit nur acht Jahren spielte er zum ersten Mal Orgel in einer Kirche. Seine musikalische Karriere begann, als eine Zeitungsannonce des Stadtsingechors zu Halle seine Aufmerksamkeit weckte. Obwohl seiner Familie das Geld für neue schwarze Anzüge fehlte, bestand er die Aufnahmeprüfung und wurde Teil des Chores und der zugehörigen Schule auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen. Hier probte er drei Jahre lang fast täglich unter einem „straffen Regime“. Er trat als Solist auf und sogar als Kinderdarsteller am Theater Halle. In der Schule hingegen gab es Probleme; er geriet regelmäßig mit Lehrern aneinander und wurde schließlich von der Schule verwiesen, weil er als zu „aufmüpfig“ galt und sich gegen „alte Nazi-Überbleibsel“ in der Lehrerschaft zur Wehr setzte. Schon damals wollte er sich von denen unterscheiden, die „ihr Leben schon längst gelebt hatten und einfach komplett in Lethargie verschwunden sind“. Er war kein aktiver Oppositioneller, doch sein Auftreten, das er selbst als „Rüstung“ beschrieb, konnte bei anderen „Aggressionen auslösen“, gab ihm aber auch Kraft.

Der Aufstieg mit Stern Meißen und die Geburt des IC Sein ursprünglicher Plan, Liedermacher zu werden, scheiterte zunächst, da seine Texte über das Leben in der DDR nicht dem sozialistischen Leitbild entsprachen. Doch 1983 bot ihm ausgerechnet eine erfolgreiche Band der älteren Generation, Stern Meißen, eine große Chance. Die Band wollte sich musikalisch verjüngen und suchte nach einem neuen Sound, der dem Zeitgeist der Neuen Deutschen Welle entsprach. Als Ralf Schmidt mit Springerstiefeln und bunten Haaren auf die Bühne trat, wussten die Leute nicht, was auf sie zukam. Die anfängliche Reaktion war katastrophal: Er wurde ausgebuht und sogar mit Würstchen beworfen, und auch die Bandkollegen empfanden es als „extrem peinlich“. Doch der Zeitgeist war auf seiner Seite. Er bewies sein Gespür für die richtigen Melodien zur richtigen Zeit, und seine Texte trafen ins Herz einer jungen Generation. Er brachte junge Menschen „für einen Moment lang an einen anderen Ort“.

Anfang der 80er-Jahre verabschiedete sich der Musiker aus der ostdeutschen Provinz und zog nach Berlin (Ost), wo er sich der Freiheit am nächsten fühlte. Dort gab es einen regen Austausch mit West-Berlinern, und man bekam Platten aus dem Westen. Berlin fühlte sich für ihn wie die „große weite Welt“ an. Mit Stern Meißen kletterte er die Hitparaden hinauf und wurde zum Publikumsliebling, insbesondere bei den weiblichen Fans. Er verzauberte die Leute wie in einer Manege und war mit keinem anderen Kollegen vergleichbar. Seine Eigenkompositionen für Stern Meißen waren „was ganz eigenes“.

Mitte der 80er-Jahre, noch während seiner Zeit bei Stern Meißen, entschloss er sich, unter dem Namen IC (Abkürzung für „integrierter Schaltkreis“, ein Name, der damals nach Zukunft klang) erste elektronische, ultramoderne Songs aufzunehmen. Das Ergebnis beeindruckte sogar Musikkritiker, die sagten, „so was gibt’s ja noch nicht mal im Westen“. Sein „geiler“ und „anderer“ Klang resultierte auch daraus, dass er sich über die in der DDR existierende „0 dB Regel“ hinwegsetzte, die eine Kontrolle der Pegelstände durch die Deutsche Post vorsah und dafür sorgte, dass Schlagzeuge in DDR-Produktionen „komisch“ klangen. 1987 wurde sein Song „Mann im Mond“, ursprünglich als Kinderlied geschrieben, zum Superhit im DDR-Fernsehen und machte ihn zum Popstar der DDR. Er verkaufte Hunderttausende von Alben und war Gast in jeder Jugendsendung.

Der Preis des Erfolgs und die Wende Trotz des immensen Erfolgs war er nicht wirklich glücklich. Es schien, als schlugen „zwei Herzen in seiner Brust“, und er selbst war ambivalent. Er brauchte Anerkennung und hatte einen Motor, der sich davon nährte, aber er empfand auch, dass er „enttäuschte“. Die Zeit für seine Familie war knapp; er war nicht dabei, als seine beiden Söhne geboren wurden und als sein Vater starb, was er bis heute bedauert. Die Beschränkung, als Musiker „zwischen Suhl und Rostock“ agieren zu müssen, war frustrierend. Trotz Einladungen von westlichen Labels wie Warner oder Sony konnte er nicht reisen, was internationale Tourneen und Promotion unmöglich machte.

Es war, als würde man „immer gegen so eine Wand rennen, so eine Glaswand“, man sah, was möglich wäre, konnte es aber nicht erreichen.
Im November 1989 fiel die Mauer. IC Falkenberg war einer der ersten Kollegen, die einen Deal im Westen unterschreiben konnten. Doch schnell stellte sich heraus, dass seine Art, Musik zu machen und Songs zu schreiben, nicht in die westlichen Fernseh- und Radioformate passte. Man versuchte, ihn „auf Linie zu bringen“, und er fand sich zuweilen in Schlagersendungen wieder. Der Übergang war schwer, da die ostdeutschen Künstler über Nacht an Relevanz verloren, als die „Musiklandschaft sich so verändert hat und man auf einmal quasi legal alles aus dem Westen konsumieren konnte“.

Der Liedermacher heute: Unabhängig und erfüllt Heute hat IC Falkenberg sein eigenes Label, produziert und vertreibt seine Musik selbst und bucht seine eigenen Touren. Er ist vielleicht kein Popstar mehr, aber dafür unabhängig und nach wie vor erfolgreich. Obwohl Corona seine Tourpläne durchkreuzte, macht er sich nicht nur Sorgen um die Spielstätten, sondern auch um junge Musiker am Beginn ihrer Karriere.
Mit 60 Jahren sind seine Bühnen kleiner als vor 35 Jahren. Doch er tut das, was er eigentlich immer tun wollte: Er ist ein Liedermacher.

Seine Musik ist oft politisch, kämpferisch und doch immer noch mit großem Pop-Appeal versehen. Er ist stolz darauf, mit 60 noch auf der Bühne zu stehen und „sein eigenes Ding durchzuziehen“. Er hat seine Mitte gefunden und es ist ihm „scheiß egal, was andere von ihm halten“. Wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, würde er seinem 14-jährigen Ich raten: „Du willst Liedermacher sein, also sei es dann“. Das, was er heute tut, hat für ihn eine „heilende“ Wirkung, weil er damit Menschen erreicht und seine Arbeit eine Bedeutung hat. Er empfindet sein Leben heute als „schönes Leben“.