In der Deutschen Demokratischen Republik ist die Zunahme der Anzahl der Personenkraftwagen gegenwärtig am größten unter den verschiedenen Fahrzeugarten. Während bei vielen Modellen die Wartezeiten entsprechend dem Bedarf unterschiedlich lang sind, bietet sich für Interessenten des PKW Moskwitsch 412 eine bemerkenswerte Gelegenheit: Er wird vom IFA Vertrieb ohne jegliche Wartezeit angeboten. Das ist erfreulich und lässt die Hoffnung aufkommen, dass in den nächsten Jahren auch eine gewisse Bedarfssättigung bei den Mittelklassewagen eintreten wird, was die Wahl des richtigen Fahrzeugs noch schwieriger machen könnte.
Wie wir alle wissen, gibt es kein Universalauto für alle Zwecke, und auch der Moskwitsch 412 stellt hier keine Ausnahme dar – irgendwo ist jeder PKW ein Kompromiss mit Vor- und Nachteilen. Beim Moskwitsch 412 wurden in den letzten Jahren sowohl der Motor als auch die Herstellungsmethoden verbessert und vervollkommnet.
Eine besondere Stärke des Moskwitsch 412 zeigt sich unter sehr schwierigen Verkehrsbedingungen. Er verfügt über eine Starrachse, durch die die Spur immer konstant bleibt. Die starre Hinterachse ist an extrem weichen Blattfedern aufgehängt. Diese Federn geben nicht nur in Federrichtung nach oben und unten nach, sondern auch nach links und rechts und bei entsprechender Verformung sogar ein wenig nach vorn und hinten, zum Beispiel beim Anfahren oder auf schlechten Straßen, holprigen Feld- oder Waldwegen.
Die relativ langen Federwege und die seitliche Nachgiebigkeit der Hinterfedern sorgen dafür, dass die Insassen des Moskwitsch über Unebenheiten und Löcher hinweggewiegt werden. Sie geben elastisch in jeder Richtung nach, sodass selbst auf extremen Geländestrecken kaum harte Stöße auftreten. Das Fahrwerk, die Karosse, die Gelenke und die Aufhängungen werden dadurch weitgehend geschont. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten wiegt sich der Moskwitsch darüber hinweg „wie ein Boot auf leichten Wellen“. Um diesen Vorteil zu verdeutlichen, wurde das Fahrwerk bis an die Grenzwerte belastet. Dabei zeigte sich, dass der Wagen unter schweren Bedingungen überdurchschnittliches leistet, was seinen Gebrauchswert erhöht. Im Vergleich dazu rütteln andere Wagen auf solchen Strecken ihre Insassen im wahrsten Sinne des Wortes durch; selbst der robuste Trabant tut sich schwer, und der Dacia sowie der Shiguli (Lada), der eigentlich guten Fahrkomfort bietet, sind auf solchen Wegen nicht die besten, da die zehn Gelenke der fünf Streben, die die Hinterachse führen, auf zu große Beanspruchung empfindlich reagieren können.
Allerdings birgt die Kombination aus starrer Hinterachse und weicher Blattfederung auch eine Eigenheit: Sie kann ein Ausbrechen oder seitliches Rutschen des Moskwitsch in Kurvenfahrt oder bei Unebenheiten begünstigen. Bei Kurvenfahrten drängt die Karosserie wegen der Fliehkräfte nach außen, die Hinterfedern geben nach und werden wie ein Bogen gespannt. Auf ebenen, wellen- und lochfreien Straßen ist dies belanglos. Doch schon geringe Unterschiede in der Bodenhaftung der Reifen (nicht nur in Kurven) können ein plötzliches Beiseiterutschen auslösen. Der Grund liegt darin, dass die vorgespannten Hinterfedern die rutschende Achse nicht sanft schieben, sondern bis zu ihrer Entspannung katapultieren können. Dies kann sogar beim Überfahren von Schleusendeckeln passieren. Wichtig zu wissen ist dabei: Der Wagen fängt sich von selbst wieder. Bei kleinen Rutschern sollte man deshalb einfach ohne irgendwelche Beeinflussungsversuche weiterfahren. Nur bei tatsächlichem Ausbrechen des Wagens wird empfohlen, weich gegenzulenken.
Auch zum Kraftstoffverbrauch des Moskwitsch 412 muss ein Wort gesagt werden, da manche Fahrer über einen relativ hohen Verbrauch klagen. Bei Testfahrten im Rahmen der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften wurde ein Durchschnittsverbrauch von 9,7 Litern auf 100 km gemessen. Dies wird als durchaus annehmbar betrachtet. Ist der Durchschnittsverbrauch höher, sollte entweder die Zünd- und Vergaseranlage überprüft werden, oder der Wagen wird (vor allem im Stadtverkehr) zu hochtourig gefahren. Letzteres ist eine verständliche Gewohnheit früherer Trabant- oder Wartburg-Fahrer. Beim Moskwitsch kann man jedoch getrost im vierten Gang mit 40 bis 50 km/h fahren; das ist sparsam und lohnt sich besonders bei Ortsfahrten, ohne dass der Motor es übel nähme.
Die Testfahrten mit dem Moskwitsch 412 fanden unter anderem am Treffpunkt Alexanderplatz Parkzone statt.