Berlin. Das „Mosaik“, einst das bekannteste und beliebteste Comic der DDR, steht 2025 im Mittelpunkt zahlreicher Jubiläen: Hannes Hegen, der Erfinder des „Mosaik“, wäre 100 Jahre alt geworden. Gleichzeitig feiert die Zeitschrift 70 Jahre Digedags und 50 Jahre Abrafaxe. Eine Veranstaltung im DDR Museum widmete sich kürzlich der faszinierenden Geschichte dieser einzigartigen Bildgeschichte, die die Presselandschaft der DDR dominierte und als „sozialistische Alternative zu Donald Duck, Mickey Mouse und Co.“ im Kinderzimmer diente.
Hannes Hegen: Der unbequeme Unternehmer im Sozialismus Hinter dem Pseudonym Hannes Hegen verbarg sich Johannes Hegenbart, 1925 in Böhmisch Kamnitz (heute Kamenice, Tschechische Republik) geboren. Bevor er zum Comiczeichner wurde, war er in den frühen 1950er Jahren als Karikaturist für Zeitschriften wie „Das Magazin“ und „Frischer Wind“ tätig. Was Hegen und das „Mosaik“ besonders machte, war seine Rolle als „unabhängiger Unternehmer“ mitten in der DDR. Dies ist eine „ganz, ganz spannende Geschichte“, wie Matthias Friske, Mosaikologe und Kenner der Materie, im DDR Museum betonte.
Hegenbart war bekannt für seine zurückgezogene Art. Seine finanziellen Vereinbarungen, die ihm ein Monatsgehalt von 10.000 Ostmark sicherten, waren ungewöhnlich hoch und stießen bei Parteifunktionären oft auf Missfallen. Friske relativiert dies jedoch: Hegen musste das gesamte Material aus dem Westen besorgen und bezahlte auch Mitarbeiter privat. Er bezeichnete das „Mosaik“ als „ein Stück Kapitalismus im Sozialismus“, das dank Hegens Autonomie ein „tolles Produkt“ ablieferte.
Die Geburt einer Legende: Die Digedags Die Idee für ein sozialistisches Gegenstück zu den aus dem Westen importierten Comics entstand 1953 im „zaghaften Tauwetter“ nach Stalins Tod. Westliche Comics wurden in der DDR als „Schund und Schmutz“ gebrandmarkt und sogar verbrannt. In dieser Atmosphäre präsentierte Hannes Hegen dem Verlag Neues Leben seine Ideenmappe, die auch frühe Entwürfe der später berühmten Digedags enthielt.
Die erste Ausgabe, „Dick Duck, Digeduck auf der Jagd nach dem Golde“, erschien im Dezember 1955. Ursprünglich vierteljährlich und später monatlich ab Heft 8 veröffentlicht, kostete das 32-seitige Heft 95 Pfennig, was für die damalige Zeit als teuer galt. Die Auflage von 100.000 Exemplaren der ersten Nummer war sofort ausverkauft, ab Nummer 2 stieg sie auf 150.000. Das „Mosaik“ erreichte später Auflagen von über 600.000 Exemplaren und einen Leserkreis von bis zu zwei Millionen Menschen. Selbst „Ausschusshefte“ fanden ihre Abnehmer.
Vom Orient ins Weltall: Die Abenteuer und der Druck der Zensur Die frühen Geschichten der Digedags führten sie in den Orient und die Südsee. 1957 markierte die „zweite Geburt des Mosaik“ mit der Umstellung auf einen monatlichen Rhythmus und dem Aufbau des berühmten „Mosaik-Kollektivs“ in Hegens Wohnung in der Waldo Allee 15. Lothar Dräger, eine der wichtigsten Personen neben Hegen, war für die dramaturgische Konzeption und die Texte verantwortlich.
Die „Römerserie“ von 1957/58, die noch vor Asterix entstand, entdeckte die Antike als Schauplatz und war außerordentlich erfolgreich. Doch die späten 1950er Jahre brachten verstärkten Druck der DDR-Zensur. Chefredakteur Ernst Dornhof wurde eingesetzt, um Parteivorgaben durchzusetzen. Sichtbare Eingriffe, wie die Änderung von Adler-Fallschirmen zu undefinierbaren Formen, um Assoziationen zum westdeutschen Wappentier zu vermeiden, zeigten den ideologischen Druck. Die Antike wurde schließlich „verboten“, und die Digedags wurden ins Weltall geschickt, um auf einem „Zweistaten-Planeten“ „klassenbewusste“ Geschichten zu erleben. Diese „Neoserie“ sollte die Bildung der Kinder fördern, was ursprünglich nicht Hegens primäres Ziel war und von ihm gehasst wurde. Propaganda-Themen wurden in Beilagen wie „Klaus und Hein erzählen aus dem Pionierleben“ ausgelagert.
Ab Januar 1962 erfolgte eine weitere markante Änderung: Der Abschied von den Sprechblasen zugunsten von Untertexten. Dies wurde offiziell als Abgrenzung zu westlichen Comics verkauft, entsprach aber auch Hegens Wunsch, da Sprechblasen die Bilder oft störten. Trotz aller Zugeständnisse blieben die Hefte der frühen 1960er Jahre „überbordend mit Humor und auch mit Obrigkeitskritik“, was bei Zensoren immer wieder zu Ärger führte. Die Digedags bereisten verschiedene Zeitalter und Orte, von mittelalterlichen Rittern in der Runkel-Serie (1964) bis zu Goldschätzen in der Amerika-Serie.
Das abrupte Ende der Digedags und die Ära der Abrafaxe 1973 kündigte Hannes Hegen seinen Vertrag. Er wollte kürzertreten und bevorzugte einen albenartigen, unregelmäßigen Erscheinungsrhythmus. Zudem gab es atmosphärische Störungen im Kollektiv, da die Mitarbeiter unzufrieden mit der mangelnden Namensnennung („Mosaik von Hannes Hegen“) waren. Der Verlag Junge Welt, der auf die Einnahmen des „Mosaik“ angewiesen war, sah sich jedoch gezwungen, das Heft monatlich fortzuführen. Lothar Dräger wurde daraufhin kontaktiert, um das „Mosaik“ ohne Hegen weiterzuführen. Dies führte zu einem endgültigen Bruch zwischen Hegen und Dräger.
Die letzte Ausgabe der Digedags (Heft 223) endete 1975 abrupt, und die Leser wurden über das Verschwinden der beliebten Figuren nicht offiziell informiert. Zahlreiche Gerüchte kursierten. Im Januar 1976 traten die Abrafaxe – Abrax, Brabax und Califax – an ihre Stelle. Hegen reichte eine Plagiatsklage ein, die jedoch erfolglos blieb. Obwohl die neuen Hefte anfangs ein hohes Niveau hielten, waren sie dünner (20 statt 24 Seiten) und die Geschichten galten in den 1980er Jahren als „abgeflacht“.
Eine Erfolgsgeschichte über die Wende hinaus Eine bemerkenswerte Leistung ist, dass das „Mosaik“ – in Form der Abrafaxe – die politischen Umbrüche von 1989/90 überlebt hat und eine der wenigen DDR-Zeitschriften ist, die bis heute fortgeführt werden. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, wie dem Verlust der Abonnentenkartei und einem Auflagenrückgang, stabilisierte sich das Blatt. Seit 1994 erlebt das „Mosaik“ eine Renaissance mit längeren, gut strukturierten Geschichten.
Das „Mosaik“ bleibt ein faszinierendes Dokument der DDR-Geschichte und ihrer populären Kultur. Auch heute noch tauchen neue Erkenntnisse und unveröffentlichte Materialien auf, wie jüngst die Texte und Entwürfe für zwei nie erschienene Digedags-Hefte, die nun als „Duell an der Neva“ und eine kommende Ausgabe veröffentlicht werden. Die Geschichte des „Mosaik“ ist somit, wie Matthias Friske feststellt, „nie fertig erforscht“.