Berlin. Die jüngsten Wahlergebnisse in Berlin, die SPD und Grüne empfindlich trafen, haben die Debatten um die Leistungsfähigkeit der Ampelkoalition neu entfacht. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig spricht in diesem Zusammenhang von einer „harten Abstrafung“ – und fordert konsequente Antworten auf die drängendsten Herausforderungen Deutschlands.
„Endloser Streit“ kostet Vertrauen
Für Schwesig liegt ein zentrales Problem in der mangelnden inneren Geschlossenheit der Koalitionspartner. „Die Bürgerinnen und Bürger haben diesen endlosen Streit abgewählt“, bilanziert sie mit Blick auf kontroverse Debatten um Sozialreformen, Gaspreisdeckel und Unternehmenssteuern. Besonders Wirtschaft und Mittelstand hätten „fehlende Planungssicherheit“ beklagt, wenn wichtige Entscheidungen ins Stocken gerieten.
Wirtschaftsmodell am Scheideweg
Die Abhängigkeit von preiswerter Energie aus Russland und Sicherheit aus Amerika gehöre der Vergangenheit an, so Schwesig. Durch den Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Verteidigungsausgaben habe sich der finanzielle Spielraum zugunsten der Wirtschaft und Infrastruktur deutlich verengt. Es sei „definitiv mehr investiert“ werden müssen. Deshalb befürwortet sie die Nutzung neuer Kredite – etwa für Schulen, Krankenhäuser oder Breitbandausbau.
Sondervermögen als Planbarkeitsgarantie
Ein Lichtblick sei das 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur, das der Bund 2023 aufgelegt hat. Schwesig lobt die bundesweite Planungssicherheit für die nächsten zehn bis zwölf Jahre und kündigt für ihr Bundesland einen eigenen Zehn-Jahres-Plan an. Die Mittel müssten „vor Ort ankommen“, betont sie, und seien ausdrücklich nicht für Konsumausgaben vorgesehen. So seien beispielsweise Lehrergehälter weiterhin Landessache.
Aktienrente als „Gamechanger“
Mit Blick auf die demografische Entwicklung plädiert Schwesig für eine teilkapitalgedeckte Alterssicherung („Aktienrente“). Dieses Modell, so die Ministerpräsidentin, hätte nicht nur die Jüngeren entlastet, sondern langfristig stabilere Renten ermöglicht. Im Ampelbündnis sei der Vorschlag jedoch „verhakt“ geblieben – ein Versäumnis, das nun schmerzlich zutage trete.
Fairere Kostenverteilung beim Netzausbau
Ein weiterer Streitpunkt betrifft die Finanzierung des Stromnetzes für erneuerbare Energien. Schwesig vergleicht den Netzausbau mit dem Bau von Autobahnen, deren Kosten nicht allein den Autofahrern aufgebürdet werden. Analog dazu solle ein Teil des Sondervermögens in den Netzausbau fließen, um steigende Strompreise abzubremsen und die Akzeptanz für grüne Technologien zu sichern.
Vertrauen zurückgewinnen – und das AfD-Problem lösen
Abschließend mahnt Schwesig, die Demokratie stehe aufgrund des Vormarschs der AfD auf dem Spiel. Ein Verbotsverfahren sei „eine rechtliche Entscheidung“, bei Vorliegen aller Voraussetzungen müsse gehandelt werden. Entscheidend aber sei, „Vertrauen wieder zurückzugewinnen“ – durch konkrete Taten, nicht nur politische Versprechungen. Die SPD erwäge inzwischen neue Koalitionsoptionen, bis hin zu einer Zusammenarbeit mit der Union. Denn nach Schwesigs Ansicht hat die Ampel ihre Chance verstreichen lassen – und wird nun in Berlin wie bundesweit neu antreten müssen.